Überleben im Dschungel der Großstadt: Freakshow oder eine Fahrt mit der U2

It's a jungle out there...

Sonntag 10.30 Uhr

Schönhauser Allee – ein Blick in den U-Bahn-Wagen, aha, rechts sitzt schon die sechsköpfige italienische Hostelmeute, gerade dem keimigen 15-Euro-Gemeinschaftsraum entronnen und ungeduscht schon die erste Bierpulle am endlos gackernden Hals, linker Seite die beiden Touristinnen aus New York, die sich in der irrigen Annahme, niemand würde sie hier verstehen, über diese fürchterlichen Deutschen auslassen („These german women look sooouuuu ugly masculine, I wonder how they can make so many babies here“), daneben die rosa Prollette, die mit ihren von dicken bunten Plastikfingernägeln verunstalteten Fettfingern ihren Kampfhund ohne Maulkorb festhält und von der ich jetzt schon weiß, dass sie am Alexanderplatz in die U5 Richtung Hönow umsteigen wird.
Hinten am Ende der Bank sitzt ein Exponat fehlgeschlagener Integration, präsentiert stolz sein neues Bushido-„Isch fick eusch alle dein Mudder sein Kopf“-mp3 auf seinem Handy und produziert geistesabwesend einen immer größer werdenden Spuckesee auf dem Boden, der langsam aber stetig in die italienische Hostel-Ecke schwappt, was diese aber kraft ihrer eitlen Schaustellerpose nicht bemerken. Zuletzt sitzt in der hinteren Ecke am Boden ein Bärtiger in seinem eigenen Erbrochenen, die Hose durchnässt von einer Flüssigkeit, von der zu hoffen ist, dass es nur Bier ist – die Brocken an seinem Bart erinnern vage an zu lange gedünstete Kartoffeln.

Hereinspaziert – eine neue Runde, eine neue Wahnsinnsfahrt.

Eberswalder Straße – Mit einem „Ouuuuuuuh look at that, the horrible Kastanienallee, lets get outta there and see if we can get some one of this german Döner rubbish here” verlassen die Amerikanerinnen die Bahn. Es treten ein: Die seit Jahrzehnten von ihrem sozialen Umfeld gelangweilten Hipster mit Hauptstadtrocker-Shirt, die den Schuss nicht gehört haben und den Aufenthalt in diesem nur noch geographischen Zentrum von Prenzlauer Berg immer noch für cool halten, frisch herausgeschlurft aus dem Dr. Pong wo sie – weil sie viel zu cool zum Tischtennisspielen sind – die ganze Nacht mit der Bierpulle in der Ecke gestanden sind und mit einer hochgezogenen Augenbraue die Tischtennisspieler aus der westdeutschen Provinz beobachten haben. Jetzt in der Bahn geht es natürlich auch nicht ohne Bierpulle, es muss nämlich der Eindruck herrschen, dieser kleine Körper in seiner viel zu großen Jeans beherberge einen unkonventionellen und potenziell rebellischen Geist, der auf jeden Fall wichtig ist. Der dahinter eingetretene hirntote Typ mit Blaumann, Dirk-Niebel-Gedächtnismütze und Hornissen-Sonnenbrille, dem weiße Spuckeflocken am Mundwinkel antrocknen, begleitet ab sofort die Szenerie musikalisch mit der neuesten Rammstein-Scheibe aus dem iPod, den er so weit aufgedreht hat, dass mindestens die letzten drei übriggebliebenen Haarzellen in seinem Innenohr aber auf jeden Fall jeder hier im Waggon nun weiß, dass Til Lindemann gerade jemandem wehtut, was ihm nicht leidtut.

Senefelder Platz – Das Exponat fehlgeschlagener Integration merkt, dass es hier nicht nach Wedding geht und springt im Hechtsprung aus dem Waggon, nicht ohne panisch in seinen Spuckesee zu treten und einen Faden in Richtung Ausgang zu ziehen, Bushido fade out. Angerempelt hat er in seiner Hektik die einsteigende merkbefreite Brillenschlange mit schlechter Haut, die sich auf dem Weg zum Proseminar „Frauenforschung“ laut via Handy mit ihrer mindestens genauso hässlichen Kommilitonin über die Notwendigkeit einer Frauenquote bei Müllabfuhr, Kanalbau und beim Kommando-Spezialkräfte der Bundeswehr unterhält und dabei mit ihren vergammelten braunen Birkenstocklatschen in den Spuckesee tritt, dicht gefolgt vom ersten kulinarischen Beitrag der heutigen Fahrt in Form der stark verlebten Gelegenheitskünstlerin Irene aus Stuttgart-Zuffenhausen, die seit Jahren mit ihrer Selbstfindungsgalerie in der Kollwitzstraße dilettiert, heute mit frischem Döner von der billigen Stinkebude in der Hand – extra Zwiebeln, extra Knoblauch, extra ugly -, der innerhalb von Sekunden alle umliegenden Riechkolben für die nächsten Stunden kontaminiert. Ein abgerissener Typ mit abgerissenem Hund und nagelneuen Springerstiefeln erzählt derweil mit seiner Bratwurst mit Senf in der Hand, dass das Jobcenter ihm kein Geld geben will und er deshalb leider auf die Fahrgäste der U-Bahn zurückgreifen muss. Der Senf kleckert auf den Boden neben den Spuckesee. Die gelangweilten Hipster starren gelangweilt aus dem zerkratzten Fenster, wo außer Schwärze nichts zu sehen ist.

