Das orangene Männlein

Das orangene Männlein„Kann ich Ihnen helfen?“

„Wäh? Hallo? Geht’s noch? Sie haben mich erschrocken! Wir sind hier in einem Baumarkt, Sie können mich doch nicht einfach ansprechen und mich fragen ob Sie mir helfen können, das ist absolut unüblich und überhaupt völlig pietätlos, wer hat Sie denn ausgebildet? Mensch, Sie müssen doch vor jedem potenziell fragenden Kunden wegrennen und sich verstecken – irgendwo zwischen engen Regalen, am besten in der Werkzeugecke, da ist normalerweise keiner, weil keiner mehr irgendwas alleine reparieren kann, außer Handwerker – und die fragen Sie nicht, weil die um Welten mehr Ahnung haben als Sie, sonst wären Sie ja der Handwerker und die da die Baumarktmitarbeiter, nein, in der Werkzeugecke sind Sie absolut sicher.

Und wenn Sie dann auf dem Weg zur Toilette oder in die Raucherecke doch mal jemand erwischt, der Sie was fragen will, dann müssen Sie ganz doll beschäftigt und wichtig tun, am besten haben Sie dazu immer ein paar Phantomakten in der Hand, irgendwelche abgelaufenen Bestellzettel, irgendeinen Holzkatalog oder meinetwegen Ihren Lottoschein oder Einkaufszettel, egal, Hauptsache Sie konzentrieren sich ganz auf das was Sie in der Hand haben so dass Sie diesem Schlumpf, der da was wissen will, das erniedrigende Gefühl geben, dass er eine wichtige Amtshandlung stört. Oder rennen Sie einfach weiter und lassen den Schlumpf hinter sich her rennen und seine Fragen hinter Ihnen her hecheln während Sie die Zahlen Ihres Zettels mit denen auf den Regalen vergleichen – er darf auf keinen Fall das Gefühl bekommen, dass er wichtiger ist als das was Sie gerade vortäuschen zu tun.

Nee, bah, nicht mal ein halbes Ohr würde ich so einem Schmock leihen geschweige denn irgendwie auf seinen Mist antworten – lieber immer wegschicken, irgendwohin in die Sanitärabteilung oder ins Gartencenter, wo eh nie einer ist, aber egal, einfach behaupten, dass da einer ist, der sich garantiert damit auskennt und dann schnell wieder ab in die Werkzeugecke oder überhaupt irgendwohin, wo man nicht gesehen wird von diesen Clowns, die immer so viel sinnlosen Blödsinn wissen wollen und den Hals nie voll genug kriegen.

Und wenn Sie irgendwann dann doch mal nicht mehr ausweichen können weil alle Fluchtwege schon mit anderen potenziell fragenden Bittstellern blockiert sind, dann stöhnen Sie ganz laut und möglichst resigniert auf und erklären dem erstbesten Clown, dass sein Begehr – egal was es ist – völlig unüblich ist und das was er will, kaum noch so irgendwo verwendet wird, höchstens irgendwo in den Karpaten, Aserbaidschan oder Nordkorea – egal, jedenfalls gibt es sowas hier nicht und kommt auch nicht mehr rein.

Und hat er irgendwas in der Hand und will es erklärt haben, dann lesen Sie maximal die Packungsaufschrift laut vor, dann kommt er sich blöd vor weil jeder denkt, dass er nicht lesen kann. Und dann zeigen Sie unvermittelt auf irgendein Regal, murmeln etwas Unverständliches, drücken ihm seine Packung wieder in die Hand, nutzen seine Verwirrung und rennen weg – in die Werkzeugecke. So geht das. Das ist Guerillataktik, wir sind hier im Krieg. Kapischi?“

„Huch, lassen Sie mich raten: Sie arbeiten bei Obi. “

„Das hat dir der Teufel gesagt, das hat dir der Teufel gesagt“ schrie das orangene Männlein, und stieß mit dem rechten Fuß vor Zorn so tief in die Erde dass es bis an den Leib hineinfuhr, dann packte es in seiner Wut den linken Fuß mit beiden Händen, und riss sich selbst mitten entzwei.

Foto: Stephanie Hofschlaeger / pixelio.de

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Italien, mal wieder…

Heute spielt die deutsche Fußballnationalmannschaft gegen Italien. Mal wieder. Obwohl es heute ein Freundschaftsspiel um die goldene Ananas ist, denkt man natürlich an die großen Duelle beider Mannschaften, als es um alles und ans Eingemachte ging. Das Halbfinale 2006.  Das Finale 1982. Und das Halbfinale 1970, das „Jahrhundertspiel“. Wer das – wie ich – live (vorm Fernseher) verfolgt hat, vergisst es nicht.

Es war ein Mittwoch, Anpfiff war um 16 Uhr Ortszeit, 22 Uhr hierzulande. Am nächsten Morgen um 8 wollte Herr K. eine Mathe-Arbeit schreiben lassen. Okay, 90 Minuten, Viertelstunde Pause, vor zwölf würde ich in der Falle liegen. Kein Problem.

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Video-Link: http://www.youtube.com/watch?v=IEQ20YFhJOU

Und dann das frühe Tor. Alles, nur den Italienern kein frühes Tor erlauben. Dann stellen sie sich hinten rein, werden nicklig und es wird hässlich. Und es wurde hässlich. Und wie..

