Überleben im Dschungel der Großstadt: Freakshow oder eine Fahrt mit der U2

It's a jungle out there...

Sonntag 10.30 Uhr

Schönhauser Allee – ein Blick in den U-Bahn-Wagen, aha, rechts sitzt schon die sechsköpfige italienische Hostelmeute, gerade dem keimigen 15-Euro-Gemeinschaftsraum entronnen und ungeduscht schon die erste Bierpulle am endlos gackernden Hals, linker Seite die beiden Touristinnen aus New York, die sich in der irrigen Annahme, niemand würde sie hier verstehen, über diese fürchterlichen Deutschen auslassen („These german women look sooouuuu ugly masculine, I wonder how they can make so many babies here“), daneben die rosa Prollette, die mit ihren von dicken bunten Plastikfingernägeln verunstalteten Fettfingern ihren Kampfhund ohne Maulkorb festhält und von der ich jetzt schon weiß, dass sie am Alexanderplatz in die U5 Richtung Hönow umsteigen wird.
Hinten am Ende der Bank sitzt ein Exponat fehlgeschlagener Integration, präsentiert stolz sein neues Bushido-„Isch fick eusch alle dein Mudder sein Kopf“-mp3 auf seinem Handy und produziert geistesabwesend einen immer größer werdenden Spuckesee auf dem Boden, der langsam aber stetig in die italienische Hostel-Ecke schwappt, was diese aber kraft ihrer eitlen Schaustellerpose nicht bemerken. Zuletzt sitzt in der hinteren Ecke am Boden ein Bärtiger in seinem eigenen Erbrochenen, die Hose durchnässt von einer Flüssigkeit, von der zu hoffen ist, dass es nur Bier ist – die Brocken an seinem Bart erinnern vage an zu lange gedünstete Kartoffeln.

Hereinspaziert – eine neue Runde, eine neue Wahnsinnsfahrt.

Eberswalder Straße – Mit einem „Ouuuuuuuh look at that, the horrible Kastanienallee, lets get outta there and see if we can get some one of this german Döner rubbish here” verlassen die Amerikanerinnen die Bahn. Es treten ein: Die seit Jahrzehnten von ihrem sozialen Umfeld gelangweilten Hipster mit Hauptstadtrocker-Shirt, die den Schuss nicht gehört haben und den Aufenthalt in diesem nur noch geographischen Zentrum von Prenzlauer Berg immer noch für cool halten, frisch herausgeschlurft aus dem Dr. Pong wo sie – weil sie viel zu cool zum Tischtennisspielen sind – die ganze Nacht mit der Bierpulle in der Ecke gestanden sind und mit einer hochgezogenen Augenbraue die Tischtennisspieler aus der westdeutschen Provinz beobachten haben. Jetzt in der Bahn geht es natürlich auch nicht ohne Bierpulle, es muss nämlich der Eindruck herrschen, dieser kleine Körper in seiner viel zu großen Jeans beherberge einen unkonventionellen und potenziell rebellischen Geist, der auf jeden Fall wichtig ist. Der dahinter eingetretene hirntote Typ mit Blaumann, Dirk-Niebel-Gedächtnismütze und Hornissen-Sonnenbrille, dem weiße Spuckeflocken am Mundwinkel antrocknen, begleitet ab sofort die Szenerie musikalisch mit der neuesten Rammstein-Scheibe aus dem iPod, den er so weit aufgedreht hat, dass mindestens die letzten drei übriggebliebenen Haarzellen in seinem Innenohr aber auf jeden Fall jeder hier im Waggon nun weiß, dass Til Lindemann gerade jemandem wehtut, was ihm nicht leidtut.

Senefelder Platz – Das Exponat fehlgeschlagener Integration merkt, dass es hier nicht nach Wedding geht und springt im Hechtsprung aus dem Waggon, nicht ohne panisch in seinen Spuckesee zu treten und einen Faden in Richtung Ausgang zu ziehen, Bushido fade out. Angerempelt hat er in seiner Hektik die einsteigende merkbefreite Brillenschlange mit schlechter Haut, die sich auf dem Weg zum Proseminar „Frauenforschung“ laut via Handy mit ihrer mindestens genauso hässlichen Kommilitonin über die Notwendigkeit einer Frauenquote bei Müllabfuhr, Kanalbau und beim Kommando-Spezialkräfte der Bundeswehr unterhält und dabei mit ihren vergammelten braunen Birkenstocklatschen in den Spuckesee tritt, dicht gefolgt vom ersten kulinarischen Beitrag der heutigen Fahrt in Form der stark verlebten Gelegenheitskünstlerin Irene aus Stuttgart-Zuffenhausen, die seit Jahren mit ihrer Selbstfindungsgalerie in der Kollwitzstraße dilettiert, heute mit frischem Döner von der billigen Stinkebude in der Hand – extra Zwiebeln, extra Knoblauch, extra ugly -, der innerhalb von Sekunden alle umliegenden Riechkolben für die nächsten Stunden kontaminiert. Ein abgerissener Typ mit abgerissenem Hund und nagelneuen Springerstiefeln erzählt derweil mit seiner Bratwurst mit Senf in der Hand, dass das Jobcenter ihm kein Geld geben will und er deshalb leider auf die Fahrgäste der U-Bahn zurückgreifen muss. Der Senf kleckert auf den Boden neben den Spuckesee. Die gelangweilten Hipster starren gelangweilt aus dem zerkratzten Fenster, wo außer Schwärze nichts zu sehen ist.

Rosa-Luxemburg-Platz – Bitte mehr kulinarische Beiträge zur heutigen U-Bahn-Fahrt, es riecht noch zu gut, denke ich, und – tatsächlich – es soll so sein: Auftritt der Freunde der örtlichen Trinkergenossenschaft rund um den letzten Späti hier, schwankend, die Tür erst anrempelnd dann anpöbelnd, schon wieder oder immer noch mit Pilsette am Hals, einer von denen mit Chinanudeln einer anderen Stinkebude in der Hand, von seiner Gabel fallen immer wieder fettbraune Nudelstücke auf den Spuckesee und lassen wabbelige braune Inselchen entstehen, hart am Limit die Jungs, wie jeden Tag, rotgesichtig, pockennarbig und bereits vor Betreten des Wagens so lautstark rülpsend und furzend, dass die Brillenschlange unsere kleine Fahrgemeinschaft urplötzlich panikartig verlässt und den Wagen wechselt. Missmutig schleicht ein blasses Techno-Opfer in der Rekonvaleszenzphase seines nächtlichen Drogentrips in den Wagen, die Kopfhörer auf jeder Seite größer als sein Kopf. Rammstein wird nun von Daft Punk begleitet.

Alexanderplatz – Die italienische Hostelmeute vermutet irrigerweise, dass es an diesem Ort etwas Nennenswertes zu sehen gibt und verlässt uns, drei Bierpullen nebst Biersee auf den schmierigen Sitzen hinterlassend, von diesen Pullen rollt eine in den Spuckesee und reichert diesen geschmacklich mit einem nicht ganz ausgetrunkenen Rest an und walzt den Spuckesee gleichzeitig ordentlich breit. Die rosa Prolette wackelt erwartungsgemäß hinter der Hostelmeute her, der Kampfhund kläfft nochmal in die Runde und fletscht seine fauligen Zähne. Dafür stoßen die immer noch besoffenen Punks aus ihrer Kommandozentrale am oberirdisch gelegenen Brunnen der Freundschaft mit ihren fünf stinkenden Hunden nun auf die Trinkergenossenschaft vom Rosa-Luxenburg-Platz. Sie mögen sich nicht, was in einem lautstarken leicht agressionsgeschwängerten Disput (Nazi! Zecke! Fascho! Penner!) zum Ausdruck kommt. Für gesteigerte musikalische Begleitung sorgt derweil eine rumänische Kombo mit Trompete und Ziehharmonika.