Rosa-Luxemburg-Platz – Bitte mehr kulinarische Beiträge zur heutigen U-Bahn-Fahrt, es riecht noch zu gut, denke ich, und – tatsächlich – es soll so sein: Auftritt der Freunde der örtlichen Trinkergenossenschaft rund um den letzten Späti hier, schwankend, die Tür erst anrempelnd dann anpöbelnd, schon wieder oder immer noch mit Pilsette am Hals, einer von denen mit Chinanudeln einer anderen Stinkebude in der Hand, von seiner Gabel fallen immer wieder fettbraune Nudelstücke auf den Spuckesee und lassen wabbelige braune Inselchen entstehen, hart am Limit die Jungs, wie jeden Tag, rotgesichtig, pockennarbig und bereits vor Betreten des Wagens so lautstark rülpsend und furzend, dass die Brillenschlange unsere kleine Fahrgemeinschaft urplötzlich panikartig verlässt und den Wagen wechselt. Missmutig schleicht ein blasses Techno-Opfer in der Rekonvaleszenzphase seines nächtlichen Drogentrips in den Wagen, die Kopfhörer auf jeder Seite größer als sein Kopf. Rammstein wird nun von Daft Punk begleitet.

Alexanderplatz – Die italienische Hostelmeute vermutet irrigerweise, dass es an diesem Ort etwas Nennenswertes zu sehen gibt und verlässt uns, drei Bierpullen nebst Biersee auf den schmierigen Sitzen hinterlassend, von diesen Pullen rollt eine in den Spuckesee und reichert diesen geschmacklich mit einem nicht ganz ausgetrunkenen Rest an und walzt den Spuckesee gleichzeitig ordentlich breit. Die rosa Prolette wackelt erwartungsgemäß hinter der Hostelmeute her, der Kampfhund kläfft nochmal in die Runde und fletscht seine fauligen Zähne. Dafür stoßen die immer noch besoffenen Punks aus ihrer Kommandozentrale am oberirdisch gelegenen Brunnen der Freundschaft mit ihren fünf stinkenden Hunden nun auf die Trinkergenossenschaft vom Rosa-Luxenburg-Platz. Sie mögen sich nicht, was in einem lautstarken leicht agressionsgeschwängerten Disput (Nazi! Zecke! Fascho! Penner!) zum Ausdruck kommt. Für gesteigerte musikalische Begleitung sorgt derweil eine rumänische Kombo mit Trompete und Ziehharmonika.

Klosterstraße – Niemand gibt Geld für Trompete und Ziehharmonika, die Rumänen beschimpfen daraufhin die Fahrgäste und werden von der sich provoziert fühlenden Trinkergenossenschaft, die sich von hier offenbar zum Abhängen am Spreeufer Richtung Jannowitzbrücke durchschlagen will, mit Fausthieben nach draußen komplimentiert. Einer der Punks bietet derweil eine zerrissene Obdachlosenzeitung feil und nötigt das verpeilte Techno-Opfer zu einem Kauf zum Solidaritätspreis von 5 Euro, ein mausgrauer Bürokrat von der angrenzenden Senatsverwaltung versucht die sich schließenden Türen wieder öffnen, er versagt und muss auf dem Bahnsteig bleiben. Der Spuckesee trocknet an den Rändern leicht an. Einer der Punks zündet sich seine wohlverdiente Kippe an. Ein wenig Spannung weicht aus der Luft.

Märkisches Museum – Noch mehr kulinarische Genüsse in der Bahn, einmal um die ganze Welt und zurück, nun Currywurst mit Pommes und ein Kaffee Togo, korrespondierend zu einer Dusche Laura Biagotti, all dies getragen von einer mittelmäßig attraktiven Blondine mit depressiv herunterhängenden Mundwinkeln, die noch bevor sie sitzt von einem der Punks gefragt wird, ob sie heute Abend schon was vor hat. Fauliger Bieratem mit unterschwelligem Kippenaroma gepaart mit einer akuten Grammatikschwäche scheinen die weibliche Zielperson in ihrer Gesamtkomposition abzuschrecken, der Kaffee kippt um und gesellt sich zu Bier und Spucke, die Blondine springt aus dem Wagen, der Rammstein-Hirntote im Blaumann isst die liegengebliebene Currywurst auf, die schwäbische Dönerkünstlerin hat bereits aufgegessen und stopft das Dönerpapier mit den Gemüseresten nun in die Ritze der Sitzbank, wobei dieses aufplatzt und das Gemüse freigibt.

Spittelmarkt – Inzwischen herrscht ein Dampf wie in einer ukrainischen Wandersauna, Schwaden von Döner, Currywurst, Kippenqualm, stinkenden Hunden und Chinanudeln durchwehen die Luft, einer der gelangweilten Hipster fasst sich ein Herz und macht ein Fenster auf, eine Oma tritt ein und macht es wieder zu. Der Hirntote im Blaumann steigt hier aus, lässt aber vorher noch die Currywurstpappe mit der Ketchupseite nach unten auf den braun-grauen Spuckebierkaffeesee fallen, der inzwischen aufgrund der Fahrbewegungen leichte Blasen schlägt und dessen Ausmaße fast die gesamte Breite des Durchgangs in Beschlag genommen haben, eine der Bierpullen ist zwischenzeitlich in einer Rechtskurve an der Wagenwand zerschellt und hat ihre Scherben mit der Hilfe von Schuhprofilen im Raum verteilt. Der Hirntote erbricht die Currywurst draußen am Bahnsteig auf eine Sitzbank.