Schiedsrichter Arturo Yamasaki ist vermutlich mit leichtem Handgepäck in Mexico City eingetroffen und mit mehreren wohlgefüllten Schrankkoffern nach Hause zurückgekehrt. Was der gepfiffen hat, ging auf keine Kuhhaut. Allein, dass er das Foul an Beckenbauer nach außerhalb des Strafraums verlegt hatte, war eine Frechheit. Aber dass er Pierluigi Cera, der Beckenbauer die Schulter ausgerenkt hatte (!) noch nicht mal gelb gezeigt hat… dafür fehlen mir 41 Jahre später immer noch die Worte.

„Ausgerechnet Schnellinger!“ war natürlich ein Quatsch-Kommentar Hubertys. Wenn überhaupt jemand (außer Müller) den Ausgleich machen konnte, dann Schnellinger. Der spielte seit Jahren in Italien, der kannte seine Gegenspieler aus dem Effeff, und er hatte bisher ein saustarkes Turnier gespielt. Der wusste genau, dass die Defensiv-Fetischisten nicht damit rechnen würden, dass plötzlich ein Verteidiger vor dem Tor auftaucht… Wäre Huberty auf Ballhöhe gewesen, hätte er „Natürlich Schnellinger!“ rufen müssen.

Das Etikett „Jahrhundertspiel“ ist einzig und allein der Verlängerung geschuldet. Zuvor war es ein hässliches (defensive Italiener), vorhersehbares (anrennende Deutsche) Spiel. Die Dramatik der Verlängerung war jedoch unüberbietbar. Ein spannenderes und vor allen Dingen emotional bewegenderes Spiel habe ich seitdem nicht mehr gesehen.

Augenzeuge Gianni Rivera sieht das allerdings anders: “War nicht das Jahrhundertspiel. Die meisten auf dem Platz waren Kettenraucher. Man hörte in der Hitze die Lungen rasseln. Die Spieler konnten nicht mehr. Die Tore mussten fallen.”

Gedenktafel am Aztekenstadion

Was nach 41 Jahren immer noch bleibt, ist die Wut über die Ungerechtigkeit dieses Ergebnisses. Die deutsche Mannschaft hat hinreißend gekämpft und der als unüberwindlich geltenden Deckung der Italiener drei (drei!) Tore hineingedrückt. Das galt vor diesem Spiel als unmöglich. Sicher, die Italiener haben im Endeffekt ein Tor mehr geschossen, man muss dieser eiskalten Professionalität Respekt zollen, aber ein unparteiisch pfeifender Schiedsrichter hätte zwei Elfmeter für Deutschland gegeben und mindestens einen Italiener vom Platz gestellt. Das Spiel hätte ein anderes Endergebnis gehabt.

Was letztendlich wurscht war. Wir hätten das Finale ohne Beckenbauer gegen die in Top-Form auftretenden Brasilianer vermutlich genauso glatt verloren wie die Italiener. Obwohl… wir hätten uns schneller regneriert. Und wir hatten Erfahrung im Spiel gegen Mannschaften, die sich schon wie die sicheren Sieger gefühlt haben. Möglicherweise… Warum eigentlich nicht?!

Es war nach eins, als ich mich ins Bett legte. An Schlaf war nicht zu denken, dafür hatte ich zu wenig Blut in meinem Adrenalin. Irgendwann gegen fünf oder halb sechs, es wurde schon hell draußen, bin ich für ein paar Momente weggedämmert, schreckte jedoch Sekunden später aus einem Alptraum (irgendwas mit blau gekleideten Männern) wieder hoch.

Um sieben klingelte der Wecker, um kurz vor acht hatte ich mich zur Schule geschleppt. Die anderen sahen genauso zerstört aus wie ich: alle hatten das Drama verfolgt, keiner hatte ein Auge zugemacht. Unmöglich, in diesem Zustand eine Mathe-Arbeit zu schreiben. Da musste selbst ein Schleifer wie K. ein Einsehen haben, das konnte er nicht machen, wenn in seiner Brust ein menschliches Herz schlug, dann würde er die Arbeit verschieben. Er wusste doch, dass wir alle fußballverrückt waren.
Um Punkt acht betrat K. die Klasse, frisch rasiert und ausgeschlafen. Der hatte sich um neun ins Bett gelegt, dem ging der Fußball am Arsch vorbei. Fröhlich verteilte er die Klassenarbeitshefte und stellte uns die Aufgaben. Als er uns zwei Wochen später die Arbeiten zurück gab, war die Vier die beste Note.

Seitdem frage ich mich, wer das größere Arschloch war, Arturo Yamasaki oder Herr K. Noch steht’s unentschieden, die Verlängerung dauert an.

Foto Gedenktafel by Hellner [Public domain], via Wikimedia Commons

Was liegt an? – 7.2. bis 13.2.2011

Was nächste Woche auf uns zukommt.

Länderspielwoche. Okay, ein Freundschaftsspiel, da agiert die aktuelle Spielergeneration gern ein wenig unenthusiastisch, also sollte man vom Mittwochabend nicht zuviel erwarten. Auch wenn es gegen Italien geht. Immerhin im Westfalenstadion. Da trafen beide Mannschaften ja vor viereinhalb Jahren zum letzten Mal aufeinander. Mit bekanntem Ergebnis. Ich frag mich immer noch, was gewesen wäre, wenn der Olli statt dem Jens… Der Olli hätte das Einsnull gehalten, da bin ich mit sehr sicher. Naja, ist viereinhalb Jahre her. Man kann ja mal reinschauen, auch wenn’s nur ein Freundschaftsspiel ist.

