Tour de France in Sicht

Die Tour 2012

Der Straßenradsport ist ein schöner Sport. Der Saisonhöhepunkt ist die Tour de France. Daran ändern auch allerlei Verfehlungen der Akteure an der Spitze dieses Sports bislang nichts. Die öffentlich-rechtlichen Sender übertragen in zur Schau gestellter Empörtheit praktisch nix mehr – ist ihr Bier. Wobei: Katrin Müller-Schnipschnapp und mit vielleicht Tommy Gottschalk (hätten wir wieder was für den – und Jens Voigt war schließlich auch mal zu Gast bei Wetten, dass…?) auf der Seebühne an der Dreilägerbachtalsperre. Warum nicht? Das wäre die richtige Mischung, um bei leise gestelltem Ton, durch langweilige Etappenstarts und endlose Werbeeinblendungen bei Eurosport im Halbschlaf zu dämmern.

Apropos dämmern. Ein Fußballspiel dauert 90 Minuten plus Pinkelpause und irgendwelcher Nachspielzeit. Die sind flott rum. Da ist högschte Konzentration und Pünktlichkeit – auch vom Zuschauer – gefordert. Und man muss sich im Vorfeld schon ein wenig schlau gemacht haben, um einen echten Gewinn von der Übertragung zu haben.

Schlau gemacht haben muss sich der Zuschauer beim Straßenradsport nicht. Die Übertragungen haben einfach eine angenehmere Länge. Die Eurosportmoderatoren und -experten verstehen ihr Handwerk und erklären auch Neulingen über Stunden alles, was es zum Thema zu sagen gibt. Kein Wunder. Jean-Claude Leclercq ist die Tour fünf mal selbst gefahren und alle anderen großen Rennen sowieso. Karsten Migels ist die Stimme des deutschen Radsports und weiß als ehemaliger deutscher Meister im Cyclocross auch wie man am Horn ziehen muss. Gerd Leinauer kommt in den letzten Jahren auch immer besser rein. Radsportlexikon Andreas Schulz und Ulli Jansch sind leider nicht mit von der Partie. Eine Alternative ist das Schweizer Fernsehen.

Es spielt übrigens fast keine Rolle, ob man bei Rennkilometer 30, 35 oder 40 in die Übertragung einsteigt. Sollte tatsächlich mal was zu Beginn einer Etappe passiert sein, gibt es mindestens zu jeder vollen Stunde ein Replay – und schon ist man im Bilde.

Auch wenn man dem Radsport so gar nichts abgewinnen kann, ist die Teilnahme an der Tour de France als Zuschauer eine schöne Sache. Vor dem Fernseher kann man die schönen Landschaftsaufnahmen genießen und von einem Leben wie Gott in Frankreich träumen. Vor Ort entlang der Strecke bekommt man von Stiften über Knabberkram bis hin zu originellen Winkelementen erstens allerlei geschenkt und die zahlreichen Volksfeste werden nur für ein paar Minuten unterbrochen, wenn die Werbekarawane und das Fahrerfeld vorbei flitzen.

Kommen wir zur anstehenden 99. Auflage der Tour de France. Am 10. Oktober 2011, eine gute Woche vor der offiziellen Präsentation des Streckenverlaufs, waren die Daten für kurze Zeit auf der Homepage der Rennleitung abrufbar. Zwar nicht verlinkt und nix, aber wenn man in der url das Datum von 2011 per Hand auf 2012 änderte, hatte man’s schon.

Die Tour 2012

Natürlich hat die ASO das flott gemerkt und der Sache einen Riegel vorgeschoben, aber Stephan van der Zwan von der niederländischen Zeitschrift Wielerland hatte schon reichlich Screenshots angefertigt und veröffentlicht.

Was es da zu sehen gab, war schon harter Tobak. Dass legendäre Abschnitte heutzutage mir nichts, dir nichts aus klassischen Rennen fliegen, haben wir im Frühjahr schon augenreibend bei der Flandernrundfahrt (ohne Muur) und Paris – Roubaix (beinahe ohne Schneise) zur Kenntnis genommen. Aber, was sie uns in diesem Jahr auftischen, ist schon ein dicker Hund: L’Alpe d’Huez – der Berg der Holländer, die Mutter aller Bergankünfte? Nee, nicht dabei. Galibier, Télégraphe? Auch nicht im Programm. Aber dann doch wenigstens der Mont Ventoux? Njet!

Eine klassische Passage haben sie uns allerdings gelassen – und was für eine: Auf der 16. Etappe von Pau nach Bagnères-de-Luchon geht es über den Aubisque, Aspin, Peyresourde und natürlich den Tourmalet. Eine gute Gelegenheit für mich, um zum x-ten Mal [Händereib!] die Geschichte mit der Schmiede aufzuwärmen.

Wenn die ganzen klassische Anstiege nicht im Programm sind, wird es deshalb eine leichte Tour? Keine Sorge! Der dreifache Tourteilnehmer und heutige Streckenchef Jean-François Pescheux hat sich was einfallen lassen: Schon die erste Etappe hat es in sich: Das ist eine Streckführung wie bei einem belgischen Frühjahrsklassiker plus Schlussanstieg. Auch die Normandie ist nicht ohne.

Und bevor es in der zweiten Tourwoche in die Alpen geht, heißt es schon auf der siebten Etappe: “Quäl Dich, Du Sau.” Die Vogesen werden durchquert – selbstverständlich mit Bergankunft. Selbstverständlich oberhalb der 1000-Meter-Marke

Entscheidend für die Gesamtwertung werden die beiden Einzelzeitfahren am 9. Juli in Besançon und am vorletzten Tour-Tag, dem 21. Juli in Chartres sein. Machen wir mal weniger Berge und mehr Zeitfahren, hat sich die Tourleitung gedacht. Erst die Alpen, dann die Pyrenäen, so können die Schlecks nicht so eine Hängepartie wie im letzten Jahr fahren, denn in Chartres bekommen sie unter Garantie 4 bis 5 Minuten eingeschenkt. Und dann besteht keine Möglichkeit mehr etwas auszubessern.

Nun ist zumindest Andy Schleck nicht dabei. Fränk sehe ich in diesem Jahr auch nicht auf dem Podium in Paris.

Um es kurz zu machen, habe ich das Podium des Gesamtklassements mal flott durchgerechnet: 1. Wiggins, 2. Evans, 3. Sanchez.

Ab Freitag erscheint unser Tour-Tagebuch zur 99. Auflage der Grande Boucle renntäglich auf “Männer unter sich”. Ein kurzer Kommentar zur bevorstehenden Etappe, das Profil und Plat du Jour, das Tagesgericht. Das sind unsere Rubriken. Viel Spaß!

Abbildung: Mikl194VF (Own work) [CC-BY-SA-3.0], via Wikimedia Commons

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