Klosterstraße – Niemand gibt Geld für Trompete und Ziehharmonika, die Rumänen beschimpfen daraufhin die Fahrgäste und werden von der sich provoziert fühlenden Trinkergenossenschaft, die sich von hier offenbar zum Abhängen am Spreeufer Richtung Jannowitzbrücke durchschlagen will, mit Fausthieben nach draußen komplimentiert. Einer der Punks bietet derweil eine zerrissene Obdachlosenzeitung feil und nötigt das verpeilte Techno-Opfer zu einem Kauf zum Solidaritätspreis von 5 Euro, ein mausgrauer Bürokrat von der angrenzenden Senatsverwaltung versucht die sich schließenden Türen wieder öffnen, er versagt und muss auf dem Bahnsteig bleiben. Der Spuckesee trocknet an den Rändern leicht an. Einer der Punks zündet sich seine wohlverdiente Kippe an. Ein wenig Spannung weicht aus der Luft.

Märkisches Museum – Noch mehr kulinarische Genüsse in der Bahn, einmal um die ganze Welt und zurück, nun Currywurst mit Pommes und ein Kaffee Togo, korrespondierend zu einer Dusche Laura Biagotti, all dies getragen von einer mittelmäßig attraktiven Blondine mit depressiv herunterhängenden Mundwinkeln, die noch bevor sie sitzt von einem der Punks gefragt wird, ob sie heute Abend schon was vor hat. Fauliger Bieratem mit unterschwelligem Kippenaroma gepaart mit einer akuten Grammatikschwäche scheinen die weibliche Zielperson in ihrer Gesamtkomposition abzuschrecken, der Kaffee kippt um und gesellt sich zu Bier und Spucke, die Blondine springt aus dem Wagen, der Rammstein-Hirntote im Blaumann isst die liegengebliebene Currywurst auf, die schwäbische Dönerkünstlerin hat bereits aufgegessen und stopft das Dönerpapier mit den Gemüseresten nun in die Ritze der Sitzbank, wobei dieses aufplatzt und das Gemüse freigibt.

Spittelmarkt – Inzwischen herrscht ein Dampf wie in einer ukrainischen Wandersauna, Schwaden von Döner, Currywurst, Kippenqualm, stinkenden Hunden und Chinanudeln durchwehen die Luft, einer der gelangweilten Hipster fasst sich ein Herz und macht ein Fenster auf, eine Oma tritt ein und macht es wieder zu. Der Hirntote im Blaumann steigt hier aus, lässt aber vorher noch die Currywurstpappe mit der Ketchupseite nach unten auf den braun-grauen Spuckebierkaffeesee fallen, der inzwischen aufgrund der Fahrbewegungen leichte Blasen schlägt und dessen Ausmaße fast die gesamte Breite des Durchgangs in Beschlag genommen haben, eine der Bierpullen ist zwischenzeitlich in einer Rechtskurve an der Wagenwand zerschellt und hat ihre Scherben mit der Hilfe von Schuhprofilen im Raum verteilt. Der Hirntote erbricht die Currywurst draußen am Bahnsteig auf eine Sitzbank.

Plötzlich betritt ein BVG-Mitarbeiter in Uniform den Wagen und die Zeit scheint kurz den Atem anzuhalten.

Tick.

Tack.

Schweigen.

Der Uniformierte schaut nach rechts, schaut nach links und

steigt ein paar Stationen weiter wieder aus.

Foto: Claudia Hautumm / pixelio.de

In der Serie “Überleben im Dschungel der Großstadt” begibt sich mike-o-rama für uns in die Wildnis Berlins und testet ohne Rücksicht auf die eigene Gesundheit Imbiss-Buden, Fast-Food-Restaurants, Supermärkte und Orte, die nie ein zurechnungsfähiger Mensch gesehen hat. Seine Berichte erscheinen auch auf dem Bewertungsportal qype.de.

Überleben im Dschungel der Großstadt: Burgermeisters Wortspielhölle

Nicht vergessen: Am Montag ist Valentinstag!

Willkommen zurück in der Wortspielhölle, heute: Der „Burgermeister“, haha, ein Laden für Burger und seines Zeichens Brüderchen von Wortspielapologeten wie Kreuzburger, Burgersteig und Burgeramt.

Hahaha, wirklich köstlich, ich finde, dass die Wortspiele für Burgerläden noch lange nicht ausgereizt sind, mir fehlen vor allem noch:

– der „Quedlinburger“ in Berlin-Marzahn, der vor dem Hintergrund einer Reichskriegsflagge vorwiegend kahlköpfigen Hirnkrüppeln einen kalkweißen Burger in Hakenkreuzform anbietet, zu dem aus einem blutigen Baseballschläger Zahnstocher herausgebrochen werden können,

– der „Burgerentscheid“, der sich in grün-wählenden Wohlstandsinseln wie dem Chamissoplatz in Kreuzberg an das dick und rund gewordene gehobene Bürgertum richtet, welches den Wunsch nach Teilhabe an der Politik durch den Verzehr eines Neulandfleischburgers mit Bioland-Rauke und Kressehütchen zum Ausdruck bringen möchte,

– der „Otto Normalburger“ in Lankwitz, wo sich Laubenpieper Oppa Kowalke und Tante Elsbeth ihren darmlosen Currywurstburger mit Kindl-Molle holen können, von dem auch Dackel Oswald was abbekommt

– und nicht zu vergessen der „Spießburger“ in Prenzlauer Berg auf Höhe Kollwitzplatz, der den Kehrwochen-, Babybuggy- und Maultaschen-Burger im Angebot hat.

Nein, Schluss mit dem Klamauk, ich finde es ja gut, dass die Monopole von Burger King und Micky D. durch junge, innovative Langzeitstudenten und kreativ erfolglose Mediendesigner aufgebrochen werden und ein bisschen frischer Wind in die behördengleich festverkrustete Burgerlandschaft kommt, aber nach der mittlerweile abebbenden Suppenladeneuphorie scheint nun wirklich jede Hausfrau, jeder seit Jahren am Vorwort seiner Diplomarbeit feilende Bummelstudent und jeder arbeitslose Bierkutscher einen Burgerladen aufzumachen – die Dinger florieren an allen Ecken und Enden von Berlin, boomen wie blöd und greifen ernsthaft die bisher ungeschlagene Restauration zu den zwei goldenen Bögen an – diese bisher uneinnehmbare Bastion im Fastfood-Sektor amerikanischer Ausrichtung, die gerade enorm schwächelt und sich erfolglos als Kaffeehaus neu erfinden möchte.

Der Burgermeister macht das was alle Burgerläden machen: Er bietet den Ham- und Cheeseburger sowie einige Eigenkreationen mit bemüht witzigen Namensversatzstücken an, dazu Pommes oder Wedges und überraschenderweise eine Berliner Currywurst.

Der Cheeseburger enttäuscht ein wenig. So hat man nur versucht, den Bun leicht anzutoasten, was nur partiell gelang, im Inneren verbleibt die kalte schwammartige Konsistenz eines unbehandelten Toastbrots, das sich schnell vollsaugt und Wehrkraftzersetzung betreibt. Das Fleisch ist vergleichweise dünn und geht geschmacklich im Rest der Zutaten – banaler Eisbergsalat mit einer Tomatenscheibe und einer Käsescheiblette, dafür Unmengen Soße – schlicht unter. Dafür zerfällt das Gesamtwerk nach etwa der Hälfte des Verzehrs komplett in seine Bestandteile und verteilt sich im Raum.