Wobei Mittwoch tatsächlich der einzige Abend ist, an dem sich das Einschalten des Fernsehers auch ohne Fußball lohnt: Um 20 Uhr 15 bringt Das Vierte „Die Abenteuer des Rabbi Jacob“, einen der besten Louis-de-Funes-Filme überhaupt, und um 22 Uhr 15 sendet Tele 5 einen schönen, alten Jackie Chan: „Sie nannten ihn Knochenbrecher“, den ersten Film der Drunken-Master-Serie, ein herrlich unernster Prügelquatsch.

Am Donnerstag kommt eine schöne Horrorfilm-Parodie ins Kino: „Tucker & Dale vs. Evil“. Feierwütige Studenten treffen auf Hinterwäldler, das Übliche, aber dieser Film arbeitet mit umgekehrten Vorzeichen: diesmal sind die Studenten die neurotischen Killer. Hübsch gemacht, stellenweise sehr komisch, aber letztlich wohl doch eher was für Kenner des Genres, die die zahllosen Zitate einordnen können.

Auf DVD kommt „Themba“ heraus, ein in Südafrika verortetes Melodrama mit Fußballhintergrund. Kindesmißbrauch, Gewalt, Vergewaltigung, Prostitution, AIDS, und dann auch noch Jens Lehmann als Trainer… da kommt’s wirklich knüppeldick.

Sportlich ist außer Länderspiel und Bundesliga-Routine einiges los, morgen beginnt die Alpine Ski-WM in Garmisch, Übertragungen auf ARD/ZDF/ Eurosport bis zum 20. Februar. Am Freitag überträgt Sport1 Eishockey, das Slovakia-Cup-Spiel Deutschland-Slowakei, und Sonnabend kann man ebenfalls auf Sport1 Rugby gucken, Six Nations Cup, Italien-England. Viel Spaß!

„Was liegt an“ ist die montäglich erscheinende Wochenvorschau von „Männer unter sich“. Was Männer in den nächsten 7 Tagen interessieren könnte in total subjektiver Auswahl: TV, Sport, Kino, Musik, DVD, Events, was eben anliegt. Haben wir was vergessen? Sollen wir auf was hinweisen? Jederzeit gern, bitte die Kommentare benutzen oder unsere Mailadresse redaktion@maenneruntersich.de .

Foto: Katharina Wieland Müller / pixelio.de

Macho!

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Video-Link: http://www.youtube.com/watch?v=Db7ZE0PalLQ

Harald Effenberg ist Schauspieler, er lebt und arbeitet in Berlin. Fernsehzuschauern ist er unter anderem aus der “Comedy-Falle” oder aus “Hallervordens  Spott-Light” bekannt. Sein Witz-Programm “Unter aller Sau” lief mehrere Monate lang in den Berliner Wühlmäusen. Effenberg, der nur unsportliche Verwandte hat, ist Autor des Buchs “Die 100 besten Witze aller Zeiten“.

Links der Woche (29.1. bis 4.2.)

Ab sofort jeden Freitag auf „Männer unter sich“: Links, die uns während der Woche untergekommen sind – Sport, Cartoons, Reportagen, Hintergründe zu unseren Artikeln usw. Männlicher Lesestoff zum Wochenende, viel Spaß!

Testfahrt mit einem Eishobel.
Eishobel im Test: Schlitterfahrt mit Monstrum -SPIEGEL ONLINE – Nachrichten – Auto

Wenn man Durst hat, kommt man auf die merkwürdigsten Ideen.
Notruf-Missbrauch: Betrunkener löst wegen vermisster Biervorräte Alarm aus -SPIEGEL ONLINE – Nachrichten – Panorama

Youtube-Video: Mit dem Porsche 956 über die Nordschleife des Nürburgring.Derek Bell in car Porsche 956 at Nordschleife

Leben in der 1. Klasse.
Die First-Class-Passenger-Lounges der Fluglinien

Das glaub ich nicht!
Die Mona Lisa war ein schwuler Kerl?

Eine elektrische Eisenbahn, die auf Stelzen durchs Meer fährt? Die gab’s wirklich!
Brighton-Rottingdean Seashore Electric Railway

Cartoon: Batman als Frau. Brüller.
If Batman had been a woman

Als die Musik starb

http://www.youtube.com/watch?v=jTL01MRs_7o

Am 3. Februar 1959 kamen Buddy Holly, Ritchie Valens und J.P. „The Big Bopper“ Richardson, drei der vielversprechendsten Rock-Musiker ihrer Zeit, bei einem Flugzeugabsturz ums Leben. Don McLean schrieb 1972 den Song „American Pie“, der dieses Ereignis thematisierte. Da McLean den Refrain dieses Songs mit dem vermutlich genialsten Hook aller Zeiten versah, ist der 3. Februar seither „The Day The Music Died“.

Oh, Boy! That’ll be The Day. Peggy Sue. Words of Love.

Buddy Holly war der Musiker, der den Standard-Line-Up einer Rock-Band etablierte: Lead-Gitarre, Rhythmus-Gitarre, Bass, Schlagzeug.

Eigentlich hatte Holly das Flugzeug für sich und seine Musiker, Waylon Jennings (ja, DER Waylon Jennings) und Tommy Allsup gechartert. Waylon Jennings überließ seinen Platz dem Big Bopper, weil den eine Grippe plagte. Tommy Allsup und Ritchie Valens warfen eine Münze um den letzten freien Sitz. Valens gewann und verlor sein Leben. Allsup betrieb später eine Kneipe, die er in Erinnerung an diesen Münzwurf den „The Head‘s Up Saloon“ nannte.