Plötzlich betritt ein BVG-Mitarbeiter in Uniform den Wagen und die Zeit scheint kurz den Atem anzuhalten.

Tick.

Tack.

Schweigen.

Der Uniformierte schaut nach rechts, schaut nach links und

steigt ein paar Stationen weiter wieder aus.

Foto: Claudia Hautumm / pixelio.de

In der Serie “Überleben im Dschungel der Großstadt” begibt sich mike-o-rama für uns in die Wildnis Berlins und testet ohne Rücksicht auf die eigene Gesundheit Imbiss-Buden, Fast-Food-Restaurants, Supermärkte und Orte, die nie ein zurechnungsfähiger Mensch gesehen hat. Seine Berichte erscheinen auch auf dem Bewertungsportal qype.de.

Was liegt an? – 21.2. bis 27.2. 2011

Was nächste Woche auf uns zukommt.

Das ist mal wieder so eine Woche, in der der Fußball-Fan jeden Abend was zu gucken bekommt. Am Montag Zweitliga-Derby Hertha-Cottbus, am Dienstag Champions-League-Achtelfinale mit Lyon gegen Real Madrid und Kopenhagen gegen Chelsea, am Mittwoch Olympique Marseille gegen ManU und die Wiederauflage des Vorjahres-Finales Inter Mailand gegen Bayern München, ich zähle die Stunden bis zur Revanche. Am Donnerstag Uefa-Cup, Legokusen gegen Charkov ist ‘ne klare Sache, Legokusen ist durch. Für Stuttgart wird‘s sehr schwer gegen Benfica. Und dann ist auch schon Bundesliga-Wochenende mit dem absoluten Topspiel Bayern gegen den BVB, das könnte richtig schöner Fußball werden, mit einem – da lehn ich mich mal weit aus dem Fenster – deutlichen Sieg für die Bayern!

Wer sich nicht für Fußball interessiert, ist also arm dran. Immerhin kann derjenige ab Donnerstag die Nordische Ski-WM in Oslo anschauen, es übertragen Eurosport und das ZDF, Am Sonnabend sendet Sport1 wieder zwei Rugby-Spiele vom Six Nations Cup, um 15:25 Italien-Wales, ab 18:15 England-Frankreich.

Könnte sein, dass es am Donnerstag der Frau/Freundin zuviel wird und der übliche Satz kommt: „Du immer mit deinem Fußball! Heute bleibt die Glotze aus, wie gehen ins Kino!“ Da kann der Fußball-Fan getrost mitgehen, solange Eintrittskarten für „Der ganz große Traum“ erstanden werden. Ist so eine Art „Club der toten Fußballspieler“, unkonventioneller Pädagoge führt im 19. Jahrhundert den Fußball in Deutschland ein. Macht Spaß, ebenso wie „True Grit“ von den Coen-Brüdern, steinstarkes Western-Remake mit Jeff Bridges in der Rolle, mit der John Wayne seinen einzigen Academy Award gewann.

Die den neuen DVDs ist nur „The American“ interessant, Clooney als eleganter Auftragskiller, es gibt schlimmeres.

Im Fernsehen schließlich ist Fußball tatsächlich das aufregendste. Heute abend um 20 Uhr 15 zeigt Das Vierte immerhin „Drei Rivalen“, einen schönen Uralt-Western mit Clark Gable. Drei Kerle rangeln sich um Jane Russell, es gibt eine tolle Viehstampede zu bestaunen. Echte Rindviecher, die Amok laufen, das kriegt man mit CGIs so nicht hin. Ausgerechnet am Mittwoch – wie immer – sendet das Vierte dann Parallel zu Inter-Bayern einen Louis-de-Funès-Film, „Oscar hat die Hosen voll“. Saublöder Titel (eigentlich „Das große Restaurant“), aber eine saukomische Klamotte. Gourmetrestaurant-Inhaber gerät in Geheimdienstturbulenzen, ein Brüller. Am Sonntag könnte es zu Streit um die Fernbedienung kommen. Vermutlich möchte die Frau/Lebensgefährtin/Wasweißich „Der seltsame Fall des Benjamin Button“ auf ProSieben gucken, ich warne vor diesem Schnarchfilm, Finchers dunkelste Stunde, ein ätzender Langeweiler. RTL sendet „Hellboy 2 – Die goldene Armee“, wunderbar durchgeknallte Comic-Verfilmung, das wird geguckt, das macht uns Spaß!

Und ein Hinweis in eigener Sache für unsere Berliner Leser: Comedy im Autohaus! Einmal im Monat veranstaltet das Renault-Autohaus im Weißenseer Weg 32 einen Comedy-Abend. Morgen, Dienstag den 22.2., gibt’s ab 20 Uhr ordentlich aufs Zwerchfell. Chin Meyer moderiert, Gäste sind Kai Eikermann, Andi Steil, Martin Sierp und Harald Effenberg von „Männer unter sich“. Karten (13,- Euro) kann man unter 030-9787120 reservieren.