Exakt gleiches widerfährt dem „Monstaburger“, der in seiner auf männlich gepimpten Inhaltszusammenstellung das Potenzial hat, einen kapitalen Grizzly bereits nach einigen Wiederholungsmahlzeiten mittels Herzstillstand ins Nirwana befördern zu können: Fleisch, Speck, fettige Zwiebeln, dicke gezuckerte Barbecue-Soße – Glück auf, Rentenkasse, das Ding spart euch einen Haufen Geld.

Das viele Salz ist solide, aber zusammen mit den Pommes als Beigabe nur bedingt für Menschen geeignet, in deren Aterien sich schon Salz und Fett der letzten 20 Jahre Fastfood abgelagert haben und die deswegen mit hochrotem Kopf permanent fast platzend an der Klippe zum finalen Herzkasper stehen. Das ganze Ensemble ist wirklich sehr salzig und auch für schmerzfreie Salzliebhaber eine echte Herausforderung.

Wer allerdings Lust auf einen vorgezogenen Herztod verspürt, dem seien die Chili-Cheese-Fries zum täglichen Verzehr ans Herz (haha) gelegt. Spätestens nach einer Woche war´s das dann mit dem Auftritt auf dieser Welt und gesellschaftlich ist diese Art des Abgangs noch nicht einmal als Selbstmord verpönt, was bedeutet, dass die Lebensversicherung zahlt. Ist doch was.
Chili-Cheese-Friees also – die Pommes werden hierzu belegt mit well done Hackepeter, den schon vom „Monstaburger“ bekannten fettigen Zwiebeln, Jalapenos, die leider den einzig scharfen Aspekt einbringen und der aus dem Kino bekannten warmen Käsesoße, was eine unglaublich mächtige, aber irgendwie gelungene Kombination darstellt. Aus Lebenserhaltungsgründen würde ich davon abraten, dies jede Woche zu essen.

Die Currywurst verzückt auf ganzer Linie, denn sie ist überraschend gut. Ich meine, wir sprechen hier von einem Laden, der sich Burgermeister und nicht Currymeister nennt, was dieser aber angesichts der wirklich guten Currywurst durchaus könnte, vor allem wenn ich mir die eher schwachen Burger anschaue. Respekt, sehr fein, die darmlose angenehm temperierte Currywurst hat eine leicht knackige Haut ohne ins Lederartige zu gehen, ist mit der richtigen Menge Ketchup drapiert, nur der Curry wird für meinen Geschmack eine Nuance zu sparsam eingesetzt, aber gut. Ich habe die Currywurst mit dem Vorsatz bestellt, sie zu verreißen. Das geht nun nicht.

Nur das knäckebrotartig vergetoastete Brötchen zur Currywurst empfehle ich lieber an Enten oder Vögel zu verfüttern, es ist nur bedingt schmackhaft, viel zu kross und verteilt sich wie die Burger im Raum.

Das Personal hingegen sieht aus, als sei es nach einer durchzechten Nacht direkt aus dem Club hinter die Theke des Burgermeisters gefallen, gibt sich etwas zu bemüht lässig, ist aber überraschend schnell und nicht so eiskalt unfreundlich, wie man das von gewollt coolen Hipstern, die mit Erich-Honecker-Brille, Antifapullover und Dirk-Niebel-Gedächtnismütze hinterm Tresen stehen, erwarten würde. Schön.

Die gewählte Ladenfläche in einem ehemaligen Cafe Achteck (für Nichtberliner: ehemaliges öffentliches Pisshäuschen aus Metall) ist hingegen sehr originell und vermag meine grenzenlose Begeisterung zu wecken. Das ist wirklich mal eine witzige Idee und eine schöne Innovation für Menschen mit schrägem Humor.

Was bleibt? Es geht besser, das haben andere der gefühlten zwanzigtausend Burgerläden in Berlin schon bewiesen, andererseits aber rockt die unschlagbare Lage, der Gag, in einem Cafe Achteck zu speisen und die überraschend gute Curry.

In der Serie “Überleben im Dschungel der Großstadt” begibt sich mike-o-rama für uns in die Wildnis Berlins und testet ohne Rücksicht auf die eigene Gesundheit Imbiss-Buden, Fast-Food-Restaurants, Supermärkte und Orte, die nie ein zurechnungsfähiger Mensch gesehen hat. Seine Berichte erscheinen auch auf dem Bewertungsportal qype.de.

Bild: AARGON / pixelio.de

Das orangene Männlein

Das orangene Männlein„Kann ich Ihnen helfen?“

„Wäh? Hallo? Geht’s noch? Sie haben mich erschrocken! Wir sind hier in einem Baumarkt, Sie können mich doch nicht einfach ansprechen und mich fragen ob Sie mir helfen können, das ist absolut unüblich und überhaupt völlig pietätlos, wer hat Sie denn ausgebildet? Mensch, Sie müssen doch vor jedem potenziell fragenden Kunden wegrennen und sich verstecken – irgendwo zwischen engen Regalen, am besten in der Werkzeugecke, da ist normalerweise keiner, weil keiner mehr irgendwas alleine reparieren kann, außer Handwerker – und die fragen Sie nicht, weil die um Welten mehr Ahnung haben als Sie, sonst wären Sie ja der Handwerker und die da die Baumarktmitarbeiter, nein, in der Werkzeugecke sind Sie absolut sicher.

Und wenn Sie dann auf dem Weg zur Toilette oder in die Raucherecke doch mal jemand erwischt, der Sie was fragen will, dann müssen Sie ganz doll beschäftigt und wichtig tun, am besten haben Sie dazu immer ein paar Phantomakten in der Hand, irgendwelche abgelaufenen Bestellzettel, irgendeinen Holzkatalog oder meinetwegen Ihren Lottoschein oder Einkaufszettel, egal, Hauptsache Sie konzentrieren sich ganz auf das was Sie in der Hand haben so dass Sie diesem Schlumpf, der da was wissen will, das erniedrigende Gefühl geben, dass er eine wichtige Amtshandlung stört. Oder rennen Sie einfach weiter und lassen den Schlumpf hinter sich her rennen und seine Fragen hinter Ihnen her hecheln während Sie die Zahlen Ihres Zettels mit denen auf den Regalen vergleichen – er darf auf keinen Fall das Gefühl bekommen, dass er wichtiger ist als das was Sie gerade vortäuschen zu tun.

Nee, bah, nicht mal ein halbes Ohr würde ich so einem Schmock leihen geschweige denn irgendwie auf seinen Mist antworten – lieber immer wegschicken, irgendwohin in die Sanitärabteilung oder ins Gartencenter, wo eh nie einer ist, aber egal, einfach behaupten, dass da einer ist, der sich garantiert damit auskennt und dann schnell wieder ab in die Werkzeugecke oder überhaupt irgendwohin, wo man nicht gesehen wird von diesen Clowns, die immer so viel sinnlosen Blödsinn wissen wollen und den Hals nie voll genug kriegen.

Und wenn Sie irgendwann dann doch mal nicht mehr ausweichen können weil alle Fluchtwege schon mit anderen potenziell fragenden Bittstellern blockiert sind, dann stöhnen Sie ganz laut und möglichst resigniert auf und erklären dem erstbesten Clown, dass sein Begehr – egal was es ist – völlig unüblich ist und das was er will, kaum noch so irgendwo verwendet wird, höchstens irgendwo in den Karpaten, Aserbaidschan oder Nordkorea – egal, jedenfalls gibt es sowas hier nicht und kommt auch nicht mehr rein.