Letztes Konzert im Surf Ballroom, Clear Lake

2007 ließ Jay Richardson, der Sohn des „Big Bopper“, die Leiche seines Vaters exhumieren und eine Autopsie durchführen. Jahrzehntelang waren Gerüchte durch die Welt gegeistert, denen zufolge Buddy Holly eine Waffe mit sich geführt hätte, der Pilot erschossen worden war und dass Richardson den Absturz schwer verletzt überlebt hätte und versucht habe, Hilfe zu holen. Die Autopsie ergab, dass Richardson – wie alle Insassen der Maschine – beim Aufprall der Maschine gestorben ist. Der Versuch, den Sarg des „Big Bopper“ auf ebay versteigern zu lassen, scheiterte.

2004 veröffentlichte der „Rolling Stone“ eine Liste mit den 500 besten Rock-Songs aller Zeiten. Ritchie Valens‘ „La Bamba“ taucht als einziger nicht-englischsprachiger Song auf dieser Liste auf.

Bernd Begemann aus Bad Salzufflen nahm 1993 den Song „Buddy, nimm lieber den Bus“ auf. Das musste nun wirklich nicht sein.

Die Heizung im Tourbus war kaputt, und Buddy Holly hatte keine saubere Wäsche mehr. Deswegen entschloss er sich, ein Flugzeug zu chartern, um von Clear Lake nach Fargo zu fliegen.

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Video-Link: http://www.youtube.com/watch?v=tr-BYVeCv6U

Die Chartergebühr für die Maschine belief sich auf 108 $, 36 $ pro Passagier. Dion de Mucci, der ursprünglich mitfliegen wollte, verzichtete, weil der Flug ihm zu teuer war. 36 $ war die Monatsmiete für die Wohnung seiner Eltern.

Als Buddy Holly erfuhr, dass Waylon Jennings seinen Platz an den Big Bopper abgetreten hatte, sagte er zu Jennings: „Well, I hope your old bus freezes up.“ Jennings antwortete im Scherz: „Well, I hope your plane crashes.“ Das war das letzte, was er zu Holly sagte. Er hat sein Leben lang versucht, darüber hinwegzukommen.

Noch heute wird jedes Jahr die „Winter Dance Party“ (Original-Titel der damaligen Tour) organisiert, die alle Stationen der letzten Tournee der drei besucht und im „Surf Ballroom“ in Clear Lake endet, dort, wo auch die drei zum letzten Mal aufgetreten sind.

Das Folkrock-Duo „Zager & Evans“ eroberte sich 1969 mit dem Song „In The Year 2525“ ein kleines Stück musikalischer Unsterblichkeit. Das Lied wurde im Studio von Tommy Allsup aufgenommen.

Aus dem Autopsiebericht:
Personal effects, Charles Hardin Holley: Cash $193.00 less $11.65 coroner’s fees – $181.35. 2 cuff links, silver, 1/2 inch, balls having jeweled band. Top portion of ball point pen.

1957 stellte J.P. „The Big Bopper“ Richardson einen DJ-Rekord auf. Er moderierte fünf Tage, zwei Stunden und acht Minuten am Stück. Dabei spielte er 1821 Musiktitel. Seine einzigen Pausen waren die fünf Minuten langen Unterbrechungen für die Nachrichten. Da duschte er. Während des Rekords verlor er 16 kg Gewicht und verdiente 746,50 Dollar für Überstunden.

Denkmal nahe der Absturzstelle

Das Flugzeug, mit dem Holly, Valens und Richardson abstürzten, war eine Beechcraft Bonanza. Dieses Modell wird seit über sechzig Jahren produziert. Keine Maschine wurde über einen längeren Zeitraum produziert als die Beechcraft Bonanza.

Not Fade Away.

Fotos:
Surf Ballroom by ←##:en:User:Baseball Bugs [Public domain], via Wikimedia Commons
Holly Monument by Dennis Fernkes – Edina, Minnesota, USA (Own work) [Public domain], via Wikimedia Commons

Angst fressen Kinder auf

Die guten, alten Werte...