Außerdem ist Harald ab Freitag im Berliner Schloßparktheater in der Superklamotte „Arsen und Spitzenhäubchen“ als Sgt. O’Hara zu sehen. Darauf weisen wir aber ausdrücklich nicht hin, weil die Vorstellungen in dieser Woche bereits ausverkauft sind.

Wir wünschen eine schöne Woche, viel Spaß!

Foto: Katharina Wieland Müller / pixelio.de

Links der Woche (12.2. bis 18.2.)

Jeden Freitag auf “Männer unter sich”: Links, die uns während der Woche untergekommen sind – Sport, Cartoons, Reportagen, Hintergründe zu unseren Artikeln usw. Männlicher Lesestoff zum Wochenende, viel Spaß!

Vom Rumpler-Tropfenwagen bis zum Ford Nucleon.
Gescheiterte Automobilkonzepte

Die Guillotine von Gillette.
Geiler Wulffmorgenthaler-Cartoon

„Die Bundesliga ist Brecht mit Catchern“
Rainald Grebe über Fußball und anderes

Falls es tatsächlich noch wer nicht kennt:
Das Wiki zu Deutschlands bekanntestem Abschreiber

Der Abspann ist das beste.
Was nach der letzten „Two And A Half Men“-Folge in den USA zu sehen war

Beiss mich, Bela – die dussligsten Dracula-Filme aller Zeiten

Eher schaurig als schön: Dracula in der Trash-Ecke

Im Februar vor 80 Jahren hatte der Vater aller Dracula Filme Premiere: Todd Browning’s „Dracula“ mit Bela Lugosi in der Hauptrolle, in der damaligen Zeit eine Sensation, ein schreckenerregendes (sieht man mal von der stark somnambulen zweiten Hälfte ab) Meisterwerk, dass es locker mit seinen Stummfilm-Vorläufern „Vampyr“ von Carl Theodor Dreyer und Murnaus „Nosferatu, eine Symphonie des Grauens“ aufnehmen konnte und sie finanziell bei weitem in den nächtlichen Schatten stellte. Soviel Erfolg gebiert Nachahmer, und kaum ein Pop-Mythos ist öfters auf die Leinwand gebracht worden als Dracula. Die besten Dracula-Filme vorstellen kann jeder, wir nehmen allen Mut zusammen und gucken in die Schmuddelecke: die dussligsten Dracula-Filme aller Zeiten!

Van Helsing
hat mit dem ursprünglichen Dracula-Mythos ungefähr soviel zu tun wie eine Geisterbahnfahrt mit einem Horrorfilm. Ein kruder, zitatengespickter Cocktail aus wahllos zusammengewsürfelten Horrormythen. Kann man sich mit ein paar Flaschen Bier und ein paar Nachos auf DVD reintun. Kann man, muss man aber nicht.

Dracula, tot aber glücklich (Dracula: Dead And Loving It)
Mel Brooks hat ein paar wirklich komische Filme gedreht und war, zu seinen besten Zeiten, ein Meister der Parodie. Mit „Frankenstein Junior“ hat er eine wirklich geniale Veralberung der Frankenstein-Filme abgeliefert, was konnte also schiefgehen, wenn Brooks den Dracula-Mythos durch den Fleischwolf jagen und den Ober-Vampir mit Leslie Nielsen besetzen würde? So ziemlich alles. Nielsen verkommt vom Komiker zum Hampelmann, und Brooks bietet seine Gags wie ein Ramschverkäufer: „Hier! Wirklich lustig! Wie, nicht komisch? Keine Panik, ich hab noch einen! Klappt auch nicht? Der nächste Scherz, coming right up!“ Dummerweise zündet höchstens eine von zehn Pointen. Okay, ein paar echte Lacher, der Rest ist einfach nur peinlich.

Dracula jagt Mini-Mädchen (Dracula A. D. 1972)
ist der komplett verunglückte Versuch, den Grafen in der Pop-Kultur der frühen Siebziger für Angst und Schrecken Sorgen zu lassen. Dummerweise wirkte Ozzy Osbourne schon damals wesentlich gefährlicher als Christopher Lee, sodass Dracula und Van Helsing (Peter Cushing) in dieser Hammer-Produktion bestenfalls deplaziert wirken. Immerhin, diesen Film kann man sich mit etwas gutem Willen und Alkohol zum Kult hochsaufen, was mit den beiden Fortsetzungen „Dracula braucht frisches Blut“ und „Die 7 goldenen Vampire“ nicht mehr möglich ist. „Dracula jagt Mini-Mädchen“ ist gerade noch gut blöd, was danach kam, ist blöd blöd.

Plan 9 aus dem Weltall (Plan 9 from Outer Space)
ist natürlich kein Dracula-Film, aber der letzte Auftritt von Bela Lugosi, dem Urvater aller Dracula-Darsteller. Regisseur Ed Wood hat den bereits vom Tod gezeichneten Lugosi noch einmal vor die Kamera gezerrt und lässt ihn in klassischem Dracula-Kostüm und mit bewährter Gestik allerlei Unfug in einer wirren Story über Grabräuber aus dem Weltall anstellen. Nachdem wenige Meter Film abgedreht waren, mochte selbst der hartgesottene Lugosi bei diesem sinnfreien Klamauk nicht mehr mitmachen und starb sicherheitshalber. Der findige Woods engagierte ein Double, dass deutlich größer als Lugosi war und auch noch ganz anders aussah, weshalb es an Lugosis Stelle gebückt agieren und sich dessen schwarzen Mantel vors Gesicht halten musste. Ein Film wie ein Auffahrunfall, man will nicht hingucken, tut es aber trotzdem. In einer Abstimmung zum schlechtesten Film aller Zeiten gewählt. Vollkommen zurecht. Dagegen kann selbst Uwe Boll nicht anstinken.