Und hat er irgendwas in der Hand und will es erklärt haben, dann lesen Sie maximal die Packungsaufschrift laut vor, dann kommt er sich blöd vor weil jeder denkt, dass er nicht lesen kann. Und dann zeigen Sie unvermittelt auf irgendein Regal, murmeln etwas Unverständliches, drücken ihm seine Packung wieder in die Hand, nutzen seine Verwirrung und rennen weg – in die Werkzeugecke. So geht das. Das ist Guerillataktik, wir sind hier im Krieg. Kapischi?“

„Huch, lassen Sie mich raten: Sie arbeiten bei Obi. “

„Das hat dir der Teufel gesagt, das hat dir der Teufel gesagt“ schrie das orangene Männlein, und stieß mit dem rechten Fuß vor Zorn so tief in die Erde dass es bis an den Leib hineinfuhr, dann packte es in seiner Wut den linken Fuß mit beiden Händen, und riss sich selbst mitten entzwei.

Foto: Stephanie Hofschlaeger / pixelio.de

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Überleben im Dschungel der Großstadt: Endzeit im Berliner Corinth Bistro

Endlich erreicht: das Ende der Fast-Food-Fahnenstange

Das Corinth Bistro residiert in den Räumen eines ehemaligen sudanesischen Imbisses, der hier in dieser abseitigen Ecke des unvergleichbar trübsinnigen Netto-Discount-Gebäudes sang- und klanglos eingegangen ist.

Mit dem Namen Corinth Bistro nimmt das Lokal wenig pfiffig Bezug auf die Corinthstraße, in welcher es ansässig ist – eine mutige aber wenig erfrischende Namenswahl vor dem Aspekt, dass man derart manifestierte Einfallslosigkeit in Berlin fast an jeder Ecke findet – von Eckkneipen bis zu Currybutzen – und diese Kaschemmen ausnahmslos ganz furchtbar übel beleumundet sind.

Man konzentriert sich hier sehr konservativ auf volksnahe Gerichte wie Döner in Fladenbrot- oder Dürüm-Version, Currywurst, Pommes, Fertigsalate, Schnitzel, mithin also arttypisches Imbiss-Portfolio ohne Überraschungen.

Das Bistro wirkt auf den ersten Blick leicht vereinsamt. Traurige Boulevardblätter vom Vortag wehen unmotiviert auf den nachlässig geputzten Tischen umher, der örtliche Verticker ukrainischer Stahlwolle-Kippen steht am Daddelautomaten und verzockt seine Tageseinnahmen, sonst ist hier nur selten jemand zu sehen, den man im weitesten Sinne als Gast identifizieren könnte.

Es kostet Überwindung, hier einzukehren. Schon rein äußerlich entsteht der Eindruck einer Wartehalle – kahle Wände absolut unpassend in hellem Rosa gestrichen, weiße Zahnarzt-Deckenplatten, Neonlicht. Knastkantinenatmosphäre.

Vielleicht hat man seitens des Inhabers darüber hinaus auch nicht den idealen Standort für einen solchen Imbiss gewählt. Der Netto Discounter zieht in der Regel Publikum an, welches lieber das Schnitzel in flüssiger Form – verkörpert durch das obligatorische Sternburger Pils – gerne direkt und sofort auf dem Vorplatz verzehrt, aber feste Nahrung – zumindest zu den regulären Öffnungszeiten – wohl eher mit Missachtung straft. Und wer sich mehr leisten kann, isst hier nicht.

Dementsprechend ist der Dönergrill oft ausgestellt und wird erst befeuert, wenn sich tatsächlich mal ein Gast hier zum Essen niederlässt. Das hat zur Folge, dass der bereits vor einiger Zeit angekokelte, aber inzwischen erkaltete Dönerspieß von neuem von der Flamme geküsst und das Fleisch – es handelt sich natürlich um simples Hack, keine Schichtung – so mit einer zweiten außergewöhnlich krossen Schicht bedacht wird.

Dieses Fleisch gibt aus Protest über diese Vergewaltigung jegliche Flüssigkeit samt jeglicher rudimentär eventuell irgendwann mal vorhandener Geschmacksansätze komplett ab und fabriziert beim Verzehr einen merkwürdig brackigen Gesamteindruck, der noch über Stunden nachwirkt.
Das Fladenbrot wird in konsequenter Weiterführung der Well-done-Philosophie derart großzügig getoastet, dass es eine leicht harte, schon fast unangenehm ins keksartige gehende Konsistenz herausbildet, in deren Folge größere Nuggets abbrechen und sich auf dem Teller zu moderner Kunst zusammenfinden können.

Die Schichtung des Dönerinhalts ist hingegen originell und konnte so bisher noch nirgendwo festgestellt werden: Es wird jegliche Mischung konsequent vermieden, astreine Apartheid der Zutaten – nur ohne Zaun, eine Schichtung quasi quer zum Fladenbrot, so dass ein Verzehr der einzelnen Inhalte in entgegengesetzt chronologischer Reihenfolge unter fast archäologischen Gesichtspunkten möglich ist – zuerst das als letztes aufgeschichtete Fleisch, dann folgt eine Schicht Gurkenstäbchen, dann Salat und zum Schluss befinden sich nur noch die Zwiebelfossile in der nichtssagenden Industriesoße. Ein Wechselbad der Geschmacksgefühle eingelegt in dicker Kräutersahne.

Die Currywurst mit Pommes ist nicht nur billig, sondern auch nicht gut – eine Eigenschaft, die sie mit dem Schnitzel in absolut perfekter Synchronisation teilt.

Auf ein Wort zum Schnitzel: Die völlige Diskrepanz der Abbildung auf der Werbetafel und seiner tatsächlichen Gestalt kann man je nach Gemütslage als Euphemismus oder Kriegserklärung auffassen. Was sehen wir? Wir sehen auf der Werbetafel ein saftiges Schnitzel, frisch geschnitten aus dem ganzen Stück und nach dem Panieren direkt von der heißen Pfanne goldbraun saftig geküsst.
Auf dem Teller entpuppt sich das traurige Endprodukt als frittiertes billigstes Formfleisch mit Industriepanade – wahrscheinlich direkt ohne Umwege aus dem Tiefkühler des Netto Discounters nebenan -, welches im Rahmen des Frittiervorgangs die Konsistenz eines Briketts annimmt, wobei die Panade zum einen steinhart als auch seltsam schwarz-dunkelorange in der Optik wird und das weiße Fleischbrät im Inneren – es könnte sich sowohl um Schwein als auch um Hähnchen handeln, vielleicht auch um Tofu oder eine Mehlmasse – völlig austrocknet. Es ist keinerlei Eigengeschmack festzustellen außer einem leicht brackigen Fettaroma im Abgang.

Auch die Pommes ergeben ein trauriges Bild. Bar jeden Geschmacks fällt vor allem angesichts der erschreckend niedrigen Qualität – wahrscheinlich kommt auch hier wieder der Tiefkühler des Netto Discounters ins Spiel – die Abwesenheit von Salz negativ ins Gewicht, was das auch hier wieder vorzufindende brackige Fettaroma zu dominant in Szene setzt und noch lange nachwirken lässt.

Die Currywurst besteht aus einer Bratwurst, die aus dem rohen Zustand frittiert und danach mit Ketchup und Currypulver geduscht wird. Das ist zwar technisch ein nicht unüblicher Vorgang, geschmacklich ist das aber einfach nicht gut und es tut schon weh, der Zubereitung zuzuschauen.

Und das Hähnchen … ja, das Hähnchen … was soll ich sagen, es verbringt sehr viel Zeit im Hitzekarussell – vielleicht sogar über Nacht, so dass im Laufe des langwierigen Garvorgangs die hemmungslos überwürzte Haut labberig und das Innere leicht trocken wird. Es ist kein völliger Totalausfall wie das Schnitzel, aber gut ist das auch nicht.

Nicht gut.

Diese beiden Worte ziehen eine Schneise durchs Corinth Bistro.

Endzeit, Freunde, dort riecht es nicht nach Aufbruch, es stinkt nach Untergang.