„Konsequente Erziehung“ nennt sich das, was derzeit in den Leserbriefspalten der Zeitungen laut und heftig diskutiert wird. Um zwei Frauen dreht sich die Debatte, die eine hat ein Buch geschrieben, die andere will es möglicherweise noch tun. Amy Chua hat mit „Die Mutter des Erfolgs: Wie ich meinen Kindern das Siegen beibrachte“ in den USA einen Bestseller gelandet, und da die Feuilletons derzeit diesen Schinken zum Tagesgespräch hochschreiben, werden auch wir uns demnächst die Köpfe heiß reden, ob es richtig ist, die eigenen Sprößlinge mit Druck und Drill dazu zu bringen, dass sie das Leistungsprinzip verinnerlichen.
In eine ähnliche Kerbe haut die Berliner Grundschullehrerin Ursula Sarrazin, die ins Gerede kam, weil sie in ihren Klassen strenge Regeln aufstellte und dieselben auch konsequent durchsetzte. Wie weit diese Konsequenz ging, darüber wird gestritten: hat sie einem Schüler nun mit der Blockflöte den Scheitel nachgezogen oder nicht? Hat sie ihre Klassen regelmäßig angebrüllt oder nicht? Auch diese Diskussionen werden uns eine ganze Weile lang begleiten, was höchst überflüssig ist, denn die Erziehung mit Strenge, Druck und Drill ist ein uralter Hut.
Ich selbst bin noch in den höchst zweifelhaften Genuss dieser Erziehung gekommen. Als ich vor etwas mehr als 40 Jahren in das Gymnasium der Kleinstadt, in der ich aufgewachsen bin, eingeschult wurde, gab es eine schöne Feierstunde in der Aula. Der Direktor hielt eine Ansprache, der Schulchor sang etwas erbauliches, und dann führte uns unser Klassenlehrer in den Klassenraum. Als wir uns in die Bänke gesetzt hatten (ja, es gab an dieser Lehranstalt noch Schulbänke), sagte er: „Liebe Jungen, herzlich willkommen im Gymnasium. Damit wir uns gleich richtig verstehen: in drei Jahren geht die Hälfte von euch auf die Realschule. Und bis zum Abitur schaffen es höchstens zehn Prozent.“
Er hatte vollkommen recht. Drei Jahre später waren aus den dreißig Jungens, die sich da großäugig in die Bänke der Sexta gezwängt hatten, noch fünfzehn übrig. Und von den fünfzehn machten am Ende tatsächlich nur vier das Abitur.
Strenge Regeln, unerbittliche Konsequenz und stetiger Druck war in den 9 Jahren bis zum Abitur für mich etwas vollkommen Normales, das gehörte zur Schule eben dazu. Das noch etwas dazugehörte, realisierte ich erst zwanzig Jahre später.
Anlässlich eines Klassentreffens hatte uns unser letzter Klassenlehrer, der mittlerweile der Direktor des Gymnasiums geworden war, in unsere alte Schule eingeladen. Ich betrat das finstere Gemäuer zum ersten Mal seit meiner Schulzeit wieder, und kaum war ich drin, wollte ich auch schon wieder raus. Dieser altvertraute, ekelerregende Schulgeruch löste einen derart intensiven Fluchtreflex in mir aus, wie ich ihn gar nicht kannte, ich wäre am liebsten sofort wieder hinausgerannt. Wonach roch das bloß? Klar, Kinderschweiß, irgendwelches Reinigungszeug, Staub und… Angst. Die ganze Schule roch nach Angst, und ich merkte, dass Angst neun Jahre lang der Motor gewesen war, der mich in der Schule auf Trab gehalten hatte. Wenn du Angst vor dem Versagen hast, erträgst du jede Menge Druck. Wenn du Angst vor Strafe hast, hältst du auch noch die idiotischste Regel ein. Angst ist die Basis des Erziehungssystems, dass Mrs. Chua und Frau Sarrazin propagieren.
Und dieses System funktioniert nicht einmal. All das, was die strengen Schleifer im Gymnasium versucht haben, in mich hinein zu bläuen, habe ich längst wieder vergessen. An ihren strengen Regelkanon, der einer total verengten Weltsicht entsprungen war, habe ich keinen Gedanken mehr verschwendet, seit ich die Schule verlassen habe. Geblieben sind mir nur die Dinge, die mir drei, vier Lehrer vermittelt haben, die uns eben keine Angst einzujagen versuchten, sondern die uns wie vernunftbegabte Lebewesen behandelten und versuchten, unser Interesse zu wecken. Diese Menschen behalte ich noch heute in dankbarer Erinnerung.
Die anderen hingegen… Und diejenigen, die heutzutage diesen vorgestrigen Erziehungsmethoden das Wort reden… Nun ja, wer einem Kind Angst einjagt, damit es ein besserer, leistungsfähigerer Mensch wird, ist kein verantwortungsbewusster Erzieher, sondern ein dummes Arschloch.

Foto: Traumwelten / pixelio.de

Was liegt an? – 31.1. bis 6.2.2011

Ab sofort jeden Montag auf „Männer unter sich“: die Wochenvorschau, eine subjektive Auswahl von Dingen, die Männer in den nächsten Tagen interessieren könnten.

Was nächste Woche auf uns zu kommt.

Heute Abend läuft im ZDF eine kleine, schwer unterschätzte Action-Perle: „Tödliche Bedrohung“ von Roger Spottiswoode, mit Sidney Poitier und Tom Berenger. Extrem spannende Ganovenhatz durch die Rockies, tolle Bilder, kernige Sprüche, saubere Kumpel-Action, wer den noch nicht kennt, sollte einschalten, ist aber auch was zum Nochmalgucken.
Ansonsten kann man diese Woche mal wieder in die Kneipe gehen, Skatspielen oder endlich mal den Hobbykeller aufräumen, in der Glotze läuft unter der Woche nur Quark. Höchstens am Mittwoch könnte man noch „Fantomas bedroht die Welt“ um 20 Uhr 15 auf „Das Vierte“ einschalten, leicht angestaubter, trotzdem abgefahrener 60er-Jahre-Kult mit Jean Marais und einem saukomischen Louis de Funés. Zum Ablachen.
Das männliche TV-Highlight der Woche ist der St. Pauli-Sonntag auf 3sat: ab 6 Uhr früh gibt’s 24 Stunden lang Reportagen, Dokus, Serien, Filme über Reeperbahn, Kiez und FC. Das dürfte Spaß machen.

Am Donnerstag stehen die Kino- und DVD-Neustarts an. „My Soul To Take„, der neue Wes Craven (erste Regiearbeit seit sechzehn Jahren!) kommt in die Kinos, ein Ticketkauf könnte für Horror- und Splatterfans lohnen. Die Betonung liegt auf „könnte“, der Film mit einem Plot, der stark an die „Nightmare on Elm Street“-Serie erinnert, hatte hundsmiserable Kritiken beim Start in den USA. Das will nix besagen, Scheiß-Kritiken haben Horrorfilme meistens, aber die Zuschauerzahlen waren auch nicht berauschend. Wie gesagt, Kino „könnte“, muss aber nicht.

