Playboys – der Traum vom Leben ohne Angst

Jetzt hat sich Gunter Sachs eine Kugel in den Kopf geschossen. Weil er Angst vor Altzheimer gehabt haben soll. „Der letzte Playboy“ wäre er gewesen. Was Quatsch ist. Ein Playboy hat keine Angst.
Aber Sachs war ja auch schon lange kein Playboy mehr. Playboys werden nicht alt (Genau, Rolf Eden ist natürlich auch keiner mehr.). Entweder sie sterben in den rauchenden Trümmern eines Ferrari, oder sie sitzen irgendwann in Talkshows herum und erzählen Geschichten von früher. Von den aufregenden Zeiten, als sie noch Playboys waren.
Playboys gab es seit Anfang des 19. Jahrhunderts. 1828 taucht das Wort zum ersten Mal im Oxford Dictionary auf, damals bezeichnet es einen Mann mit Geld, der sich amüsieren möchte. Was ja schon mal nichts schlechtes ist. Als J. M. Synge Anfang des 20. Jahrhunderts sein Theaterstück „The Playboy of the Western World“ schrieb, war ein Playboy schon ein Frauenheld. Hatte sich also was getan seit 1828. Seitdem hatte nämlich Edward VII. Pionierarbeit geleistet, der sich die doch ziemlich lange Wartezeit auf den Thron mit zahlreichen rauschenden Parties und einigen krachenden Affären (Edward bevorzugte Schauspielerinnen) vertrieb. Bis vor ein paar Tagen war Edward noch der Prince of Wales mit der längsten Amtszeit, jetzt hat ihm Charles den Rekord genommen, dessen einziger Beitrag zum Hedonismus bekanntlich sein Verhältnis mit Camilla Parker Bowles war. Mit deren Urgroßmutter hatte Edward übrigens ein schwunghaftes Verhältnis, er nahm sie regelmäßig in den Urlaub nach Biarritz mit. Das hat möglicherweise etwas zu bedeuten, einen echten Playboy interessiert das aber nicht. Der interessiert sich für alles was schnell ist: schnelles Geld, schnelle Frauen und natürlich schnelle Autos, die jetzt endlich erfunden wurden, damit die Playboys mit ihnen spielen konnten.
Und noch etwas musste erfunden werden, bevor die Playboys richtig zu spielen begannen: Das Flugzeug. Ohne Jet kein Set. Heute Polo in Palm Beach, morgen Roulette in Monte Carlo, übermorgen zu Prinz Alfons nach Marbella… Playboys arbeiteten zwar nicht („Für Arbeit habe ich keine Zeit!“, soll Porfirio Rubirosa, the greatest of them all, gesagt haben.), aber ihr Terminplan war so eng, dass er ohne Düsentriebwerke nicht zu bewältigen war.
Nach dem 2. Weltkrieg lagen die Spielzeuge endlich bereit, das schnelle Leben konnte beginnen. Und das schnelle Sterben, denn ungefährlich war das nicht, was die Jungs trieben. Die Sportwagen, die sie mit hundert, zweihundert Sachen über die Corniche jagten, hatten weder Knautschzonen, noch Kopfstützen oder gar Sicherheitsgurte. Den Fuß auf dem Gaspedal zu behalten, erforderte gewaltige Cojones oder eine gewisse Todessehnsucht oder eine totale Verantwortungslosigkeit. Vermutlich war es eine Kombination aus allen dreien, vor allen Dingen aber eines: die totale Abwesenheit von Angst.
Auch, was ihr Image in der Öffentlichkeit anbelangte. Die Jungs passten ja nun gar nicht in die Vorstellungen von Moral und Anstand, die in den fünfziger und beginnenden sechziger Jahre des vorigen Jahrhundert herrschten: Pflichtbewusstsein, Sparsamkeit, Treue, Familie, Sicherheit, um nur ein paar Dinge zu nennen, um die diese Männer sich einen Dreck scherten. Und wenn die Zeitungen schrieben, dass sie ein Haufen verantwortungsloser Taugenichtse seien, who cares? Wenn man erstmal den Ruf eines Wüstlings hat, dann braucht man keine Angst mehr haben, diesen Ruf zu verlieren.
Und nett waren die Jungs mit Sicherheit ebenfalls nicht. Der Lebensstil, den sie pflegten, funktioniert nur mit einer gehörigen Portion Rücksichtslosigkeit. Nichts, womit man everybody‘s darling wird. Aber wer ein schlimmer Junge werden möchte, hat auch keine Angst davor, so genannt zu werden.
Natürlich kamen damals auf einen Playboy mindestens hundert Moralapostel. Die sich daneben stellten, die Zeigefinger hoben und immer wieder „Das kann nicht gut gehen!“ riefen. Nuja, das war nix neues für die Playboys. Sie machten all diese Dinge, weil sie wussten, dass das nicht gutgehen konnte. Sie hatten einfach keine Angst davor, dass es schief ging.
Sie starben lieber, anstatt Angst zu bekommen. Sie zogen es vor in ihren Privatjets, Sportwagen oder Rennbooten zu verrecken, anstatt das Gefühl des Verlusts fürchten zu lernen.
Ich weiß nicht, wie es anderen geht, aber mir fehlen diese Jungs. In Zeiten, in denen der Verzicht als Maß aller Dinge gilt (Kein Risiko! Kein Alkohol! Keine tierischen Fette!) fehlen diese Piraten, die sich einen Dreck um die vorgegebene Meinung scheren und ohne Angst vor gesellschaftlicher Ächtung so leben, wie es ihnen passt. Wir hätten zur Zeit ein paar Playboys bitter nötig.
Aber wer hat denn heutzutage keine Angst mehr?