Klaus-Peter Wolf „schrieb zahlreiche Hörspiele, Theaterstücke und mehr als 20 Bücher, die in Millionenauflage erschienen sind.“ (Galgenberg Verlag 1990) – „Bislang sind seine Bücher in 24 Sprachen übersetzt und über neun Millionen Mal verkauft worden. Mehr als 60 seiner Drehbücher wurden verfilmt, darunter viele für ´Tatort´ und ´Polizeiruf 110´.“ (Fischer Taschenbuch Verlag 2014)
Sein neuestes Buch ist „Ostfriesenfeuer“ (ISBN 978-3-569-19043-0). Richard Albrecht hat’s gelesen…
I.
OSTFRIESENFEUER ist der Titel des achten Ostfriesenkrimi des Berufsautors Klaus-Peter Wolf (*1954). Das Taschenbuch erschien am 20. Februar 2014 im Frankfurter Fischer Taschenbuch Verlag. Und könnte für mich Anlaß sein, die letzten dreißig Jahre deutscher Krimi-Entwicklung kritisch aufzuarbeiten. Das freilich lass´ ich hier besser mal (auch um den Rahmen nicht zu sprengen) zugunsten einiger Hinweise auf das von mir bisher gelesene halbe Dutzend Bücher von Klaus-Peter Wolf.
Den Autor Klaus-Peter Wolf erinnere ich seit Mitte der 1970er Jahre: 1976 las ich sowohl seine Kurzerzählungen, darunter den handlungsbezogen Schulklassentext Rache für Boris, als auch seinen zunächst in Fortsetzungen in der damaligen DKP-Tageszeitung unsere zeit gedruckten Zeitroman Die Fliegen kommen als Geschichte eines Ökologieskandals. Drei weitere Romane Wolfs las ich in den 1980er Jahren: die sprachlich wenig durchgearbeitete, Gegenwartsroman genannte, satirische Erzählung des märchenhaften Aufstieg eines Reklamemanagers in einem Kaufhauskonzern; den Aussteiger-, Road- und Liebesroman Biscaya; Wolfs männersexkritischen Roman Traumfrau; und Ende 2013 las ich, als sechsten Reihenband, OSTFRIESENANGST (2012).
Wolfs Romantexte bewerte ich als Versuch, lebbare Lebensgefühle authentisch und sprachlich verdichtet zu vermitteln. Das kann der Autor, dem diese Fähigkeiten noch 1989 abgesprochen wurde („Die Charakterschilderungen wirken oftmals peinlich“; „Mary. Die Figur bleibt blaß und papiern“) inzwischen nicht nur professionell, routiniert, gekonnt und ohne mit „wo“ beginnende Relativsätze – etwa wenn er gegen ein bundesweit verbreitetes Stereotyp („In Aurich iss´ traurig / In Leer noch mehr“) einen ostfriesischen Ort an der Nordsee kennzeichnet als einen, „an dem die Alltagssorgen sich in Luft auflösen.“
II.
Im neuen Krimi OSTFRIESENFEUER, einem mit 500 Druckseiten so langen wie mit 460 Gramm so gewichtigen Taschenbuch, geht´s um eine aparte Täter-Opfer-Ermittler-Reise in den Ostfriesland genannten ganzdeutschen Norden des ersten Drittels der Zehnerjahre. Als Konstante wirken fiktive Kripoleute der realen Polizeinspektion Aurich: die BKA-umworbene Serienmordspezialistin Hauptkommissarin Ann Kathrin Klaasen, ihr (neuer Ehe-) Mann Kommissar Weller, ihr Chef Kriminaldirektor Ubbo Heide, ihr (als frauenfeindlich-verklemmte Männerkarikatur präsentierter) Kollege Rupert sowie ihr lokaljournalistischer Hausfreund Holger Bloem. Variabel ist alles, was den fiktiven Fall, der diesmal mit einer am Hochzeitstag von Klaasen und Weller im Osterfeuer verbrannten männlichen Leiche beginnt, ausmacht, Aspekte einer öffentlichen Inszenierung als Hexenverbrennung eingeschlossen. Wie beim Autor üblich wird unterhaltungsliterarisch unter Einvernahme diverser Spannungsbögen linear erzählt und auch was Vorlieben und Optionen des Autors für deutschsprachige (Krimi-) Autoren betrifft aus dem Nähkästchen geplaudert (etwa durch Hinweise auf historische Romane des Kölner Autors Tilman Röhrig).
