[Klartext] Die Schuldfrage

Bild: pixabay.com, Public Domain

Bild: pixabay.com, Public Domain

Wenn etwas schief geht, kann man kluge und dumme Menschen sehr einfach unterscheiden. Der Kluge bemüht sich als erstes um Schadenbegrenzung, und, wenn das geschehen ist, sucht er nach Möglichkeiten, wie der Fehler in Zukunft vermieden werden kann. Der Dumme fragt zuallererst: „Wer ist schuld?“ Damit er jemanden hat, auf dem er mit dem Finger zeigen kann.

Früher – viele von euch werden sich nicht mehr daran erinnern – spielte die Schuldfrage bei Ehescheidungen eine Rolle. Bis 1977 konnte in der damaligen Bundesrepublik eine Ehe nur geschieden werden, wenn einer der beteiligten Ehepartner die Schuld auf sich nahm. Wer schuldig geschieden war, konnte weder das Sorgerecht für die Kinder noch Unterhaltszahlungen bekommen. Von dem gesellschaftlichen Makel, „schuldig geschieden“ zu sein, mal ganz abgesehen.

Dass das ein ausgemachter Quatsch war, weiß jeder, der schon einmal das Scheitern einer Beziehung miterleben musste. Wenn eine Beziehung schief geht, tragen in 99,9 Prozent aller Fälle beide Teile irgendeine Schuld. Und letztlich ist es vollkommen wurscht, wer Schuld hat, eine Beziehung oder eine Ehe, die zerrüttet ist, ist keine mehr und gehört aufgelöst.

So einfach war die Welt aber vor 1977 nicht. Eine einvernehmliche Scheidung sah das damalige Scheidungsrecht nicht vor. Selbst wenn beider Ehepartner sich einvernehmlich trennen wollten, einer musste die „Schuld“ auf sich und damit sämtliche Nachteile in Kauf nehmen, die damit verbunden waren. Was zur Folge hatte, dass viele Scheidungen, die einvernehmlich hätten ablaufen können, zur Schlammschlacht wurden. Dass Ehepartner, die die Schuld freiwillig auf sich genommen hatten, erpressbar wurden. Dass viele Ehen nur noch auf dem Papier fortbestanden, obwohl die ehemaligen Ehepartner längst getrennte Wege gingen.

Dieses Scheidungsrecht stammte, wenn ich richtig informiert bin, noch aus der Kaiserzeit und war Ausdruck einer miefigen, obrigkeitshörigen und von sinnentleerten Ritualen geprägten, letztendlich menschenfeindlichen Gesellschaft. Seine Abschaffung war 1977 längst überfällig.

Im heutigen Tagesspiegel lese ich, dass 75 Prozent der AfD-Mitglieder, die sich an einer parteiinternen Umfrage über das zukünftige Grundsatzprogramm dieser Partei beteiligt haben, dafür ausgesprochen haben, in Scheidungsverfahren wieder die Schuldfrage klären zu lassen.

Markiert mit AfD, Parteiprogramm, Politik, Scheidunsgrecht, Weltanschauung.Speichern des Permalinks.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.
Bitte nicht wundern: nach dem Absenden verschwindet Dein Kommentar einfach und wird erst nach Freischaltung durch uns sichtbar -- also nicht mehrfach absenden!