Der Schrei des Todes (Scream, Blacula, Scream)
Dieser Stinker soll schlimmer sein als „Plan 9“? Wie soll das gehen? Nun, was die Gewaltausübung an Genre-Konventionen des Vampirfilms angeht, steckt Regisseur Bob Kelian den guten Ed Wood locker in die Tasche. Da man aus Dracula einen Blaxploitation-Film machen, aber nicht erklären konnte oder wollte, wie sich die schwarzen Pigmente in die Haut eines ein paar Jahrhunderte alten transsylvanischen Grafen geschmuggelt haben, lies man den afrikanischen Prinzen Mamuwalde den Grafen besuchen, der auf Besuch nicht vorbereitet war und deshalb Mamuwalde zu seine Blacker Ego „Blacula“ biss. Blacula selbst versucht sich dann ein paar Jahrhunderte später in Los Angeles durchzubeißen… Klingt etwas weit hergeholt? Aber nicht doch, das ist bloß die Vorgeschichte, die im 1. Film der Reihe, „Blacula“ erzählt wird. In „Scream, Blacula, Scream“ kommt noch ein schräger Voodoo-Kult und eine derart unterirdische Qualität von Skript und Technik hinzu, so dass man entsetzt „Schlimmer geht’s nimmer“ brüllt, während einem die Chips aus dem Mund rieseln und man entsetzt Pam Grier wiedererkennt, die sich damals wirklich für keinen Scheiß zu schade war.
Schade um die Chips, es geht tatsächlich schlimmer. Es gibt da nämlich einen Film namens „Blackenstein“… aber das ist eine andere Baustelle.

Foto: Didi01 / pixelio.de

Was liegt an? – 14.2. bis 20.2. 2011

Was nächste Woche auf uns zukommt.

Champions League. Endlich wieder Champions League. Die monatelange Schockstarre, in die wir nach der Gruppenphase verfallen sind, ist endlich vorbei, die männliche Woche bekommt wieder Struktur. Dienstag AC Milan gegen Tottenham und Valencia-Schalke, Mittwoch dann AS Rom gegen Donezk und der Kracher Arsenal gegen Barca (den überträgt Sat1).

Des weiteren läuft bis zum kommenden Sonntag die Alpine Ski-WM in Garmisch (Eurosport und ARD/ZDF übertragen).  Die Welsh Open im Snooker stehen an, Eurosport überträgt nachmittags und abends live. Am Sonnabend sendet Sport1 zwei FA-Cup Spiele, Chelsea-Everton und Sheffield-Birmingham, eine willkommene Abwechslung zum Bundesliga-Alltag, spät in der Nacht boxt Felix Sturm dann irgendein Fallobst auf Sat1.

Im Fernsehen ist – wie mittlerweile beinahe immer – ausgerechnet auf das ZDF Verlass. Montags um 22 Uhr 15 kann man den Sender beinahe blind einschalten, da läuft verlässlich gutes, spannendes Abenteuer-Kino, diese Woche „Auf Messers Schneide – Rivalen am Abgrund“ mit Alec Baldwin und Anthony Hopkins. Zwei Kerle müssen nach einem Flugzeugabsturz ums Überleben kämpfen, dass der eine den anderen verdächtigt, was mit seiner Frau zu haben, ist nicht unbedingt hilfreich. Sehr Spannend. Dienstag/Mittwoch/Donnerstag ist Fußball angesagt (Donnerstag Uefa-Cup in Sat1 ab 19 Uhr, erst Benfica-Stuttgart, danach Charkov-Legokusen. Wer aus unerfindlichen Gründen nicht Fußball gucken möchte, kann am Mittwoch den Louis-de-Funés-Film in Das Vierte einschalten, diesmal ist es Oscar, der Film, mit dem de Funés endgültig den Durchbruch schaffte, ein echter Brüller. Sollte irgendwer ihn noch nicht kennen: am Freitag, 20 Uhr 15, läuft auf Pro7 in der xten Wiederholung „The Transporter“. In knapp zwei Stunden gehen jede Menge Autos und Menschen zu Bruch, ohne das Jason Statham eine Miene verzieht. So soll’s doch sein, das macht Spaß.

Ab Donnerstag neu im Kino: 127 Hours von Danny Boyle (Slumdog Millionaire). Das ist die Verfilmung des Bestseller „Between a Rock and a Hard Place“ von Aron Ralston, der von Gentleman’s Quarterly 2003 zum „Mann des Jahres“ erklärt worden war. Ralston war auf einer Bergtour verunglückt und hatte sich den Arm eingeklemmt. Er konnte sich nur befreien, indem er sich selbst die Hand mit einem stumpfen Taschenmesser amputierte. Nichts für Männer mit schwachen Nerven und/oder Mägen. Sensible Naturen können sich ins Nachbarkino retten, wo „The King’s Speech“ läuft, großes, höchst amüsantes Historienkino mit Colin Firth.