Auch im achten Ostfriesenkrimi geht´s im Hauptgeschehen um einen intelligenten Kriminellen als Täter und Rächer und die Detektionsarbeit der Verfolgergruppe. Dazu gibt’s verschiedene, mit dem nach Messerstichen schwerverletzten Kriminaldirektor beginnende, Parallelhandlungen. Erzählt wird unterhaltsam mit Episoden, Überraschungen (wie dem auf Mallorca Popstarautogramme auf Frauentitten schreibenden Hauptkommissar Rupert), Wortwitz (als Antwort auf „wir sind längst über alle Berge“): „Hier sind keine Berge. Hier ist Ostfriesland“ und Kaulauern: als Ausdruck der „tiefen Verbundenheit zu Köln“ wurde am Rechner „die Alt-Taste gegen eine Kölsch-Taste ausgewechselt.“ Und so mag sich denn wer´s mag flott durch die fünfhundert Seiten unterhaltsame Krimiaufklärung aus, von und im Ostfriesland der frühen ganzdeutschen Zehnerjahre lesen …
III.
Bleibt noch etwas (mit meinen Mitteln nicht Aufklärbares) fragend anzusprechen: Auf der Autorennetzseite finden sich fürs laufende Jahr 2014 drei Seminarangebote: Im Februar Die Worte zu Papier gebracht – Autorenwerkstatt, im August Das Talent begleitet den Lebensweg – Schreibwerkstatt und im September Figurenentwicklung (und Dialoge). Zum ersten Seminar im Europahaus Aurich heißt es: „Gebühr auf Anfrage“; zum zweiten in der Evangelische Landjugendakademie Altenkirchen/Westerwald: „Kosten: 220,00 EUR“; zum dritten im Drehbuchcamp: „Teilnehmerzahl: min. 6, max. 10, Trainer: Klaus-Peter Wolf. Kosten: EUR 495.“ (http://www.klauspeterwolf.de/seminare.html)
Da muss nicht nur der sprichwörtliche Arme Schlucker schlucken – zumal Wolfs „Ostfrieslandkrimis mit einer Gesamtauflage von über einer Million ein großer wie überraschender Erfolg“ (so Lars Schafft im Nachwort zu OSTFRIESENFEUER) und (so die letzterschienene Ausgabe von Ostfrieslandkrimis) „längst zu einem Wirtschaftfaktor für ganz Ostfriesland geworden“ sind.
Klaus-Peter Wolf also auf dem bekannten politischen Schröderfischer-Pfad wie Bastagerd und Joseph-vom-Stamme-Nimm von links unten nach rechts oben? Oder geht´s wie üblich nur um business-as-usual entwickelter kapitalistischer Markt- und Machtwirtschaft, in dem jeder, der´s kann, im Sinne von nach-mir-die-Sintflut rasch noch mitnimmt, was er auch immer kriegen kann?
Lesehinweise:
-Richard Albrecht, Literatur/Waren/Produktion, in: die horen, 116/1979: 127-138
-Literarische Unterhaltung als politische Aufklärung: Der neue deutsche Kriminalroman in der Bundesrepublik Deutschland der siebziger Jahre – ein literaturgesellschaftlicher Nekrolog; in: Recherches Germaniques, 14/1984: 119-143
-Ostfrieslandkrimis, 1/2013: 1; http://www.klauspeterwolf.de/public/files/krimi-zeitung-jahrgang-5-s1.pdf
-Claudia Schmidt, Suche Vagina mit servilem Drumherum; in: UZ MAGAZIN LITERATUR, Oktober 1989: XLVI
-Klaus-Peter Wolf, VERSUCHE AUFRECHTZUGEHEN. Leverkusen: Literarischer Verlag Helmut Braun, 1976, 87 p. [= Literarischer Nachwuchs 3]
-Die Fliegen kommen. Roman. Leverkusen: Literarischer Verlag Helmut Braun, 1976, 216 p.
-Das Werden des jungen Leiters. Ein Gegenwartsroman. Frankfurt/Main; Büchergilde Gutenberg, 1986, 270 p.
-Traumfrau. Roman. Hamburg: Galgenberg, 1989, 256 p.
-Vielleicht gibt´s die Biscaya gar nicht. Roman. Hamburg: Galgenberg, 1990, 308 p.