Auch interessante DVD-Neuerscheinungen kann man diese Woche mit der Lupe suchen, man kann sich höchstens Stallones letzte Woche erschienene, höchst amüsante „Expendables“ (Seniorensportgruppe reist in eine Bananenrepublik und macht alles kaputt) nochmal angucken oder zu Hark Bohms vor über dreißig Jahren ins Kino gekommenem „Moritz, lieber Moritz“ greifen, ein schöner, manchmal stiller, manchmal wüster Film darüber, wie schwierig es sein kann, ein Mann zu werden.

Sportlich sind die ersten vier Wochentage ziemlich tote Hose, Australian Open sind durch, Alpine Ski-WM fängt erst nächste Woche an, Champions League hat noch Winterschlaf. Der Fußball-Junkie versucht heute Abend bei Augsburg-Bochum sportliche Glanzlichter zu erspähen (könnte schwer werden) und so dem Cold Turkey vorzubeugen, denn es geht erst am Freitag weiter, dann aber ordentlich mit dem Bundesligaspiel der Woche, dem Revier-Derby Schalke-Dortmund. Sportlich scheint’s eindeutig, Dortmund hat ein Heimspiel und einen Lauf, Schalke hat eine Dauerkrise, das sollte eine klare Sache sein, aber da Magath nicht zwei Derbys in einer Saison verlieren will, könnte der Freund reiner, sinnenfroher Gewalt auf seine Kosten kommen. Kampfspiele sind nicht ohne, vielleicht wird’s ja doch spannend. Den Sonnabend überbrücken wir mit solider Bundesliga-Routine, am Sonntag ist in Hamburg Derby und schließlich – kurz vor Wochenschluss – überträgt die ARD ab 23 Uhr 15 von 3sat das Highlight der Woche: Superbowl. Green Bay Packers gegen Pittsburgh Steelers, in der Halbzeitshow die Black Eyed Peas. Viel Spaß!

Nachtrag: Im Tempodrom in Berlin finden ab Donnerstag die German Masters im Snooker statt, Eurosport überträgt live. Danke an mandarun für den Hinweis!

„Was liegt an“ ist die montäglich erscheinende Wochenvorschau von „Männer unter sich“. Was Männer in den nächsten 7 Tagen interessieren könnte in total subjektiver Auswahl: TV, Sport, Kino, Musik, DVD, Events, was eben anliegt. Haben wir was vergessen? Sollen wir auf was hinweisen? Jederzeit gern, bitte die Kommentare benutzen oder unsere Mailadresse redaktion@maenneruntersich.de .

Foto: Katharina Wieland Müller / pixelio.de

Wo Mann gewesen sein muss: Westfalenstadion, Dortmund

Das Westfalenstadion (Signal-Iduna-Park)

Fußball kannst du nur im Stadion fühlen. Fußball im Fernsehen ist ganz okay, wenn deine Mannschaft spielt, wenn’s live übertragen wird, wenn’s um was geht, wenn du mit ein paar Freunden guckst… ist okay.
Beim Public Viewing ist die Stimmung besser, es gibt Bier vom Fass, da kannst du schon mal das Anstehen wie im Stadion üben, aber seien wir doch mal ehrlich: Sprechchor, um ’ne Videowand anzufeuern, ist doch irgendwie suboptimal, oder?
Nur im Stadion erlebst du das Spiel unmittelbar, und du passt besser genau auf, denn wenn du dich gerade umdrehst, um deinem Hintermann irgendwas zu erzählen, und es passiert was wichtiges auf dem Rasen, dann hast du’s verpasst. Hier gibt’s keine geschmeidig eingespielten Zeitlupen, die dich auf den Stand bringen, deshalb wird vorher gepinkelt, und/oder in der Halbzeit, logisch. Im Stadion ist über die volle Länge Nettospielzeit, und das ist gut so.
Überhaupt kannst du nur im Stadion das Spiel richtig sehen. Wenn du einer dieser Fans bist, die brüllen und die Arme hoch reissen, wenn ein Tor fällt, und ansonsten rumhockst, aufs nächste Tor wartest und „Scheißspiel“ murmelst, ist das für dich nicht wichtig, aber im Stadion siehst du das ganze Spiel. Auch das ohne Ball. Die Philosophie mit der ein Team spielt, das Konzept. Wer die Räume zumacht, wer in die Manndeckung genommen wird, wer den freien Raum sucht und wer ihn findet, wie Spielzüge vorbereitet werden, wie die Momente entstehen, wegen denen man ins Stadion kommt. Okay, das kann man auch am Fernseher sehen, aber im Stadion sieht man’s besser. Ganz ohne Super-Slomo.
Und was du nur im Stadion erlebst: wie es eins wird. Wie aus tausenden Individuen, nüchternen, besoffenen, klugen, doofen, gelangweilten, enthusiastischen, gehemmten, extrovertierten, wasweißdennich, jedenfalls total unterschiedlichen Menschen, plötzlich eine Einheit wird, die Fußball lebt, fiebert, atmet, die gemeinsam spürt, dass gleich etwas geschehen muss, die herbeizuschreien versucht, was sie erleben will, die wegschreit, was nicht sein darf…
Alles in allem: Kerle, die den Fußball von ganzem Herzen lieben, gehören ins Stadion. Nirgendwohin sonst.
Nur: In welches? Wir haben ja ein paar hierzulande.
Die Frage ist einfach zu beantworten: jedes Stadion, in dem der Verein spielt, für den dein Herz schlägt, ist das richtige Stadion. So einfach ist die Welt.
Und doch gibt’s das ein oder andere Stadion, wo man mal gewesen sein möchte, weil…
Weil hier Geschichte geschrieben wurde. Spiele gespielt wurden, über die man nach Jahren oder gar Jahrzehnten noch spricht. Weil es Orte sind, in denen Triumph und Tragik aufeinander trafen und Fußballmythen entstanden.