In der Serie “Überleben im Dschungel der Großstadt” begibt sich mike-o-rama für uns in die Wildnis Berlins und testet ohne Rücksicht auf die eigene Gesundheit Imbiss-Buden, Fast-Food-Restaurants, Supermärkte und Orte, die nie ein zurechnungsfähiger Mensch gesehen hat. Seine Berichte erscheinen auch auf dem Bewertungsportal qype.de.

Foto: wrw / pixelio.de

Überleben im Dschungel der Großstadt: Asia-Wok-Armageddon

Typische Reaktion auf die Nr. 23 ( Gebratene Nudeln mit Tofu)

Als ersten Eindruck des Asia-Imbisses am S-Bahnhof Treptower Park erfasst den geneigten Gast schon vor dem etwas abweisenden Eingang eine schwer greifbare Dunstwolke – einerseits erdrückend schwer und fettlastig, andererseits so filigran, dass sie sich schon vor Betreten des Lokals unlösbar an Jacke, Hose und sogar Schuhen festsetzt und mit Gewebe, Leder, Haut sowie Haaren eine nur noch mit einer Terpentindusche auflösbare Legierung bildet.

Optisch gleicht das Gebilde einem Geräteschuppen, der entweder noch aus Zeiten der Einwanderung der Hugenotten stammt oder als Kriegbeute beim Einmarsch der Wehrmacht aus einer ukrainischen Datschenkolonie geraubt wurde. Die Inneneinrichtung hingegen braucht den Vergleich mit der Suppenküche der Polytechnischen Oberschule Lichtenberg 1959 nicht zu scheuen. Wahrscheinlich ist es auch genau diese.

Ein Vergleich der Gesamterscheinung mit Star Burger – dem ungekrönten Kaiser der Verwitterung in Weißensee – drängt sich hier geradezu zwingend auf. Ermittlungen, wonach es hierbei um dieselben Betreiber handelt verliefen aufgrund unüberbrückbarer Sprachbarrieren im Sand.

In Sachen Sauberkeit fällt sehr schnell auf, dass man das Entfernen von Fettrückständen auf der Abzugshaube und in diversen, bereits schwarz eingefärbten Ecken für völlig überbewertet hält und so ergibt sich ein deutlich schmuddeliges Gesamtbild mit leichten Ausflügen ins Siffige in Form von einer fast unmerklich über sämtlichem Mobiliar hauchdünn gelegten Fettschicht und dezent staubigen Nuancen auf den Ablageflächen. Eine leichtes Schütteln gepaart mit der Angst, etwas anzufassen begleitet den Gast während des ganzen Besuches. Für durchschnittlich 2,50 – 5,00 € für die Mahlzeiten kommt das Vergnügen hier billiger als Geisterbahn auf der Kirmes oder Saw VIII im Kino. Gruselfaktor 10 für schmales Geld.

Kulinarisch hat man es geschafft, den ohnehin niedrigen qualitätsmäßigen Standard aller fiesen Glutamathöllen Berlins noch zu unterbieten. Die bemitleidenswerte mausgraue Masse aus Fett, Glutamat, Dosensprossen und Industriehähnchen bildet schon direkt hinter dem Gaumen einen trockenen, aber dennoch zähen Klumpen, so dass ich mir gerne eine Klempnerspirale in den Hals gedreht hätte, wäre eine solche zur Hand gewesen.

Das Publikum besteht den Preisen angemessen aus der sonst vor dem S-Bahnhof ziel- und planlos herumlungernden Trinkergenossenschaft, deren ehrenwerte Mitglieder auch hier ihr mittägliches Sternburg käuflich erwerben können, wobei sie sich in ihrer Sprachkompetenz auf dem Niveau der Gastgeber bewegen, welches sinnvolle Verständigung als eher nachrangig einzustufen scheint. Eine wenig kaufmännisches Flair blitzt im Laden nur dann auf, wenn sich einer der im Umkreis des Treptower Parks tätigen Drogendealer hier sein wohlverdientes Mittagessen gönnt.

Die Frage nach dem hoffnungslosestem Ort der Hauptstadt scheint bis auf weiteres beantwortet.

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Foto: Günter Havlena / pixelio.de

Überleben im Dschungel der Großstadt: Bei Pimkie auf dem Sofa

schmelzende Uhren

Bei Pimkie zieht sich's hin

Pimkie hat ein Sofa.

Dieses Sofa ist für Männer, erschöpft und ausgezehrt von einer Odysee durch Promod, Xanaka, New Yorker und S.Oliver. Männer, die dort aber nur sitzen und stoisch starren, weil sie natürlich alle die Playstation Portable vergessen haben. Ein langes Warten – unterbrochen nur von gelegentlichen Diensten als lebender Kleiderbügel – hin und her geschickt zwischen Umkleidekabine und den Oberteilen zunächst in Größe 34, dann 36, 38, später 60.

Da sitzt Oliver, der den Nachmittag mit den Kumpels in der Hertha-Kneipe absagen musste, da der als romantisch verklärte Einkaufsbummel mit gemeinsamen Eisessen statt einer nun schon glatte fünf Stunden dauert – ohne Ansatz von Eis – und der vor lauter Langeweile die Zierlöcher in der Deckenverkleidung zählt – es sind 4856.

Neben ihm lümmelt Thorsten, der mit einem Besuch in der Daddelecke von Medimax geködert wurde und der nun langsam beginnt zu realisieren, dass daraus heute nichts mehr werden wird, weil er hier erst rauskommt wenn um 19:40 Uhr Gute Zeiten – Schlechte Zeiten anfängt. Thorsten zählt seit acht Stunden die attraktiven Kundinnen bei Pimkie – er ist noch deutlich einstellig.

Und hier sitzt Andreas, an dessen ritterliche Ehre appelliert wurde – sollte er doch auf dem weißen Schimmel den Jahresvorrat Always Ultra Long Plus von Rossmann nach Hause reiten – und der sich stattdessen seit sechs Stunden auf dem Sofa bei Pimkie wiederfindet – mit der Jahrespackung Always Ultra Long Plus in der Hand und einem iPhone, dem vor vier Stunden nach zwei Spielstunden Winter Games der Akku leer lief.

Paul hingegen versucht immer noch verzweifelt, sein zappeliges ADS-Kind zu beruhigen, seine Partnerin hat er seit Tagen nicht mehr gesehen, sie verschwand irgendwann zwischen Spaghettiträgern, Leggins und diesen hässlichen aufgeplusterten Lackjacken für Mandys und Chantalles, die es irgendwie aus dem Plattenbau nach Prenzlauer Berg geschafft haben. Paul schwitzt sehr und sieht schon desillusioniert dem Schicksal seines neben ihm sitzenden Leidensgenossen entgegen:

Dem Skelett.

Dieses Skelett ist schon sehr lange hier – quasi ein Pimkie-Veteran. Es trägt Vollbart, Baggy Pants und G-Star Sneakers aus dem letzten Jahrzehnt und stinkt auch seit einigen Monaten nicht mehr, in der verknöcherten Hand hält es noch ein BenQ-Handy, auf dem allerdings schon lange kein Tetris mehr läuft. Die Maden sind auch schon seit vielen Monden zu Mango weitergezogen, wo auf einem der sehr unbequemen Hocker ein neuer Vergessener verwest.

Und so warten sie alle darauf, dass sie irgendwann abgeholt werden oder auf dem Sofa bei Pimkie zu Staub zerfallen.

In der Serie “Überleben im Dschungel der Großstadt” begibt sich mike-o-rama für uns in die Wildnis Berlins und testet ohne Rücksicht auf die eigene Gesundheit Imbiss-Buden, Fast-Food-Restaurants, Supermärkte und Orte, die nie ein zurechnungsfähiger Mensch gesehen hat. Seine Berichte erscheinen auch auf dem Bewertungsportal qype.de.