-OSTFRIESENKILLER (2007); OSTFRIESENBLUT (2008); OSTFRIESENGRAB (2009); OSTFRIESENSÜNDE (2010); OSTFRIESENFALLE (2011); OSTFRIESENANGST (2012); OSTFRIESENMOOR (2013); OSTFRIESENFEUER (2014); OSTFRIESENWUT (geplanter Erscheinungstermin 15.3.2015). Frankfurt/Main: Fischer Taschenbuch Verlag
-http://www.klauspeterwolf.de/seminare.html
Richard Albrecht ist Sozialwissenschaftler (Diplom, Promotion, Habilitation) und lebt seit seiner Beurlaubung als Privatdozent 1989 als unabhängiger Wissenschaftsjournalist, Editor und Autor in Bad Münstereifel. 1991 Veröffentlichung des Forschungsansatzes THE UTOPIAN PARADIGM. 1994/97 Redaktionsleier der Carl-Zuckmayer-Blätter und Hg. Theater- und Kulturwissenschaftliche Studien. 2002/07 Hg. des Netzmagazins rechtskultur.de. 2005/10 Forschungen zum ARMENOZID als erstem Völkermord im 20. Jahrhundert. 2011 erschien Richard Albrechts bisher letzte Buchveröffentlichung HELDENTOD. Kurze Texte aus Langen Jahren. Bio-Bibliographie http://wissenschaftsakademie.net e-Postadresse eingreifendes.denken(at)gmx.net
Ich verstehe den Hinweis auf die Workshops/Seminare nicht, der im Übrigen für mich auch nichts, aber auch gar nichts mit der Rezension eines Buches zu tun hat.
Was ist daran verwerflich, wenn ein Autor etwas dazuverdient; ein Autor, der mit seinen Büchern meist deutlich weniger verdient, als Klein-Fritzchen (Klein-Richard) sich das vorstellt, nämlich zwischen 3 und 5 % vom Verkaufspreis eines Taschenbuchs bzw. 8-10 % vom Verkaufspreis eines Hardcover-Buches? Bei einer Millionenauflage und einem Durchschnittspreis von 10 Euro pro Taschenbuch ergibt das die schwindelerregende Summe von 500 000 Euro, für die der fleißige Autor, wie Richard Albrecht selbst schreibt, seit 1976 fleißig gearbeitet hat. Donnawetta! Da hat der Junge also in fast 40 Jahren eine Million Bücher verkauft, und Richard Albrecht schämt sich nicht, ihn mit Gerhard Schröder und Co. zu vergleichen. Pfui, Herr Albrecht!
Und was ist daran verwerflich, wenn der Autor sein Wissen weitergibt? Wenn er also weder mit Waffen- oder Drogenhandel noch mit Zuhälterei oder Auftragsmorden seine im Regelfall einmal jährlich (!) ausgezahlten Tantiemen aufstockt, sondern dadurch, dass er einen Teil seiner Lebenszeit mit Leuten verbringt, die von ihm etwas lernen wollen?
Hier zeigt sich, dass Herr Albrecht nicht nur schlecht rechnen, sondern auch schlecht recherchieren kann. Da ich selbst als Autorin arbeite und viele Kontakte zu Kollegen habe, weiß ich, dass sich die hier erwähnten Teilnahmegebühren sogar im unteren Bereich bewegen, nämlich bei Stundenhonoraren zwischen 25 und 50 Euro, die Vorbereitungszeit, die Reisezeit und das abendliche Rumsitzen mit den Teilnehmern nicht mitgerechnet. Zum Vergleich empfehle ich, mal die üblichen Stundensätze für Rechtsanwälte, Ärzte, Mechatroniker und Malermeister aufzurufen. Wolf damit in eine Schublade mit gewissen Expolitikern zu stecken – das ist sowohl inhaltlich wie auch finanziell vollkommen deplatziert und in meinen Augen richtig unanständig.
Die Ansicht, die Richard Albrecht hier vertritt, mutet mich an wie ein Relikt aus der Gründerzeit, als über die „Gartenlaube“ und andere Medien ein schon damals vollkommen unrealistisches, romantisierendes Bild vom armen Künstler in seinem Kämmerlein verbreitet wurde. Aber so war es nie und so ist es nicht. Willkommen im richtigen Leben, Herr Albrecht!
Kleine Anmerkung: Ich bin zwar Autorin und Journalistin, also Künstlerin, aber ich kann gut rechnen. Herr Albrecht kann sich gern bei mir melden. Ich bin bereit, ihm ein Einzelcoaching zu geben. Teilnahmegebühr: ab 200 Euro zzgl. MWSt. für 4 Stunden Intensivkurs in Berlin. Dann verrate ich ihm auch, wie hoch das Durchschnittseinkommen von Herrn Wolf in den letzten 37 Jahren war.