Flutlicht. Ein Muss.

Ein solches Stadion in Deutschland ist das Westfalenstadion (heißt derzeit wg. Liquiditätsbeschaffung Dingsbums-Park oder so). Das Ding mit der Südtribüne, der „gelben Wand“ gegen die keine Mannschaft dieser Erde gerne anspielt. Man kann gegen die Dortmunder sagen, was man will, aber: Von Fußballstimmung verstehen sie was. Das können sie.
Endgültig zum Mythos wurde das Westfalenstadion 2006. Es begann in der Vorrunde, bei Deutschland-Polen, natürlich in der 91. Minute, als Odonkor die Linie entlang ging und ging und ging und den Ball dann in die Mitte hämmerte, die Flanke seines Lebens schlug, präzise, wie er’s gar nicht konnte, auf Neuville’s Fuß, der den Ball ins Netz donnerte, was für ein Tor, was für ein Augenblick, die Geburtsstunde eines Traums, da dachte jeder, mein Gott, sie können’s schaffen, sie können über sich hinauswachsen, da ist was drin, wir sehen uns im Halbfinale.

Born on the 4th of July: Mythos Dortmund

Und die Geschichte vollendete sich im Halbfinale, wieder in Dortmund, ausgerechnet gegen Italien, wie „Ausgerechnet Schnellinger!“ 26 Jahre vorher in Mexico, und wieder ging es in die Verlängerung, aber diesmal konnte nichts passieren: Mythos Dortmund! Noch nie hatte eine deutsche Nationalmannschaft hier verloren, im Westfalenstadion sind wir unschlagbar, Mythos Dortmund!

119. Minute: Grosso.

Wir sind unschlagbar. Mindestens noch eine Minute, das ist zu schaffen, wir brauchen doch nur ein Tor, der Ausgleich langt fürs Elfmeterschießen, das packen wir, jetzt wird Geschichte geschrieben, Mythos Dortmund!

120. Minute: Del Piero.

Es sind die herzzerreißenden Niederlagen, in denen Fans und Mannschaft wirklich zusammenwachsen. Erst jetzt, mit dem Ende der Unschlagbarkeit, wurde der Mythos Dortmund wirklich geboren.
Was für ein Ort. Wem hier keine Träne ins Auge steigt, der hat nicht gelebt.

Dies ist der zweite Teil einer Serie über Orte in Deutschland, die ein Mann mindestens einmal im Leben besucht haben sollte. Wenn wir genügend Orte vorgestellt haben, planen wir eine Abstimmung über die Top-Ten der deutschen Männer-Locations. Für Vorschläge, welche Orte wir vorstellen sollen, sind wir jederzeit dankbar, ob in den Kommentaren oder per Mail.
Bisher erschienen: Bobbahn Altenberg

Fotos:

Panorama by DerHans04 (Own work) [GFDL or CC-BY-SA-3.0-de], via Wikimedia Commons
Nachts by Chin tin tin (Own work) [GFDL or CC-BY-SA-3.0-2.5-2.0-1.0], via Wikimedia Commons
4. Juli  by Urby2004 (Own work (taken by me)) [GFDL , CC-BY-SA-3.0or CC-BY-SA-2.5 / CC-BY-SA-2.0 / CC-BY-SA-1.0], via Wikimedia Commons

Überleben im Dschungel der Großstadt: Endzeit im Berliner Corinth Bistro

Endlich erreicht: das Ende der Fast-Food-Fahnenstange

Das Corinth Bistro residiert in den Räumen eines ehemaligen sudanesischen Imbisses, der hier in dieser abseitigen Ecke des unvergleichbar trübsinnigen Netto-Discount-Gebäudes sang- und klanglos eingegangen ist.

Mit dem Namen Corinth Bistro nimmt das Lokal wenig pfiffig Bezug auf die Corinthstraße, in welcher es ansässig ist – eine mutige aber wenig erfrischende Namenswahl vor dem Aspekt, dass man derart manifestierte Einfallslosigkeit in Berlin fast an jeder Ecke findet – von Eckkneipen bis zu Currybutzen – und diese Kaschemmen ausnahmslos ganz furchtbar übel beleumundet sind.

Man konzentriert sich hier sehr konservativ auf volksnahe Gerichte wie Döner in Fladenbrot- oder Dürüm-Version, Currywurst, Pommes, Fertigsalate, Schnitzel, mithin also arttypisches Imbiss-Portfolio ohne Überraschungen.

Das Bistro wirkt auf den ersten Blick leicht vereinsamt. Traurige Boulevardblätter vom Vortag wehen unmotiviert auf den nachlässig geputzten Tischen umher, der örtliche Verticker ukrainischer Stahlwolle-Kippen steht am Daddelautomaten und verzockt seine Tageseinnahmen, sonst ist hier nur selten jemand zu sehen, den man im weitesten Sinne als Gast identifizieren könnte.

Es kostet Überwindung, hier einzukehren. Schon rein äußerlich entsteht der Eindruck einer Wartehalle – kahle Wände absolut unpassend in hellem Rosa gestrichen, weiße Zahnarzt-Deckenplatten, Neonlicht. Knastkantinenatmosphäre.