Foto: Gerd Altmann/pixelio.de

Überleben im Dschungel der Großstadt: Albtraum in Penisform

Ein Albtraum wird wahr

Der Kings Bratwurststand auf dem S-Bahnhof Frankfurter Allee hat ein offenkundiges Problem mit seiner Wurst. Obwohl der Bahnhof hinsichtlich der Passagierzahlen vor Kraft kaum gehen kann, da sich hier die wichtige Linie der U 5 und die auf dem Ostring verkehrenden S-Bahn-Linien kreuzen, haben die Würste in diesem Büdchen offenbar eine relativ lange Liegezeit, was man ihnen schon von weitem deutlich ansieht. Gefühlte Millionen Menschen laufen jeden Tag daran vorbei und wollen dort keine Wurst kaufen, obwohl die Werbetransparente immer größer und schriller werden.

Woran liegt das? Nun, das Kings steht ganz klar vor dem Dilemma,

1. bereits fertig gegrillte – aber nicht direkt am Optimalpunkt verkaufte – Würste konsequent wegzuschmeißen,

2. die fertig gegrillten Würste erstmal stoisch weiterzugrillen und wenn es nicht mehr geht irgendwie notdürftig warmzuhalten, bis sich einer erbarmt oder

3. gar nicht auf Halde, sondern „auf Sicht“ zu grillen und die Kunden damit im Falle eines Ansturms warten zu lassen bis die Wurst fertig ist.

Das Kings entscheidet sich für Variante 2 – eine nur kurzfristig ökonomische Lösung, die darin besteht, dem Kunden auch noch jede bis zum Erbrechen missbrauchte Wurst zum vollen Preis zu verkaufen. Das ist deshalb nur kurzfristig ökonomisch gedacht, da man zwar zunächst den Verlust einer weggeschmissenen Wurst gänzlich vermeidet, ergo kurzfristig den kalkulierten Gewinn einfährt, aber dadurch keinen einzigen Wurst-Kunden langfristig bindet, was sich auf Dauer negativ auf den Umsatz auswirkt, wenn man eine ausreichende Anzahl Kunden verärgert hat. Ein Eigentor sozusagen.

Die Bratwurst zu beschreiben ohne dabei ausfallend zu werden ist sehr schwierig. Wäre dies hier ein reguläres Weblog, so entstünde links am Rand eine Begriffswolke mit Schlagwörtern wie unterirdisch, widerwärtig, Zumutung, No-Go, Kriegserklärung und spastisches Würgen.

Versuchen wir es daher ganz sachlich: Die Bratwurst liegt ja wie schon festgestellt ganz offenkundig überdurchschnittlich lange auf ihrem Grill, wobei die absurde Situation entsteht, dass je weniger Bratwürste verkauft werden desto länger sie da liegt, was wiederum dazu führt, dass sie noch länger liegt, so dass sie keiner will und sie dann noch länger da liegt, was wiederum dazu führt, dass noch mehr Kunden wegbleiben.
Ein Teufelskreis. Bis mal eine arme Sau kommt und sich so eine Bratwurst andrehen lässt.

Mit der Bratwurst passiert nach Überschreitung des idealen Garpunkts folgendes: Die schwarz-braun verfärbte Haut wird gleichzeitig hart und trocken, nimmt eine fast lederartige rissige Konsistenz an und löst sich dabei von dem zusammengeschmolzenen Inneren bis auf etwa zwei bis drei Millimeter ab, wobei sich in dem dadurch entstehenden Zwischenraum ein seltsamer braungetönter fädenziehender Sud mit Kohlearoma bildet, der mit dem tendenziell völlig geschmackslosen Inneren der Wurst (man setzt bei der Rohmasse ganz offenkundig auf einen höheren Salz/Fett- und eher geringeren Fleischanteil) eine sehr üble Mischung bildet, die irritierend sauer-salzig daherkommt.

Die Tatsache, dass die Wurst irgendwann weit nach dem Idealzeitpunkt auf eine kühlere Stelle des Grills gelegt wird, wonach sie lau serviert wird, potenziert das Desaster zusätzlich.

Ganz plastisch gesagt: Es ist ein Albtraum in Penisform.

Einmal erhielt ich eine noch nicht ganz fertig gebratene Wurst – Variante „Kräuter“, innen noch kalt und roh, die mich erahnen ließ wie das ideal gebratene Endwerk planmäßig schmecken soll.

Das allerdings ist schnell erzählt: Nach nichts.

Die Geschmacksvariation „Kräuter“ ist im Ergebnis nur optisch eine Innovation – hat sie doch grüne Punkte im Brät, geschmacklich bleibt sie in jeder Beziehung so fad wie das Normalprodukt. Sie schmeckt schlicht nach nichts, macht in Konsistenz und Geschmack sogar eher einen haarsträubend synthetischen Gesamteindruck – keine Spur von würzigem frischem Bratwurstaroma, man kann sich ersatzweise auch einen Brocken zimmerwarmes Fonduefett mit etwas getrockneter Petersilie in den Mund stecken und darauf rumlutschen, das dürfte dem wahrscheinlich sehr nahe kommen.

Auch die Variation „Käse“ blieb, da sie sich natürlich schon ärgerlich lange auf dem Rost befand und dadurch ihren „Käse“ mittlerweile durch ihre Lederhautritzen in den Grill entsorgt hat, unfassbar fad und nichtssagend – im Ergebnis eigentlich nur sinnlos fettig. Vielleicht ist der „Käse“ ja auch als eine Art Paste im Grill wirklich besser aufgehoben als in einem menschlichen Magen – das wird sicher seinen Sinn haben.

Ehrlich, ich habe es gut gemeint und im Laufe der Zeit wirklich alle Bratwurst-Varianten in dieser Bude durchprobiert – aber mit der Erfahrung langjähriger Feldversuche auf dem weitreichendem Sektor kulinarischer Terrorcamps stelle ich nüchtern fest: So eine schlechte Wurst ist mir bisher noch nicht untergekommen und es erscheint mir hinreichend wahrscheinlich, dass es auch nicht mehr schlechter geht. Hier stimmen weder Grundprodukt noch Zubereitung.

Der maßstabsetzende Tiefpunkt der Berliner Wurstkultur befindet sich also derzeit hier auf dem S-Bahnhof Frankfurter Allee.

In der Serie “Überleben im Dschungel der Großstadt” begibt sich mike-o-rama für uns in die Wildnis Berlins und testet ohne Rücksicht auf die eigene Gesundheit Imbiss-Buden, Fast-Food-Restaurants, Supermärkte und Orte, die nie ein zurechnungsfähiger Mensch gesehen hat. Seine Berichte erscheinen auch auf dem Bewertungsportal qype.de.

Foto: www.JenaFoto24.de / pixelio.de

Überleben im Dschungel der Großstadt: Im Lesecafé

Romantische Lektüre im Lesecafé

Huhu, hallihallo, da bin ich doch letztens in diesem lustigen Lesecafe gelandet. Zumindest dachte ich, dass es eines ist. Ich hatte Schopenhauers „Aphorismen zur Lebensweisheit“ unter dem Arm und wollte jemanden finden, mit dem ich über das Gleichnis mit den Stachelschweinen und ihre treffende Illustrierung der modernen Gesellschaft und der Interaktion der Menschen untereinander diskutieren könnte.

CP Club – Caesars Palace – komischer Name für ein Lesecafe, dachte ich erst, aber nun gut, vielleicht treffen sich hier die Historiker – wegen Cäsar, römischer Kaiser und Feldherr und so, haha. Egal, einfach mal reingehen, ein wenig interdisziplinärer Gedankenaustausch hat noch nie geschadet, ich bin für alles offen.