@ Frau Sikorsky
Mit empörten Reaktionen hab´ ich gerechnet (wenn auch nicht von Ihnen). Wie abgesprochen äußere ich mich als Autor wenn´s hier zu ´ner Debatte kommt abschließend und zusammenfassend in Form eines Schlußworts. Wobei Sie in einem irren: ich hab niemanden verdammt, sondern im Ausblick diese Doppelfrage gestellt:
„Bleibt noch etwas (mit meinen Mitteln nicht Aufklärbares) fragend anzusprechen: Auf der Autorennetzseite finden sich fürs laufende Jahr 2014 drei Seminarangebote: Im Februar Die Worte zu Papier gebracht – Autorenwerkstatt, im August Das Talent begleitet den Lebensweg – Schreibwerkstatt und im September Figurenentwicklung (und Dialoge). Zum ersten Seminar im Europahaus Aurich heißt es: „Gebühr auf Anfrage“; zum zweiten in der Evangelische Landjugendakademie Altenkirchen/Westerwald: „Kosten: 220,00 EUR“; zum dritten im Drehbuchcamp: „Teilnehmerzahl: min. 6, max. 10, Trainer: Klaus-Peter Wolf. Kosten: EUR 495.“ (http://www.klauspeterwolf.de/seminare.html)
Da muss nicht nur der sprichwörtliche Arme Schlucker schlucken – zumal Wolfs „Ostfrieslandkrimis mit einer Gesamtauflage von über einer Million ein großer wie überraschender Erfolg“ (so Lars Schafft im Nachwort zu OSTFRIESENFEUER) und (so die letzterschienene Ausgabe von Ostfrieslandkrimis) „längst zu einem Wirtschaftfaktor für ganz Ostfriesland geworden“ sind.
Klaus-Peter Wolf also auf dem bekannten politischen Schröderfischer-Pfad wie Bastagerd und Joseph-vom-Stamme-Nimm von links unten nach rechts oben? Oder geht´s wie üblich nur um business-as-usual entwickelter kapitalistischer Markt- und Machtwirtschaft, in dem jeder, der´s kann, im Sinne von nach-mir-die-Sintflut rasch noch mitnimmt, was er auch immer kriegen kann?“
Mit freundlichem Gruß, RA
Das Buch wird unter anderem auch im Taschenbuchmagazin beworben:
http://www.buchaktuell.de/taschenbuch/buch_detail_seite/heft/105_taschenbuch%20magazine/isbn/9783596190430.htm
9,90 Euro für über 500 spannende Seiten ist ein Schnäppchenpreis. Zu den Seminargkosten hätte vielleicht der Blogherr etwas beizutragen, der ja auch kommerzielle Schreibhifen gibt.
Eine andere, relativ unbekannte Autorin und Anbieterin von Romancoaching ist Susanne Gerdom, die für Textarbeit und Beratung 85,–Euro/Std. zzgl. MWSt. nimmt.
http://www.susannegerdom.de/wp2/coaching-inhalte/
Anscheinend bestimmt jeweils auch in diesem Millieu die Nachfrage den Preis. Daher meine Frage: Wer kann sich das leisten?
Mal zum Vergleich, ein einwöchiges Seminar für weniger arme Schlucker, das Bekannte von mir für die deutsche Sportärzteelite mit Begreenzung der Teilnehmerzahl (85) organisiert haben:
http://www.ruhrsportwoche.de/index.php?id=152
@Gerdos: Das Sportärzte-Seminar würde ich nicht zum vergleich heranziehen. Ärzte-Fortbildung ist eine richtiggehende Industrie, bei der gewaltige Mengen Geldes umgesetzt werden, nicht zuletzt, weil derartige Seminare praktisch immer kräftig bezuschusst werden: vom Bund, von den Ländern, von Berufsverbänden und -vereinigungen und – nicht zu vergessen – von der Pharma-Industrie, für die derartige Seminare ein wichtiges Marketinginstrument sind.
Autoren, die Seminare veranstalten, arbeiten i.d.R. auf eigene Rechnung und eigenes Risiko.
Außerdem: Klaus-Peter Wolf max. 10 Teilnehmer, die Sportärzte max. 85 Teilnehmer. Wer hier deutlich mehr umsetzt ist ja wohl offensichtlich.