Vielleicht hat man seitens des Inhabers darüber hinaus auch nicht den idealen Standort für einen solchen Imbiss gewählt. Der Netto Discounter zieht in der Regel Publikum an, welches lieber das Schnitzel in flüssiger Form – verkörpert durch das obligatorische Sternburger Pils – gerne direkt und sofort auf dem Vorplatz verzehrt, aber feste Nahrung – zumindest zu den regulären Öffnungszeiten – wohl eher mit Missachtung straft. Und wer sich mehr leisten kann, isst hier nicht.

Dementsprechend ist der Dönergrill oft ausgestellt und wird erst befeuert, wenn sich tatsächlich mal ein Gast hier zum Essen niederlässt. Das hat zur Folge, dass der bereits vor einiger Zeit angekokelte, aber inzwischen erkaltete Dönerspieß von neuem von der Flamme geküsst und das Fleisch – es handelt sich natürlich um simples Hack, keine Schichtung – so mit einer zweiten außergewöhnlich krossen Schicht bedacht wird.

Dieses Fleisch gibt aus Protest über diese Vergewaltigung jegliche Flüssigkeit samt jeglicher rudimentär eventuell irgendwann mal vorhandener Geschmacksansätze komplett ab und fabriziert beim Verzehr einen merkwürdig brackigen Gesamteindruck, der noch über Stunden nachwirkt.
Das Fladenbrot wird in konsequenter Weiterführung der Well-done-Philosophie derart großzügig getoastet, dass es eine leicht harte, schon fast unangenehm ins keksartige gehende Konsistenz herausbildet, in deren Folge größere Nuggets abbrechen und sich auf dem Teller zu moderner Kunst zusammenfinden können.

Die Schichtung des Dönerinhalts ist hingegen originell und konnte so bisher noch nirgendwo festgestellt werden: Es wird jegliche Mischung konsequent vermieden, astreine Apartheid der Zutaten – nur ohne Zaun, eine Schichtung quasi quer zum Fladenbrot, so dass ein Verzehr der einzelnen Inhalte in entgegengesetzt chronologischer Reihenfolge unter fast archäologischen Gesichtspunkten möglich ist – zuerst das als letztes aufgeschichtete Fleisch, dann folgt eine Schicht Gurkenstäbchen, dann Salat und zum Schluss befinden sich nur noch die Zwiebelfossile in der nichtssagenden Industriesoße. Ein Wechselbad der Geschmacksgefühle eingelegt in dicker Kräutersahne.

Die Currywurst mit Pommes ist nicht nur billig, sondern auch nicht gut – eine Eigenschaft, die sie mit dem Schnitzel in absolut perfekter Synchronisation teilt.

Auf ein Wort zum Schnitzel: Die völlige Diskrepanz der Abbildung auf der Werbetafel und seiner tatsächlichen Gestalt kann man je nach Gemütslage als Euphemismus oder Kriegserklärung auffassen. Was sehen wir? Wir sehen auf der Werbetafel ein saftiges Schnitzel, frisch geschnitten aus dem ganzen Stück und nach dem Panieren direkt von der heißen Pfanne goldbraun saftig geküsst.
Auf dem Teller entpuppt sich das traurige Endprodukt als frittiertes billigstes Formfleisch mit Industriepanade – wahrscheinlich direkt ohne Umwege aus dem Tiefkühler des Netto Discounters nebenan -, welches im Rahmen des Frittiervorgangs die Konsistenz eines Briketts annimmt, wobei die Panade zum einen steinhart als auch seltsam schwarz-dunkelorange in der Optik wird und das weiße Fleischbrät im Inneren – es könnte sich sowohl um Schwein als auch um Hähnchen handeln, vielleicht auch um Tofu oder eine Mehlmasse – völlig austrocknet. Es ist keinerlei Eigengeschmack festzustellen außer einem leicht brackigen Fettaroma im Abgang.

Auch die Pommes ergeben ein trauriges Bild. Bar jeden Geschmacks fällt vor allem angesichts der erschreckend niedrigen Qualität – wahrscheinlich kommt auch hier wieder der Tiefkühler des Netto Discounters ins Spiel – die Abwesenheit von Salz negativ ins Gewicht, was das auch hier wieder vorzufindende brackige Fettaroma zu dominant in Szene setzt und noch lange nachwirken lässt.

Die Currywurst besteht aus einer Bratwurst, die aus dem rohen Zustand frittiert und danach mit Ketchup und Currypulver geduscht wird. Das ist zwar technisch ein nicht unüblicher Vorgang, geschmacklich ist das aber einfach nicht gut und es tut schon weh, der Zubereitung zuzuschauen.

Und das Hähnchen … ja, das Hähnchen … was soll ich sagen, es verbringt sehr viel Zeit im Hitzekarussell – vielleicht sogar über Nacht, so dass im Laufe des langwierigen Garvorgangs die hemmungslos überwürzte Haut labberig und das Innere leicht trocken wird. Es ist kein völliger Totalausfall wie das Schnitzel, aber gut ist das auch nicht.

Nicht gut.

Diese beiden Worte ziehen eine Schneise durchs Corinth Bistro.

Endzeit, Freunde, dort riecht es nicht nach Aufbruch, es stinkt nach Untergang.

In der Serie “Überleben im Dschungel der Großstadt” begibt sich mike-o-rama für uns in die Wildnis Berlins und testet ohne Rücksicht auf die eigene Gesundheit Imbiss-Buden, Fast-Food-Restaurants, Supermärkte und Orte, die nie ein zurechnungsfähiger Mensch gesehen hat. Seine Berichte erscheinen auch auf dem Bewertungsportal qype.de.

Foto: wrw / pixelio.de