Das Reinkommen jedoch war gar nicht so einfach, stand da doch vor dem Eingang dieser Mann, breit wie hoch, musterte meinen Strickpulli mit dem Elch vorne drauf und meinen Büchertornister auf dem Rücken etwas finster, ließ mich dann aber doch eintreten, nachdem ich ihm meinen Ausweis von der StaBi (Staatsbibliothek) gezeigt habe.

Komisch, dachte ich, die Bücher muss man hier wohl selber mitbringen, denn im Innenraum lag kein einziges aus, Regale sah ich auch keine, aber ich habe ja zum Glück daran gedacht, meinen Schopenhauer in der kleinen Reclam-Ausgabe mitzubringen.

Dieses komische eigenwillige rote Licht überall störte zunächst etwas beim Lesen, aber ich habe ja – toi toi toi – immer diese kleine Taschenlampe dabei, die ich vom Wagenbach Verlag geschenkt bekommen habe, damit ich zu Beispiel zuhause in meinem Bettchen unter der Decke noch etwas lesen kann, ohne dass Mama was merkt. Laut war es aber auch und überall saßen Leute, zwischen denen Frauen in Unterwäsche saßen. Das lenkte mich doch etwas vom Lesen ab.

Da saß ich nun und nirgendwo ein Historiker zu sehen. Glücklicherweise haben sich kurze Zeit später Angelique und Vanessa zu mir gesellt. Leider wollten sie nicht mit mir über Schopenhauer diskutieren, sondern wie es mir geht, ob ich mich wohlfühle und ob sie etwas für mich tun können. Das fand ich sehr nett, aber leider hat mich der Debattierclub meiner Schachgruppe auf diese Art der Konversation nicht vorbereitet und ich konnte den Damen inhaltlich nicht weiterhelfen. Ich versuchte es daraufhin mit Nietzsche und Adorno, aber auch das fand keinen Widerhall, die beiden wollten immer nur wissen, was ich so mache, wo ich herkomme und ob ich eine Freundin habe. Als ich es hilfsweise mit Wittgenstein versuchte meinte Vanessa, dass da „letztens so ein Typ da war, der irgendwie so hieß, aber mit dem nix los war. Verklemmt oder so.“ Komisch.

Angelique meinte irgendwann, ich solle Champagner für alle bestellen, aber ich wollte nicht, weil Mama sagt immer, ich darf sowas nicht trinken – wegen meinem Ausschlag. Als ich daraufhin meine Capri Sonne aus dem Tornister holen wollte, meinte Vanessa, dass ich doch lieber etwas bestellen solle. Das mache man hier so.

Also hab ich Bananensaft bestellt. Schmeckt ja auch besser und ist gesund.

Mit Angelique auf dem Schoß, die ihr Hinterteil – wahrscheinlich war es für sie etwas unbequem – dauernd an mir rieb, kam ich dann doch noch ins Gespräch mit einem düsteren Herrn mit schwarzem Hemd und Lederjacke, der neben mir saß: „Na Kleiner, was hat dich denn hierher verschlagen?“

„Ich bin gekommen um zu lesen.“

„Huh…?“

„Ja, das ist wirklich ein lustiges Lesecafe. Aber warum ziehen sich die Frauen hier nicht was an? Und wozu ist diese Stange da in der Mitte gut?“

„Da gibt es gleich wieder Stangentanzen, mein Junge, das ist im Übrigen auch kein Lesecafe, sondern ein Nachtclub.“

„Nachtclub? Sowas gibt es in Berlin? Ich hab auf Arte mal eine Dokumentation über Hamburg gesehen, aber nie gleichartiges über Berlin.“

Immer für ein gutes Buch zu haben

„Puh, ja, wobei, lass es mich mal so sagen: Berlin ist ja in Sachen Nachtclubs eher eine Trockenpflaume, da gebe ich dir Recht. Da gibt es reihenweise heruntergekommene Bars in finsteren schummrigen Ecken der eher weniger privilegierten Kieze in Wedding oder Moabit – betrieben von fiesen Verbrechervisagen -, in denen man nichts, aber auch gar nichts anfassen möchte und wo nur selten jemand auf den schmierigen Tables danct, sondern sich die fürchterlich überschminkten Damen – vorwiegend aus Osteuropa hierher verbracht – wahlweise gelangweilt oder verschüchtert auf den verkeimten Barhockern lümmeln und halbherzig – weil zu offensichtlich gezwungen – nicht einmal versuchen, so etwas wie prickelnde Erotik aufkommen zu lassen und man bis in die kleinste Haarspitze überall fast greifbar den Druck des Luden in ihrem Nacken spürt- kein Leuchten in den Augen, kein Lächeln – einfach nur abgestorbene Träume auf zwei Beinen – echt mal: Wer so etwas anziehend findet hat kein Herz.“

„Oha, ein schöner Schachtelsatz, haben Sie Lust, bei unserem Debattierclub mitzumachen?“

„Haha, nee lass man, Junge. Aus dem Debattieralter bin ich raus.“

„Na gut. Aber was Sie so erzählt haben über Wedding und Moabit: Hier ist das doch nicht so, oder?“

„Nee, hier ist das wohl ein wenig anders, das ganze Konzept scheint ein anderes zu sein. Die Damen sind alle offenbar freiwillig hier, verdienen gut, sprechen ausgezeichnet deutsch und haben sichtbar Spaß an der Sache – stilvolle Entspannung macht sich breit, sag ich nur.“

Angelique warf ein: „Ich kann für dich tanzen wenn du magst, ein schöner Privat Dance im Separee.“

„Komm Kleiner, ich geb dir einen aus, du siehst aus als ob du schon lange auf etwas wartest, was deinen Gordischen Knoten zum Platzen bringt.“

Nach dem Aufenthalt im Separee, während dem mir Angelique alle ihre Körperteile aus der Nähe vorgeführt hat, machte sich eine ungewohnte Ruhe und Zufriedenheit in mir breit, Schopenhauer war plötzlich ganz weit weg und auch die Historiker vermisste ich nicht mehr. Irgendwas war passiert.

Der düstere Mann mit der Lederjacke holte mich jedoch jäh aus meinen Träumen:

„So weit – so gut. Ich sehe du bist entspannt. Nun, ich sag ja: Der äußerliche Eindruck von dem Laden ist echt abschreckend – heruntergekommener unsanierter Altbau und sieht auf den ersten Blick aus wie so eine üble Kaschemme in Wedding oder Moabit, aber hier drinnen erste Sahne. Vom Feinsten. Trinken wir einen Champagner?“

„Äh was kostet der denn?“

„Naja, 150 Euro meine ich, aber den kannst du immer auch problemlos ablehnen, hier zwingt dich keiner und die Stimmung rauscht auch nicht in den Keller deswegen. Aber du hast Recht: Ich für meinen Teil würde die 150 auch lieber in der Unterwäsche deiner talentierten Angelique versenken. Die sind gut angelegt.

Vanessa, kommste mal rüber zu mir? Mit zweien von euch ist der Junge am Anfang doch etwas überfordert.“

Am nächsten Tag, kurz vor meinem 30. Geburtstag, bin ich bei Mama ausgezogen.

In der Serie “Überleben im Dschungel der Großstadt” begibt sich mike-o-rama für uns in die Wildnis Berlins und testet ohne Rücksicht auf die eigene Gesundheit Imbiss-Buden, Fast-Food-Restaurants, Supermärkte und Orte, die nie ein zurechnungsfähiger Mensch gesehen hat. Seine Berichte erscheinen auch auf dem Bewertungsportal qype.de.