Deine Frage „Wer kann sich das leisten?“ verstehe ich nicht. Wenn jemand Seminare veranstaltet, bietet er eine geldwerte Dienstleistung an und hat Kosten: Seminarraum-Miete, Lehrmaterial, evtl. Verpflegung der Seminarteilnehmer, Werbung, Versicherung, Vorbereitung usw. An diesen Kosten und an dem, was er für seine Dienstleistung verdienen möchte, orientiert er seinen Preis. Wenn er genug Menschen findet, die sich das leisten wollen findet das Seminar statt, wenn nicht, fällt es aus, oder der Seminarveranstalter setzt zu. Das ist in der ganzen – unbezuschussten – Seminarszene so, egal, ob es um das Schreiben von Romanen oder das Batiken von T-Shirts geht.
Ich hab die ersten vier Ostfriesen-Krimis von Klaus-Peter Wolf gelesen (oder besser: verschlungen), zwei liegen für den kommenden Ostsee-Urlaub bereit und die fehlenden werde ich mir dort dann in einer kleinen Buchhandlung in Kappeln an der Schlei (wo wir vor einem Jahren diese Roman-Reihe entdeckten) dazu kaufen. Freue mich schon auf die Lektüre.
Ich kann die Aufregung über die Seminargebühr nicht verstehen. Knapp 500 Euro für einen dreitägigen professionellen Workshop, der sich als „Aus-, Fort- und Weiterbildung für Drehbuchautoren und Drehbuchautorinnen“ mit Abschluss versteht, wo kann da auch nur eine Idee zu einem überteuerten Angebot aufkommen? Selbst wenn an den drei Tagen nur 10 Stunden zusammenkämen (auf die Schnelle erschließt sich mir der Zeitplan nicht)– wo bekomme ich denn in einer Minigruppe von 6-10 Leuten so engen Zugriff auf einen erfolgreichen Profi in irgendeiner Branche für weniger als 50 Euro pro Stunde? Da nimmt doch mir jeder Handwerker mehr ab und der bringt mir nichts bei, was ich später berufstauglich einsetzen kann… Herr Albrecht kennt offenbar die Preise erfolgreicher Referenten nicht, für dieses Honorar (abzüglich aller Kosten dürfte weit weniger als die Hälfte für Herrn Wolf bleiben) spricht ein gefragter Mediziner maximal 45 Minuten.
Schlußwort
Die „Kritik“ von Frau Sikorski (folgend FS) und aller, die ihr rechnerisch folgen, an meiner Buchvorstellung im „Männer unter sich“-Blog bezieht sich allein auf den Ausblick (III) meines Textes: FS versucht, mich als Persönlichkeit unglaubwürdig zu machen und schreckt dabei auch nicht vor Absurditäten zurück wie: ich könne nicht rechnen[1]; sie wird belehrend: das gehöre nicht in eine Rezension; und sie wird überheblich: ich solle bei ihr in Berlin einen von mir zu bezahlenden „Einzelcoaching“-„Intensivkurs“ machen. Der Kern dieser blödmaschinellen „Kritik“: FS ahnt etwas, was ich nur fragend ansprach – daß es noch eine andere als ihre privaterwerbswirtschaftliche Mikrowelt kapitalistisch-bürgerlicher Dominanz des Es-Rechnet-Sich geben kann. Diese alternative linkssolidarische Welt kenne ich in Form politischer und kultureller Bildung(sarbeit) etwa in politischen Parteien, Gewerkschaften und Verbänden in Deutschland und sogar in der Alt-BRD. Sie wurde auch von mir Anfang der 1980er Jahre als Sprecher des Verbands Deutscher Schriftsteller / Bezirk Rhein-Neckar aktiv mit organisiert. Das war – und ist – meine (zugegeben: in den letzten Jahren vernachlässigte) Wirkwelt: insofern signalisiert die FS-„Kritik“, wie wichtig gerade in diesen ganzdeutschen Zehnerjahren die Herausbildung und Festigung sozial solidarischer und kulturell aktiver linksproletarischer Bewegungen ist.[2]
[1] Das Gegenteil belegende Beiträge in diesem http://blog.nassrasur.com/author/richard-albrecht/ wie im duckhome-Blog http://duckhome.de/tb/authors/56-Richard-Albrecht
[2] Weiterführend http://duckhome.de/tb/archives/11864-WAS-TUN-POSTLENINISTISCHE-UEBERLEGUNGEN.html
Dr. Richard Albrecht, 23. 2. 2014
Seit meine Bücher in den Bestsellerlisten zuhause sind, macht man sich öffentlich Gedanken, ob ich nicht zu viel Geld verdiene. Dies ist ein interessantes Phänomen.
