Adrenalin auf dem Wasser

„Mein Haus. Mein Auto. Mein Pferd.“ Mit einer Briefmarkensammlung kannst Du heutzutage kaum noch eine neue Flamme zu Dir nach Hause locken. Haus und Auto sind nach wie vor Statussymbole. Aber damit kannst Du nicht immer imponieren. Weder die Mietwohnung im Neubaugebiet, noch der in die Jahre gekommene Opel Zafira vor der Haustüre verströmen übermäßig Sexappeal. Und Mädels, die auf Gäule stehen, sind meist noch in der Pubertät und fallen somit aus Deinem Beuteschema. Mädels, die nach der Pubertät immer noch auf Pferde stehen ebenfalls. Glaub es mir: Eine Unterhaltung über olle Mähren ist ungefähr so spannend wie die mit einem Rentner über seine Briefmarkensammlung. Aber das hatten wir ja schon.

Womit also imponieren? Das verdeckt auffällige Spiel mit dem Porsche-Schlüssel ist spätestens dann peinlich, wenn Du die Heimfahrt mit der U-Bahn antrittst. Eine elegante Yacht, die kommt immer an. Hat zudem den Vorteil, dass Du von Trips an der Coté d’Azur schwärmen kannst und nicht gleich damit auffliegst. Du willst die neue Beziehung nicht mit einer dreisten Lüge beginnen, aber das Konto recht grade mal für ein knallrotes Gummiboot am Wannsee?

Kein Problem. Zum einen wird nirgends so viel geschwindelt wie im Krieg und eben der Liebe. Zum anderen ist auch eine rasante Raceyacht oder ein eleganter Mahagoni Daycruiser durchaus für einen Durchschnittsverdiener erreichbar. Sogar mit Anlegestelle am Wannsee. Aber wie?

Ganz einfach: Ein paar Nummern kleiner. Modellboote transportieren zwar nicht Dich mit Deiner Liebsten, dafür aber, wenn Sie denn gut gemacht sind, nahezu genau so viele Emotionen. Beispielsweise die „Magin Two.1“ von robbe oder Graupners „Ti Amo“ sehen auf dem Foto in der Brieftasche so täuschend echt aus, dass bei der Einladung zur Spritztour am Wochenende bestimmt niemand enttäuscht ist, wenn sich herausstellt, dass Deine Yacht in den Kofferraum passt. Freund der leisen Töne imponieren mit einem Segelboot ohne Flautenschieber und vertrauen dem Wind. Das ist besonders spannend, weil Du vorher nie wissen kannst, ob es vielleicht ein Badeausflug wird…

Die Werft, in der Deine ganz persönliche Yacht auf Kiel gelegt wird, ist entweder in Deinem Hobbyraum oder, zumindest häufig, irgendwo in Fernost. Denn von Bausätzen in verschiedenen Schwierigkeitsgraden bis zum Fertigmodell aus China oder Taiwan reicht die Spanne der angebotenen Produkte. Mein Tipp: Schau Dich auf einer Modellbaumesse um, unterhalte Dich mit Hobbykapitänen am Ufer und kaufe dann in einem Fachgeschäft. Kaum eine andere Modellbausparte ist vielseitiger und individueller. Während sich der eine seinen Adrenalinschub mit einem rasanten Rennboot abholt, erholt sich der andere beim stundenlangen Spiel mit dem Wind. Doch auch ein Segelboot wird nie langweilig. Im Gegenteil. Der Einsteiger kommt zwar rasch zu ersten Erfolgen, denn die Steuerung mit Ruder und Segelverstellung ist schnell gelernt. Doch der Reiz liegt im Detail: Die Möglichkeiten der Feineinstellung von Mast und Segeln sind nahezu unerschöpflich und bieten Stoff für stundenlange Diskussionen mit Kollegen. Und wenn es dann erst mal bei 35 Knoten Westwind bei einer Regatta zur Sache geht, kommt auch die Spannung nicht zu kurz.

Nicht minder interessant sind Motoryachten, die mittlerweile fast ausschließlich mit einem fast lautlosen und umweltfreundlichen Elektroantrieb durchs Wasser düsen. Adrenalin auf dem Wasser: Vorsichtig am Gashebel des Pistolengriffsenders ziehen. Langsam setzt sich die Rennyacht in Bewegung. Ist das wirklich schon alles? Kann nicht sein. Noch ein wenig weiter ziehen. Dann, aus heiterem Himmel ein schneller Satz nach vorne. Gischt steigt auf, das Boot schießt los und kommt innerhalb weniger Meter ins Gleiten. Kleinere Wellen werden einfach übersprungen. Irgendwann sind nur noch die Ruderflossen im Wasser. Wahnsinn…

Robert Hill, freier Journalist und Fotograf. Kommt eigentlich aus München, wohnt im Taunus. Mag mechanische Uhren und klassische Kameras. Fotografiert, wenn privat, immer noch am liebsten auf Diafilm. Hat es geschafft, im letzten Jahr mehr Kilometer mit dem Fahrrad als mit dem Auto zu fahren.
www.roberthill.de

Fotos: Robert Hill