Bei den DVD-Starts kommen Serien-Fans auf ihre Kosten, die mit einer verbogenen Büroklammer, einem halbleeren Streichholzbriefchen und einer leeren AAA-Batterie die Welt retten wollen: die siebte Staffel von MacGyver kommt raus.

Last Commander Standing in der Berliner UFA-Fabrik

Schließlich und endlich wende ich mich mit schamloser Schleichwerbung in eigener Sache an die Berliner unter unseren Lesern: wer auf straighten, überlauten Gitarren-Rock steht, sollte einen Besuch der UFA-Fabrik in Erwägung ziehen. Von Mittwoch bis Sonnabend läuft dort jeweils um 20 Uhr die Rockshow „Last Commander Standing“: Commander Jack Chickenhunter bringt den Rock’n Roll nach Berlin, fängt ein Verhältnis mit der goldenen Frau auf der Siegessäule an und lässt es gewaltig krachen. Buch und Regie der Show verantwortet der Schreiber dieser Zeilen, wünscht mir Glück. Ich wünsch euch viel Spaß und eine gute Woche!

Foto: Katharina Wieland Müller / pixelio.de

Links der Woche (5.2. bis 11.2.)

Jeden Freitag auf “Männer unter sich”: Links, die uns während der Woche untergekommen sind – Sport, Cartoons, Reportagen, Hintergründe zu unseren Artikeln usw. Männlicher Lesestoff zum Wochenende, viel Spaß!

Titanic auf Wasserstoff.
Die gezeichnete Kritik zu „Hindenburg“
(Dank an Carsten Sohn für den Hinweis)

Der  definitive Wahl-Werbespot: Heinz Strunk muss gewinnen!
Der Spot der „Partei“ auf youtube

Es lag am Espresso.
Inside Squadra Azzurra 2006

Matchbox war gestern.
Highend-Modellautos

Franz Brungs erinnert sich an ein überragendes Spiel.
BVB-Benfica 1963 (inkl. youtube-Video)

Das T-Shirt funktioniert!
Toller Cartoon, Wulffmorgenthaler in Hochform.

Das orangene Männlein

Das orangene Männlein„Kann ich Ihnen helfen?“

„Wäh? Hallo? Geht’s noch? Sie haben mich erschrocken! Wir sind hier in einem Baumarkt, Sie können mich doch nicht einfach ansprechen und mich fragen ob Sie mir helfen können, das ist absolut unüblich und überhaupt völlig pietätlos, wer hat Sie denn ausgebildet? Mensch, Sie müssen doch vor jedem potenziell fragenden Kunden wegrennen und sich verstecken – irgendwo zwischen engen Regalen, am besten in der Werkzeugecke, da ist normalerweise keiner, weil keiner mehr irgendwas alleine reparieren kann, außer Handwerker – und die fragen Sie nicht, weil die um Welten mehr Ahnung haben als Sie, sonst wären Sie ja der Handwerker und die da die Baumarktmitarbeiter, nein, in der Werkzeugecke sind Sie absolut sicher.

Und wenn Sie dann auf dem Weg zur Toilette oder in die Raucherecke doch mal jemand erwischt, der Sie was fragen will, dann müssen Sie ganz doll beschäftigt und wichtig tun, am besten haben Sie dazu immer ein paar Phantomakten in der Hand, irgendwelche abgelaufenen Bestellzettel, irgendeinen Holzkatalog oder meinetwegen Ihren Lottoschein oder Einkaufszettel, egal, Hauptsache Sie konzentrieren sich ganz auf das was Sie in der Hand haben so dass Sie diesem Schlumpf, der da was wissen will, das erniedrigende Gefühl geben, dass er eine wichtige Amtshandlung stört. Oder rennen Sie einfach weiter und lassen den Schlumpf hinter sich her rennen und seine Fragen hinter Ihnen her hecheln während Sie die Zahlen Ihres Zettels mit denen auf den Regalen vergleichen – er darf auf keinen Fall das Gefühl bekommen, dass er wichtiger ist als das was Sie gerade vortäuschen zu tun.

Nee, bah, nicht mal ein halbes Ohr würde ich so einem Schmock leihen geschweige denn irgendwie auf seinen Mist antworten – lieber immer wegschicken, irgendwohin in die Sanitärabteilung oder ins Gartencenter, wo eh nie einer ist, aber egal, einfach behaupten, dass da einer ist, der sich garantiert damit auskennt und dann schnell wieder ab in die Werkzeugecke oder überhaupt irgendwohin, wo man nicht gesehen wird von diesen Clowns, die immer so viel sinnlosen Blödsinn wissen wollen und den Hals nie voll genug kriegen.

Und wenn Sie irgendwann dann doch mal nicht mehr ausweichen können weil alle Fluchtwege schon mit anderen potenziell fragenden Bittstellern blockiert sind, dann stöhnen Sie ganz laut und möglichst resigniert auf und erklären dem erstbesten Clown, dass sein Begehr – egal was es ist – völlig unüblich ist und das was er will, kaum noch so irgendwo verwendet wird, höchstens irgendwo in den Karpaten, Aserbaidschan oder Nordkorea – egal, jedenfalls gibt es sowas hier nicht und kommt auch nicht mehr rein.

Und hat er irgendwas in der Hand und will es erklärt haben, dann lesen Sie maximal die Packungsaufschrift laut vor, dann kommt er sich blöd vor weil jeder denkt, dass er nicht lesen kann. Und dann zeigen Sie unvermittelt auf irgendein Regal, murmeln etwas Unverständliches, drücken ihm seine Packung wieder in die Hand, nutzen seine Verwirrung und rennen weg – in die Werkzeugecke. So geht das. Das ist Guerillataktik, wir sind hier im Krieg. Kapischi?“

„Huch, lassen Sie mich raten: Sie arbeiten bei Obi. “

„Das hat dir der Teufel gesagt, das hat dir der Teufel gesagt“ schrie das orangene Männlein, und stieß mit dem rechten Fuß vor Zorn so tief in die Erde dass es bis an den Leib hineinfuhr, dann packte es in seiner Wut den linken Fuß mit beiden Händen, und riss sich selbst mitten entzwei.

Foto: Stephanie Hofschlaeger / pixelio.de

Die Beiträge von mike-o-rama erscheinen auch bei qype.

Was liegt an? – 7.2. bis 13.2.2011

Was nächste Woche auf uns zukommt.

Länderspielwoche. Okay, ein Freundschaftsspiel, da agiert die aktuelle Spielergeneration gern ein wenig unenthusiastisch, also sollte man vom Mittwochabend nicht zuviel erwarten. Auch wenn es gegen Italien geht. Immerhin im Westfalenstadion. Da trafen beide Mannschaften ja vor viereinhalb Jahren zum letzten Mal aufeinander. Mit bekanntem Ergebnis. Ich frag mich immer noch, was gewesen wäre, wenn der Olli statt dem Jens… Der Olli hätte das Einsnull gehalten, da bin ich mit sehr sicher. Naja, ist viereinhalb Jahre her. Man kann ja mal reinschauen, auch wenn’s nur ein Freundschaftsspiel ist.

Wobei Mittwoch tatsächlich der einzige Abend ist, an dem sich das Einschalten des Fernsehers auch ohne Fußball lohnt: Um 20 Uhr 15 bringt Das Vierte „Die Abenteuer des Rabbi Jacob“, einen der besten Louis-de-Funes-Filme überhaupt, und um 22 Uhr 15 sendet Tele 5 einen schönen, alten Jackie Chan: „Sie nannten ihn Knochenbrecher“, den ersten Film der Drunken-Master-Serie, ein herrlich unernster Prügelquatsch.

Am Donnerstag kommt eine schöne Horrorfilm-Parodie ins Kino: „Tucker & Dale vs. Evil“. Feierwütige Studenten treffen auf Hinterwäldler, das Übliche, aber dieser Film arbeitet mit umgekehrten Vorzeichen: diesmal sind die Studenten die neurotischen Killer. Hübsch gemacht, stellenweise sehr komisch, aber letztlich wohl doch eher was für Kenner des Genres, die die zahllosen Zitate einordnen können.

Auf DVD kommt „Themba“ heraus, ein in Südafrika verortetes Melodrama mit Fußballhintergrund. Kindesmißbrauch, Gewalt, Vergewaltigung, Prostitution, AIDS, und dann auch noch Jens Lehmann als Trainer… da kommt’s wirklich knüppeldick.

Sportlich ist außer Länderspiel und Bundesliga-Routine einiges los, morgen beginnt die Alpine Ski-WM in Garmisch, Übertragungen auf ARD/ZDF/ Eurosport bis zum 20. Februar. Am Freitag überträgt Sport1 Eishockey, das Slovakia-Cup-Spiel Deutschland-Slowakei, und Sonnabend kann man ebenfalls auf Sport1 Rugby gucken, Six Nations Cup, Italien-England. Viel Spaß!

„Was liegt an“ ist die montäglich erscheinende Wochenvorschau von „Männer unter sich“. Was Männer in den nächsten 7 Tagen interessieren könnte in total subjektiver Auswahl: TV, Sport, Kino, Musik, DVD, Events, was eben anliegt. Haben wir was vergessen? Sollen wir auf was hinweisen? Jederzeit gern, bitte die Kommentare benutzen oder unsere Mailadresse redaktion@maenneruntersich.de .

Foto: Katharina Wieland Müller / pixelio.de

Links der Woche (29.1. bis 4.2.)

Ab sofort jeden Freitag auf „Männer unter sich“: Links, die uns während der Woche untergekommen sind – Sport, Cartoons, Reportagen, Hintergründe zu unseren Artikeln usw. Männlicher Lesestoff zum Wochenende, viel Spaß!

Testfahrt mit einem Eishobel.
Eishobel im Test: Schlitterfahrt mit Monstrum -SPIEGEL ONLINE – Nachrichten – Auto

Wenn man Durst hat, kommt man auf die merkwürdigsten Ideen.
Notruf-Missbrauch: Betrunkener löst wegen vermisster Biervorräte Alarm aus -SPIEGEL ONLINE – Nachrichten – Panorama

Youtube-Video: Mit dem Porsche 956 über die Nordschleife des Nürburgring.Derek Bell in car Porsche 956 at Nordschleife

Leben in der 1. Klasse.
Die First-Class-Passenger-Lounges der Fluglinien

Das glaub ich nicht!
Die Mona Lisa war ein schwuler Kerl?