Fotos: tokamuwi/pixelio.de

Überleben im Dschungel der Großstadt: Reales Payback

In der Serie “Überleben im Dschungel der Großstadt” begibt sich mike-o-rama für uns in die Wildnis Berlins und testet ohne Rücksicht auf die eigene Gesundheit Imbiss-Buden, Fast-Food-Restaurants, Supermärkte und Orte, die nie ein zurechnungsfähiger Mensch gesehen hat. Seine Berichte erscheinen auch auf dem Bewertungsportal qype.de.

Chuck Norris

Chuck Norris kann bei Subway ein Sandwich ordern, ohne eine einzige Frage beantworten zu müssen. Auch nach seiner Payback-Karte hat ihn noch niemand gefragt.

Der große Real-Supermarkt in Berlin-Treptow hat wirklich alles, ist gut sortiert, übersichtlich aufgebaut und preislich sehr günstig. Ein Einkaufsparadies sondergleichen. Tralala.
Warum ich da nicht mehr hingehe?
Ich kann nicht mehr. Ich sage nur Payback. Jeden Mittag habe ich mir dort mein Mittagessen geholt und jeden Mittag musste ich eine Frage beantworten:
„Haben Sie eine Payback-Karte?“
Das habe ich anfangs noch mit einem freundlichen Lächeln quittiert und natürlich verneint, da ich es ablehne, dass ein großer Bruder mein Einkaufsverhalten speichert und analysiert, mich dafür mit Werbung zumüllt und im Gegenzug mit schäbigen Prämien auf Tschibo-Niveau sediert.
„Haben Sie eine Payback-Karte?“
In den darauf folgenden Wochen wich mein Lächeln einem gequälten Grinsen, optisch muss es dem Clown aus Stephen Kings Film „Es“ ähnlich gesehen haben, denn so manche Kassenkraft schaute leicht entsetzt. Trotzdem beantwortete ich brav zwischen krampfartig zusammengebissenen Zähnen die mir gestellte Frage.
„Haben Sie eine Payback-Karte?“
„Nein, danke der Nachfrage, ich habe keine Payback-Karte. Ich möchte auch keine, weil ich nicht will, dass eine Datenkrake weiß, was ich wann einkaufe, um daraus ein Einkaufsprofil zu erstellen, auf das irgendwann wahrscheinlich meine Krankenkasse, das Bezirksamt Pankow, die GEZ und Wolfgang Schäuble Zugriff haben.“
Die Kassenkraft schaute nur betrübt und konnte aber meinen immer noch freundlich gehaltenen Vortrag inhaltlich nicht so ganz mittragen.
„Haben Sie eine Payback-Karte?“
Danach versuchte ich es mit wirrem Kopfschütteln…
„Haben Sie eine Payback-Karte?“
… bösem Blick …
„Haben Sie eine Payback-Karte?“
… und absoluter Kommunikationsverweigerung in Form eines grenzdebilen manischen Blickes ins Leere.
„Haben Sie eine Payb…“
„Hören Sie zu, ich hasse diese Frage, mir kommt es gerade vor als habe ich noch nichts in meinem Leben so sehr gehasst wie ihre verdammte tägliche Frage, die ich Ihnen im Übrigen schon mindestens gottverdammte 487 mal beantwortet habe. Ich habe keinen Bock mehr, hören Sie damit auf, ich bin ein nervlicher Gasdruckbehälter und Sie spielen mit einem Feuerzeug an mir herum. Lassen Sie es.“
„Haben Sie eine…“
„Hören Sie BITTE zu. Das ist Ihre letzte Chance. Ich habe keine verdammte Payback-Karte, lassen Sie in Gottes Namen endlich die Fragerei. Morgen komme ich mit einer Beretta und wenn ich auch nur noch ein einziges Mal diese Scheißfrage höre, dann schwöre ich bei James Hetfield, haben Sie diese Frage zum letzten Mal in Ihrem Leben gestellt.“
„Haben Sie…“
(…)
Ja gut, hier in der JVA Tegel ist es eigentlich auch ganz schön. Ich bekomme jeden Tag zu essen, habe eine Glotze in der Zelle und keiner – nicht mal mein Kumpel Olaf, der Wärter – will wissen, ob ich eine Payback-Karte habe. Nur in den Park würde ich gern mal wieder gehen, aber das wird wohl die nächsten 15 Jahre nichts.

Foto by Lou Hernandez (U.S. Air Force) (Originally from [1]) [Public domain], via Wikimedia Commons

Überleben im Dschungel der Großstadt: Star Burger

In der Serie “Überleben im Dschungel der Großstadt” begibt sich mike-o-rama für uns in die Wildnis Berlins und testet ohne Rücksicht auf die eigene Gesundheit Imbiss-Buden, Fast-Food-Restaurants, Supermärkte und Orte, die nie ein zurechnungsfähiger Mensch gesehen hat. Seine Berichte erscheinen auch auf dem Bewertungsportal qype.de.

Star Burger

Juten Morjen, Tristesse

Dass dieser Schuppen noch lebt, überrascht mich jedesmal wenn ich daran vorbeilaufe. Meistens trinken die üblichen Verdächtigen dort ihre Feierabend- bzw. Morgenmolle, allerdings sehe ich unfassbarerweise manchmal dort auch Leute essen.
Das Ding sieht aus als hätte man es 1990, als die Marktwirtschaft hier einzog, in der Eile errichtet und dann sich selber überlassen. Eine ständige Ausstellung im Innenbereich dokumentiert fotografisch die Aufbauarbeiten und die „Entwicklung“ im Laufe der Jahre.
Was sehen wir? Wir sehen eine verwitterte Baracke, die einen notdürftig selbstgezimmerten Eindruck hinterlässt und auf ihre Art eine Verzweiflung ausstrahlt, die man sonst nur in der Storkower Straße auf einer Linie nordwestlich des S-Bahnhofs Landsberger Allee auf Höhe des Pfenniglands vorfindet.
Man erwartet jeden Moment einen Dornenbusch vorbeiwehen und sucht vergeblich den Cowboy, der vor der Bude sitzend „Spiel mir das Lied vom Tod“ auf der Mundharmonika zum Besten gibt. Endzeit, Leute. Sie wissen es nur noch nicht.
Die Burger sind uninspiriert gewöhnlich, dafür aber im Preis ambitioniert. Man hält den Hamburger bzw. Cheeseburger dort tatsächlich für ca. 30% wertvoller als die vergleichbaren Produkte bei Burger King oder McDonalds.
Die Wahrheit tut manchmal weh, Star Burger: Vergiss es.
Auch der dort angebotene „Big Boss“, wohl eine Kampfansage an den „Big King“ oder den „Big Mäc“, startet als Tiger und endet als trauriges Stück Fleischklops mit einem durchgeweichten Häppchen Salat und einem traurigen Zwiebelhalbmond in viel zu viel Lidl-Burgersoße.
Der Gipfel der Obszönität aber ist der „Monster Burger XXL“, der aus 3 überdimensionalen Bratlingen besteht, um die aus Alibigründen ein wenig Brötchen gewickelt und in die ein Salatblättchen eingefaßt ist. Gefühlte 3 Kilo pures Fleisch à 8,40 € für echte Kerle. Okay, zugegeben, so einen Klopper suchen wir bei McDonalds und Burger King (doch doch – das Ding ist noch krasser als ein Triple Whopper) vergebens. Warum wohl?
Die Fritten sind indiskutabel und knüllen sich auf der Stelle zu einem festen Klumpen in Magen und Darm zusammen, den man nur mit Rhizinosöl, Fleckentferner oder einer Klempnerspirale aufgelöst bekommt.
Ich habe aber die böse Ahnung, dass dieses Ding mich überlebt und mir bei meiner Beerdigung einen zerknautschten „Big Boss“ als letzten Gruß ins Grab wirft, sich hämisch darüber amüsierend, dass es ihn auch in weiteren hundert Jahren geben wird. Grusel.

Foto: mike-o-rama