Die Bundestrainer (8): Joachim Löw

Foto: Steindy (Diskussion) 10:00, 27 June 2011 (UTC) (Eigenes Werk) [CC-BY-SA-3.0-2.5-2.0-1.0], via Wikimedia Commons

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Seit der letzten EM steht Bundestrainer Joachim Löw in der Diskussion, die seit dem Algerienspiel bei der WM durchaus heftig wird. Löws taktische Ideen und sein In-Game-Coaching werden sehr unterschiedlich bewertet. Anlass für mich, den Vergleich zu den anderen Bundestrainern, die ich (ich bin Fan der Nationalmannschaft seit 1965)erlebt habe, zu ziehen und eine kleine Serie über die deutschen Bundestrainer zu schreiben. Heute ist Jürgen Klinsmann dran.

Um Jogi Löw als Bundestrainer richtig einordnen zu können, müssen wir zunächst die persönliche Tragik Franz Beckenbauers ins Spiel bringen. Wie jetzt? Tragik bei der Lichtgestalt? Doch, doch…

Beckenbauer war der bei weitem beste deutsche Fußballspieler aller Zeiten (ich kann das ziemlich gut beurteilen, ich habe ihn von 75 bis 77 so alle zwei Wochen spielen sehen), der war in einer Gewichtsklasse mit Pelé, George Best, Maradona, also einer von den Außerirdischen. Doch weder als Spieler noch als Trainer hat Beckenbauer je einen Zugang zur Schönheit des Spiels gefunden, das er selber in Perfektion beherrschte. Beckenbauers Spiel und seine Philosophie waren schon immer von Zweckdenken geprägt. Spätestens  ab der WM 74, wo die Nationalmannschaft mit ihm als Kapitän die Abkehr vom schönen Spiel der 72er Europameisterschaft vollzog, regierte bei ihm der nackte, reine Pragmatismus, vermutlich, weil der es ihm ermöglichte, fußballerischen Erfolg so weit wie möglich planbar zu gestalten, insbesondere mit Spielern, die deutlich weniger talentiert waren als er selbst. Irgendwann während oder nach seiner Zeit als Bundestrainer sagte er einmal (ich zitiere sinngemäß): »Der Deutsche KANN gar nicht so spielen wie der Brasilianer. Dafür hat er andere Tugenden.« Der größte Fußball-Ästhet, den Deutschland je hervorgebracht hat, verklärt den kampforientierten Zweckfußball zur Tugend. Wenn das keine Tragik ist…

Joachim Löw ist die Trainer gewordene Anti-These zu Beckenbauers Credo. Löw glaubt an die Möglichkeit, Fußball gleichzeitig schön und erfolgreich zu spielen. Und er hat bewiesen, dass das geht: Die WM2014 ist sein 4. Turnier als hauptamtlicher Trainer, zweimal hat er das Halbfinale erreicht, zweimal das Finale. Jede andere Nation (außer vielleicht Spanien mit seiner Platin-Generation) würde für einen derartigen Score töten.

Und noch mit einem anderen in Stein gemeißelten Vorurteil hat Löw aufgeräumt: Er ist der erste Trainer, der ein spielerisches Konzept für die Nationalmannschaft vorgegeben und jahrelang daran gearbeitet hat, dieses Konzept einer Mannschaft, die Fußball spielt und nicht arbeitet, zu realisieren. Vor Klinsmann, als dessen Co-Trainer Löw begonnnen hat, für den DFB zu arbeiten, galt das schlichtweg als unmöglich. Nationalmannschaften können keinen solchen Konzept-Fußball spielen, hieß es, dazu reicht die Zeit nicht aus, die dem Trainer mit den Spielern zur Verfügung steht. Nun, Löw ist es gelungen, einen eigenen, höchst attraktiven Stil zu entwickeln, den die Mannschaft seit 2010 bei großen Turnieren und bei Freundschaftsspielen – von einigen schmerzlichen Rückschlägen abgesehen – erfolgreich spielt.

Und mit diesem Stil hat Löw gleichzeitig einen weltweiten Imagewandel der Nationalelf herbeigeführt, den ich nie für möglich gehalten hätte. Früher hat man den Kopf über die sturen »German Panzers« geschüttelt, die rennen, kämpfen und meist darauf aus waren, das Spiel höherklassiger Mannschaften mit einfachen Mitteln zu zerstören. Das hat sich grundlegend geändert: früher wurden die Deutschen trotz ihres Spiels bewundert, jetzt wegen ihm. Das ist Löws Verdienst, und damit ist er für mich einer der besten Bundestrainer wenn nicht der beste überhaupt. Unabhängig davon, wie morgen das Finale ausgeht. Ergebnisorientiert denkende Pragmatiker (wie z. B. Beckenbauer) mögen das anders sehen, das ist mir mumpe. Aber sowas von.

Ich hätte das ganze auch kürzer fassen können. Wesentlich kürzer. Zwei Worte hätten auch genügt: Belo Horizonte. Mit welchem anderen Trainer hätte es Belo Horizonte geben können?

Die anderen Folgen unserer Serie finden sich hier.

 

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