Eine elektrische Eisenbahn, die auf Stelzen durchs Meer fährt? Die gab’s wirklich!
Brighton-Rottingdean Seashore Electric Railway

Cartoon: Batman als Frau. Brüller.
If Batman had been a woman

Angst fressen Kinder auf

Die guten, alten Werte...

„Konsequente Erziehung“ nennt sich das, was derzeit in den Leserbriefspalten der Zeitungen laut und heftig diskutiert wird. Um zwei Frauen dreht sich die Debatte, die eine hat ein Buch geschrieben, die andere will es möglicherweise noch tun. Amy Chua hat mit „Die Mutter des Erfolgs: Wie ich meinen Kindern das Siegen beibrachte“ in den USA einen Bestseller gelandet, und da die Feuilletons derzeit diesen Schinken zum Tagesgespräch hochschreiben, werden auch wir uns demnächst die Köpfe heiß reden, ob es richtig ist, die eigenen Sprößlinge mit Druck und Drill dazu zu bringen, dass sie das Leistungsprinzip verinnerlichen.
In eine ähnliche Kerbe haut die Berliner Grundschullehrerin Ursula Sarrazin, die ins Gerede kam, weil sie in ihren Klassen strenge Regeln aufstellte und dieselben auch konsequent durchsetzte. Wie weit diese Konsequenz ging, darüber wird gestritten: hat sie einem Schüler nun mit der Blockflöte den Scheitel nachgezogen oder nicht? Hat sie ihre Klassen regelmäßig angebrüllt oder nicht? Auch diese Diskussionen werden uns eine ganze Weile lang begleiten, was höchst überflüssig ist, denn die Erziehung mit Strenge, Druck und Drill ist ein uralter Hut.
Ich selbst bin noch in den höchst zweifelhaften Genuss dieser Erziehung gekommen. Als ich vor etwas mehr als 40 Jahren in das Gymnasium der Kleinstadt, in der ich aufgewachsen bin, eingeschult wurde, gab es eine schöne Feierstunde in der Aula. Der Direktor hielt eine Ansprache, der Schulchor sang etwas erbauliches, und dann führte uns unser Klassenlehrer in den Klassenraum. Als wir uns in die Bänke gesetzt hatten (ja, es gab an dieser Lehranstalt noch Schulbänke), sagte er: „Liebe Jungen, herzlich willkommen im Gymnasium. Damit wir uns gleich richtig verstehen: in drei Jahren geht die Hälfte von euch auf die Realschule. Und bis zum Abitur schaffen es höchstens zehn Prozent.“
Er hatte vollkommen recht. Drei Jahre später waren aus den dreißig Jungens, die sich da großäugig in die Bänke der Sexta gezwängt hatten, noch fünfzehn übrig. Und von den fünfzehn machten am Ende tatsächlich nur vier das Abitur.
Strenge Regeln, unerbittliche Konsequenz und stetiger Druck war in den 9 Jahren bis zum Abitur für mich etwas vollkommen Normales, das gehörte zur Schule eben dazu. Das noch etwas dazugehörte, realisierte ich erst zwanzig Jahre später.
Anlässlich eines Klassentreffens hatte uns unser letzter Klassenlehrer, der mittlerweile der Direktor des Gymnasiums geworden war, in unsere alte Schule eingeladen. Ich betrat das finstere Gemäuer zum ersten Mal seit meiner Schulzeit wieder, und kaum war ich drin, wollte ich auch schon wieder raus. Dieser altvertraute, ekelerregende Schulgeruch löste einen derart intensiven Fluchtreflex in mir aus, wie ich ihn gar nicht kannte, ich wäre am liebsten sofort wieder hinausgerannt. Wonach roch das bloß? Klar, Kinderschweiß, irgendwelches Reinigungszeug, Staub und… Angst. Die ganze Schule roch nach Angst, und ich merkte, dass Angst neun Jahre lang der Motor gewesen war, der mich in der Schule auf Trab gehalten hatte. Wenn du Angst vor dem Versagen hast, erträgst du jede Menge Druck. Wenn du Angst vor Strafe hast, hältst du auch noch die idiotischste Regel ein. Angst ist die Basis des Erziehungssystems, dass Mrs. Chua und Frau Sarrazin propagieren.
Und dieses System funktioniert nicht einmal. All das, was die strengen Schleifer im Gymnasium versucht haben, in mich hinein zu bläuen, habe ich längst wieder vergessen. An ihren strengen Regelkanon, der einer total verengten Weltsicht entsprungen war, habe ich keinen Gedanken mehr verschwendet, seit ich die Schule verlassen habe. Geblieben sind mir nur die Dinge, die mir drei, vier Lehrer vermittelt haben, die uns eben keine Angst einzujagen versuchten, sondern die uns wie vernunftbegabte Lebewesen behandelten und versuchten, unser Interesse zu wecken. Diese Menschen behalte ich noch heute in dankbarer Erinnerung.
Die anderen hingegen… Und diejenigen, die heutzutage diesen vorgestrigen Erziehungsmethoden das Wort reden… Nun ja, wer einem Kind Angst einjagt, damit es ein besserer, leistungsfähigerer Mensch wird, ist kein verantwortungsbewusster Erzieher, sondern ein dummes Arschloch.

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