Tour de France 2012 – 3. Etappe

Unser Tour-Tagebuch zur 99. Auflage der Grande Boucle erscheint renntäglich auf “Männer unter sich”. Ein kurzer Kommentar zur bevorstehenden Etappe, das Profil, Team-Check und Plat du Jour, unser Tagesgericht. Das sind unsere Rubriken.

Die Tour de France erreicht das Mutterland. Los geht’s heute in Orchies. Sektor 12 von Paris – Roubaix, der nördlich des Ortes liegt, wird allerdings nicht überquert.

Sag einer, dass die Tour de France nicht auch einen Bildungsauftrag erfüllt! Denn die Orchésiener, von ihren Nachbarn liebevoll Pourchiaux  – Ferkel genannt, haben sich mit der Produktion von Muckefuck in der Welt einen Namen gemacht. Das Museum im Maison Leroux zeugt davon mit einer Sammlung von Gerätschaften aus dem 19. und frühen 20. Jahrhundert, die man zum Anbau von einem speziellen Chicorée benutzt hat, der noch heute zu Malzkaffee verarbeitet wird.

In Belgien und vor allem in Nordfrankreich ist das Zeug der Renner. Sie setzen es einem schon zum Frühstück vor die Nase. Ja, ja, so sind sie im Norden. Eingetunkt wird dann Brot, das mit einem stinkenden Rotschimmelkäse belegt ist, dem Maroilles. Und das am frühen Morgen. Sie machen es einfach.

Derart gestärkt geht es auf die heutige Etappe. Bis es bei Kilometer 95 lecker Mittagessen gibt. Zunächst ist das Land platt wie ziwschen Leer und Aurich – dann wird es allerdings schaurig. Sechs Anstiege. Vier davon auf den letzten 15 Kilometern. Der schwierigste Berg ist der Vorletzte, der Mont Lambert – dritte Kategorie. Hier kommen die klassischen Sprinter nicht mehr rüber. In Boulogne geht es dann zum Ziel noch einmal bergan.

Boulogne-sur-mer ist heute zum vierten Mal Etappenziel der Tour de France. Auf der 1. Etappe 2001 fuhr hier Erik Zabel als Sieger über die Ziellinie. Im Grünen Trikot gab Ete dann zu Protokoll, dass er noch nie so früh im Tourverlauf das Jersey des Punktbesten geholt habe. Ansonsten steht Boulogne  in der Tourgeschichte für Pleiten, Pech und Knochenbrüch.

Einmalig in der Geschichte der Tour de France: Das Gelbe Trikot wurde vergessen.

Es war die 3. Etappe der Tour de France 1949 von Brüssel nach Boulogne. Der Belgier Norbert Callens hatte sich mit einer Gruppe vom Feld absetzen können. Rauf auf die Düne von Boulogne hatte er die größten Kraftsreserven. Er gewann nicht nur die Etappe, sondern hätte auch das Gelbe Trikot übernommen. Hätte. Denn sein Pfleger hatte versäumt, den Sieg seines Schützlings bei der Trikot-Ausgabe anzumelden. Der Lkw-Fahrer hatte sich daher kurzerhand auf den Weg gemacht – nach Rouen zum nächsten Etappenziel.

So stand der arme Callens im Espace Maillot Jaune ohne Trikot da. Albert Van Laethem, der Brüsseler Journalist und Erfinder des 1936 gegründeten Flèche Wallonne, bot Callens seinen gelben Pulli an. Den wollte er aber nicht als Ersatz. Und so musste er im normalen Dress am Folgetag den Fischereihafen an de Côte d’Opale verlassen.

45 Jahre später, 1994m, war die Tour erneut zu Gast in Boulogne und die ASO wollte Versäumtes nachholen. Callens wurde eingeladen und bekam sein Gelbes Trikot. Richtig freuen konnte sich an diesem Tag allerdings niemand, denn die Ankunft der in Roubaix gestartete Etappe war überschattet von einem Sturz am Vortag. Dass Olaf Ludwig in Boulogne um Reifenbreite Jean-Paul van Poppel unterlag, verkam praktisch zur Randnotiz.

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Video-Link: http://youtu.be/J_OxZa_8CK4

Laurent Jalabert war auf Wilfried Nelissen aufgefahren, der einen fotografierenden Polizisten bei Tempo 70 ins Bein gefahren war. Der Polizist befand sich innerhalb der Bande und wollte einen Schritt vor gehen, um besser knipsen zu können. Ergebnis: Beinbruch und Jaja schwor dem Sprintergeschäft ab. Nach zwei Grünen Trikots (‘92 und ‘95) sattelte er auf Bergfahrer um und holte 2001 und 2002 das Polka-Jersey.

Fakten:
Orchies – Boulogne-sur-mer. Länge: 197 Kilometer. Profil: Hüglig. Vier Bergwertungen der 4. Kategorie. Zwei Bergwertungen der 3. Kategorie. Sieger: Sylvain Chavanel ist hier 2011 Straßenmeister geworden. Er kennt das zähe Ende also bestens.

Profil 3. Etappe

Team-Check: BMC
Operation Gelb. Cadel Evans soll es noch einmal schaffen – allein mir fehlt der Glaube. Sicherlich, Geld spielt keine Rolle.

Cadel Evans beim Prolog 2012 in Lüttich

Eingekauft wurde was Rang und Namen hat. Thor Hushovd, der Norweger. Sowieso keine Hilfe in den Bergen und nicht dabei, weil krank. Philippe Gilbert. Top-Fahrer. Von dem haben wir in dieser Saison noch nicht sooo viel gesehen – aber er ist unter den Top-Ten. Tejay van Garderen, der Amerikaner, der könnte es natürlich richten. Derzeit bester Jungprofi bei der Tour. Platz 4 im Gesamtklassement. George Hincapie als Routinier ist auch dabei. Sie sind alles andere als schlecht besetzt – allein mir fehlt der Glaube.

 

 

Plat du Jour: Gratin d’endives – Chicorée-Gratin
Chicorée der Länge nach halbieren. Dann Zucker in die Pfanne streuen. Der Chicorée soll so eine schöne braune Schicht bekommen. Reichlich Butter dazu. Ab in eine Gratinform. Sahne in die Pfanne. Nicht verraten: Löffelchen Brühe aus dem Glas dazu. Dicklich einkochen und über den Chicorée kippen. Scheibchen vom Maroilles drüber legen und im Ofen schön goldbraun gratinieren. Wer mag, gibt vor dem Überbacken noch Streifchen vom gekochten Schinken in die Form.

Foto Zichorie vin Alvesgaspar (Travail personnel) [GFDL, CC-BY-SA-3.0  ou CC-BY-2.5, via Wikimedia Commons
Foto Basilika von Marc Ryckaert (MJJR) (Eigenes Werk) [CC-BY-3.0.], via Wikimedia Commons 
Profil By Yves (Own work) [CC-BY-SA-3.0], via Wikimedia Commons
Foto Cadel Evans: Carsten Sohn, alle Rechte vorbehalten

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