Ich lebe seit vierzig Jahren vom Schreiben. Ich habe verdammt harte Zeiten hinter mir. Mit einem autoreneigenen Verlag ging ich pleite und hatte 2,7 millionen (damals noch DM) Schulden an den Hacken. Damals wurde mir öffentlich bescheinigt, was ich alles falsch gemacht hatte. Jeder hätte mir angeblich vorausssagen können, dass ich scheitere und natürlich sei ich selber schuld. Kein Wort über Marktgesetze, Großkonzerne oder so. Nun ich wurde öffentlich vorgeführt und verspottet. Gedanken darüber wie der gescheiterte Künstler seine kleine Familie ernährt machte sich niemand. Nun sage ich es ungefragt: Ich war auch damals schon fleissig. Eine Serie von mir lief im Stern und ich konnte Drehbücher fürs Fernsehen schreiben. Im Prinzip verdiente ich gut. Nur wurde mir das weggepfändet. Ich ging klauen, jawohl!
Pampers und Babynahrung habe ich geklaut. Benzin um zu einer lesung zu kommen.
Ja ich habe Präserautomaten geknackt und Zigarettenautomaten. Ist alles mehr als dreißig jahre her, darum kann ich es jetzt schreiben. Ist verjährt. Wie und wovon der junge Autor lebte war einer Öffentlichkeit völlig wurscht. Nun ich habe überlebt.
Es gab Zeiten, da fehlten mir Krankenversicherung und das geld zum zahnarzt zu gehen. Als 83 die Künstlersozialkasse kam, ließ ich mit im ersten Monat 11 Zähne machen, aus Angst, sie könnte wieder dichtgemacht werden. Die Pflichtversicherungen nahmen damals keine freien Künstler auf. Nun bin ich 60 Jahre alt, habe mir eine Fangemeinde erschrieben und es geht mir gut. Was ist so schlimm daran? Müssen Künstler arm sein? Danke, ich habe das zwei jahrzehnte lang genossen. Brauche ich nicht mehr.
Zu den Kursgebühren: Seit 25 Jahren teile ich meine Erfahrung als Autor mit Kollegen. Ich tue dies innerhalb von Organiksationen wie der Evengelischen Akademie, dem Drehbuchcamp oder der Medien Akademie von Ard und ZDF. Die Kursgebühren werden von den jeweiligen Organisatoren festgelegt. Ich erhalte nicht mehr und nicht weniger Honorar als alle anderen Dozenten, die dort arbeiten.
Nie habe ich eine Extrawurst verlangt, was leicht gewesen wäre weil meine Kurse seit gut zehn Jahren immer „ausverkauft“ sind.
Seit vierzig Jahren mache ich Veranstaltungen in Schule für den Bödecker Kreis.
Ich bin dort auch im Autorenbeirat. 140 Schriftsteller sind dort Mitglied. Gerade hier herrscht ein solidarisches Prinzip, für das ich immer gestritten habe. Alle Autoren erhalten das gleiche Honorar. Der Newcomer bekommt genausopviel wie der Bestsellerautor. Ich lese also für Bödecker obwohl ich in der gleichen Zeit woanders das Doppelte, ja Dreifache bekommen könnte. Warum ? Weil ich mich dieser sache verpflichtet fühle.
Was soll ich also tun, um Gnade vor den Augen meiner Kritiker zu finden? Keine Kurse für Autoren mehr geben? Keine Bestseller mehr schreiben? Wieder klauen gehen?
Nee, jetzt muß die Welt damit leben, dass ich bin wie ich bin und mir ein gutes Abendessen leisten kann.
Danke, Herr Wolf, für die klaren Worte!
Und an Herrn Albrecht, den ich selbstverständlich nicht RA nennen mag, noch ein kurzes Wort: Fairness bedeutet unter anderem, dass man nicht nur austeilen, sondern auch einstecken kann. Ein kurzes Wort der Entschuldigung dem Autor gegenüber halte ich für durchaus angemessen. Na, Herr Albrecht?
@Sikroski
„Nach Golde drängt,
Am Golde hängt
Doch alles. Ach wir Armen!“
FAUST I. Szene Abend: Margarethe (Zeilen 2802-2804)
Vielen Dank, lieber Herr Wolf, für Ihren so engagierten wie enragierten Autorenbeitrag und besonders Ihre Aufklärung zum „solidarischen Prinzip“ bei Bödecker, besten Gruß, RA