Neues zum Fall Gustl Mollath: Das Wiederaufnahmeverfahren, Nebelkerzen-Journalismus und ein aktualisiertes Taschenbuch

MollathTBSeit einigen Tagen läuft der Wiederaufnahmeprozess gegen Gustl Mollath. Nach ein paar Tagen Pause wird heute vor dem Landgericht Regensburg wieder verhandelt. Männer, die unser Blog regelmäßig lesen, wissen, worum es geht. Mollath, wurde vor über zehn Jahren Opfer eines Justiz-Skandals: Er hatte sich in einen Rosenkrieg mit seiner Frau verstrickt und beschuldigte sie – eine damalige Mitarbeiterin der Hypovereinsbank – illegaler Geldgeschäfte. Man glaubte ihm nicht und attestierte ihm Wahnvorstellungen, so dass Mollath gegen seinen Willen und verfassungswidrig siebeneinhalb Jahre in der forensischen Psychiatrie verbringen musste. Vor zwei Jahren kam ein Revisionsbericht der HVB ans Licht, der belegte, dass Mollaths Vorwürfe samt und sonsers begründet waren, nix da mit Wahnvorstellungen. Vor ca. einem Jahr wurde Mollath dann endlich entlassen. Seitdem betreibt er seine Rehabilitierung. Wir haben mehrfach von den Geschehnissen um Mollath berichtet und dieselben kommentiert. Mittlerweile läuft das Wiederaufnahmeverfahren und ein grundlegendes Buch zur Mollath-Affäre ist als aktualisiertes Taschenbuch neu herausgekommen.

Großen Verdienst an der Freilassung Mollaths haben – neben vielen anderen freiwlligen Helfern, die sich für dessen Sache engagierten – haben zwei Journalisten der Süddeutschen Zeitung, Olaf Przybilla und Uwe Ritzer, die eine Serie kontroverser Artikel zum Thema geschrieben haben und die Öffentlichkeit auf den Skandal um Mollath aufmerksam gemacht haben, als andere Medien wie beispielsweise SPIEGEL und ZEIT noch gar nicht berichtet bzw. abgewiegelt haben.
Vor einem Jahr haben Przybilla und Ritzer ein Buch zum Fall Mollath herausgebracht, »Die Affäre Mollath – der Mann der zuviel wusste«, wir haben vor einem Jahr über dieses Buch geschrieben.
Rechtzeitig zur Wiederaufnahme ist nun eine aktualisierte Taschenbuch-Ausgabe erschienen, die alle Fakten berücksichtigt, die seit dem Erscheinen der Hardcover-Ausgabe letztes Jahr bekannt geworden sind. Und mit dem gleichen Enthusiasmus, mit dem ich damals Hardcover-Ausgabe und E-Book empfohlen habe, empfehle ich allen Menschen, die diese Ausgaben noch nicht kennen, das aktualisierte Taschenbuch: Hier bekommt man einen gründlichen, auf akribische Recherche und nachweisbaren Fakten beruhenden Überblick über den Fall Mollath. Wichtig in Zeiten, in denen angebliche Qualitätsmedien wie die oben genannten das Wiederaufnahmeverfahren, bei dem an jeden Tag mehr Details eines ungeheuerlichen Skandals ans Licht kommen, entweder ignorieren (Zeit Online), oder einen Brechreiz erregenden Nebelkerzen-Journalismus wie den von Beate Lakotta zulassen (SpOn).
Wenn die Leitmedien versagen, ist Mann auf sich selbst gestellt, um Fakten zusammenzusuchen und sich eine Meinung zu bilden. Für Menschen, die sich über den Fall informieren wollen bzw. Menschen, die die ganze Geschichte nochmal rekapitulieren möchten, ist dieses Buch gleichermaßen geeignet.
Das letzte Kapitel ist aber in der Causa Mollath noch nicht geschrieben: Im Wiederaufnahmeverfahren wird offensichtlich, wie damals Seilschaften zusammengearbeitet haben, um Mollath aus dem Weg zu schaffen, und wie heute noch Menschen geschützt werden sollen, die für die zahlreichen Rechtsbrüche in dieser Geschichte verantwortlich sind. Das wäre aber sicherlich mehr als ein Kapitel, das wäre vermutlich ein neues Buch. Wollen wir hoffen, dass Ritzer und Przybilla bereits an der Arbeit sind.

Wer sich zeitaktuell über den laufenden Prozess informieren möchte, kann dies auf der Seite der Mittelbayerischen tun, die an Prozesstagen mehrmals täglich aktualisiert wird. Außerdem stellt Mollaths Anwalt, Gerhard Strate, Mitschriften der Verhandlung ins Netz. Wer vor umfänglichen, aber scharfsinnigen und ausführlich kommentierten Analysen nicht zurückschreckt, sei auf das Blog von Ex-Staatsanwältin Gabriele Wolff verwiesen.

„Die Affäre Mollath – der Mann der zuviel wusste“
erschienen bei Knaur TB, ISBN: 978-3-426-78717-5, 9,99 €.

Dromer Knaur hat uns ein Rezensions-Exemplar des Taschenbuchs zur Verfügung gestellt, wir bedanken uns herzlich.

 

 

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2 Antworten zu Neues zum Fall Gustl Mollath: Das Wiederaufnahmeverfahren, Nebelkerzen-Journalismus und ein aktualisiertes Taschenbuch

  1. AvatarMichael sagt:

    Ziemlich unglaublicher Fall, da könnte John Grisham nichts erschreckenderes schreiben. Hoffentlich wird Mollath rehabilitiert und es kommen zumindest einige nicht ungeschoren davon.

  2. AvatarYannick sagt:

    Als eine Person, die sich damals für Gustl eingesetzt hat (in Form von öffentlicher Aufklärung, aber auch im Verwandten- und Bekanntenkreis) ärgere ich mich sehr darüber, dass es nun nochmals weitergeht..

    Was sich die bayrische Justiz, inklusive den zwielichtigen amtsärztlichen Bescheinigungen geleistet hat, ist unglaublich. Vorteil ist jedoch, dass das Thema nun schon etwas weiter in den öffentlichen Fokus gerückt ist.

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