101. Tour de France – 18. Etappe

Juli. Tour-de-France-Monat. Auf Männer unter sich gibt es renntäglich einen Ausblick auf die bevorstehende Etappe. On-top: Unser Radsportlexikon. Das 1O1 zur 101. Ausgabe der Großen Schleife.

Heute also der dritte Akt der Trilogie in den Pyrenäen. Die Nonnen in Lourdes bekommen heute was geboten: Den Ritt nach Hautacam.

Die Etappe wird in Pau gestartet und ist mit 145,5 Kilometern wieder relativ kurz, aber spektakulär. Auf dem Programm steht der Tourmalet. Und das dicke Ende ist die Bergankunft..

Nibels ist gestern als Dritter ins Ziel gekommen. Das lässt keine Fragen mit Blick auf das Gelbe  Trikot offen. Aber die jungen Franzosen waren gestern im Vélo Club von Gérard Holtz plauderfreudig. Allerdings nicht beim Altmeister selbst. Sondern auf dem Rad in der Abfahrt nach Zielankunft zu den Bussen in St. Lary. Allen Ernstes: TF2 hat denen bei Tempo 50 vom Motorrad aus die Mikros unter die Nase gehalten: ”Sind die Podiumsplätze schon ausgekegelt?” – Jean-Christophe Peraud so: ”Nö, kommt ja noch ‘ne schwere Bergetappe und Zeitfahren ist ja auch noch.”

Valverde sah gestern schlecht aus. Sollte mich nicht wundern, wenn am Ende zwei Franzosen neben Nibali auf dem Podium in Paris stehen.

Tour-Lexikon: Heute N — wie Neutraler Materialwagen

Ein Platten am Hinterrad. Der Mechaniker hechtet aus dem gelben Auto, reißt das Hinterrad des Rennfahrers aus dem Rahmen und stopft ein neues in die Ausfallenden. Steckachse fest? Einklicken ins Pedal. Allez push! – Anschieben! Keine 20 Sekunden und er ist wieder im Rennen.

Soweit so gut, möchte man meinen. Haben sie halt ein Rad gewechselt. Trivial. Sehen wir uns die Sache genauer an: Warum das gelbe Auto? Seit 1977 begleitet  der Fahrradartikelhersteller Mavic die Tour de France. Offiziell heißt der Laden Manufacture d’Articles Vélocipédiques Idoux et Chanel. Die Amis sagen zu dem Pannenhelfern schlicht: Mavic-Cars. Die Franzosen sagen – politisch korrekt: Voiture d’Assistance Neutre.

Wann greift die Assistance Neutre ein?

Ist der Abstand von einem Ausreißer oder einer Gruppe auf 30 Sekunden gewachsen, darf der Neutrale Materialwagen durchstarten und sich dahinter klemmen. Nicht früher, damit etwaige Verfolger keinen Vorteil aus dem Windschatten des Autos schöpfen können.

Was müssen die Fahrer im Fall eines Platten tun?

Hochschalten. Die Kette muss vorne auf dem großen Blatt und hinten auf dem kleinsten Ritzel (11er) sitzen. Sonst wirds fummelig. Rechts ran fahren. Ausklicken, absteigen und die Bremse öffnen. Die Kür ist dann Steckachse oder Schnellspanner öffnen und das Rad hoch halten. Dann weiß der Mechaniker sofort Bescheid, ob er Vorder- oder Hinterrad anschleppen muss. Zusätzlich sind auf den Kopfstützen des Neutralen Materialwagens Zettel aufgeklebt, die Aufschluss geben, welches Laufradsystem (Shimano/SRAM bzw. Campa) die einzelnen Mannschaften fahren.

Die Tour de France lebt von den vielen kleinen Geschichten, die es über sie zu erzählen gibt. Und natürlich gibt es auch Geschichten bei denen der neutrale Materialwagen eine Rolle spielt.

2007 rettete der Neutrale Materialwagen Stuart O’Grady den Sieg bei Paris-Roubaix, als er sich in der Schlussphase in einer Ausreißergruppe den Reifen platt fuhr. Hätte er auf sein eigenes Teamfahrzeug warten müssen, hätte er das Rad auch gleich aufs Dach klemmen und einsteigen können.

Die beste Story zum Neutralen Materialwagen aber lieferte unser Jens “TheJensie” Voigt bei der Tour 2010. Auf der 16. Etappe nach Pau stürzt er am Ende des Feldes bei der Abfahrt vom Peyresoude. Der Hobel ist im Eimer. Beide Teamfahrzeuge haben ihn längst passiert. Der Besenwagenfahrer hat schon angehalten. Aber TheJensie sieht in der Ferne den Neutralen Materialwagen einer Gruppe von Jugendlichen, die dem Parcour der Tour folgen. Er schnappt sich ein viel zu kleines Jugendrad und kurbelt sich ohne Klickies nur mit Pedalhaken zurück ins Rennen. Hier erklärt er alles ganz genau: