[Kurzgeschichte] Hände waschen

Foto: pixabay.com

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Kurz nach seiner Hochzeit geriet Herr F. mit seiner Frau in Streit. Sie warf ihm vor, dass er sich nach einem Toilettenbesuch niemals die Hände wüsche. Allerhöchstens nach der morgendlichen großen Erleichterung, aber auch da nicht immer. Herr F. stritt dies vehement ab. Doch als er nach dem nächsten Toilettengang arglos in den Flur trat, stellte er fest, dass seine Frau hinter der Toilettentür auf ihn gewartet hatte. Sie bedeutete ihm, dass er die Toilettentür unmittelbar nach dem Betätigen der Spülung geöffnet hätte. Ohne dass ein Rauschen des Wasserhahns oder ein Rascheln des Handtuchs zu hören gewesen war.
Sie machte Herrn F. unmissverständlich klar, dass er sich in Zukunft nach jedem Toilettengang die Hände zu waschen habe. Sollte er dies nicht tun, müsse er ab sofort auf gewisse Annehmlichkeiten des Ehelebens verzichten, die Herr F. sehr zu schätzen wusste. weiterlesen…

Duell der Kerle

Feuerwerk

Justav Kapitulski und Jerd Klawuttke sind jute Freunde, die besten Kumpels sozusajen. Man kennt sich seit Jahren und sieht sich mindestens dreimal de Woche inna jemeinsamen Stammbudike. Da zischt man denn Molle mit Korn, kiekt jemeinsam Fußball und steht zu den Klängen der Nationalhymne uff und vajießt dabei schon mal ne Träne!

Doch eenmal im Jahr, jenau jesacht am 30. Dezemba, awacht ihre Feindschaft. Der Jahreswechsel steht an und da kennen Kapitulski und Klawuttke keene Verwandt- und Freundschaften. Se wollen de besten in der Straße sein und dit jrößte Feuerwerk präsentieren. So jehn se, natürlich heimlich, um sich nich in de Karten kieken zu lassen, los und füllen ihr Munitionsdepot. weiterlesen…

Comedy-Sommer: Kurzgeschichte – Der Brunnenkauf

„Schatz, was hältst du davon, wenn wir direkt vor unserer Terrasse im Garten einen kleinen Springbrunnen aufstellen?“
„Sanftes Geplätscher von Wasser an einem sonnigen Abend bei einer guten Flasche Wein und danach… Mein Flo, du hast immer so tolle Ideen! Ich liebe dich!“
„Heute Vormittag liegt nichts bei mir an und Jan kommt erst morgen von der Klassenfahrt zurück. Wir könnten in den Restpostenmarkt fahren, da gibt es gerade Springbrunnen im Angebot.“
„Super, ich räume nur eben die Küche auf, dann können wir gleich los.“ weiterlesen…

Comedy-Sommer: Kurzgeschichte – Keine Erholung in Bottenhusen

„Schatz, ich hoffe, du hast an das Öl gedacht?“, fragte mich meine Frau Silvia.
„Wie? Was für ein Öl?“
In diesem Moment schoss es mir ein, ein Blick auf das Instrumentenbrett bestätigte meinen Verdacht: Die Ölstandsanzeige leuchtete glutrot wie eine aufgehende Sonne! „Oh, verdammt! Nicht schon wieder!“
„Da du ja so ein schlaues Kerlchen bist, wirst du gewiss rechtzeitig eine Dose mit Ersatz besorgt haben?“
Natürlich hatte ich kein Ersatzöl dabei, nur wie sollte ich Silvia das erklären, ohne mich wieder ihrem Gespött ausgesetzt zu sehen?
„Ich fahr´ mal rechts ´ran und schaue im Kofferraum nach.“ weiterlesen…

Patient kommt von geduldig

„Jetzt hetz´ doch nicht so Florian!“, mokierte sich Silvia.
„Ich muss aber dringend“, entgegnete ich, „sonst mache ich mir noch in die Hose.“
Gemeinsam waren wir an diesem sonnigen Samstagnachmittag durch die Innenstadt geschlendert, um uns den Herbstmarkt anzuschauen, ein Tee hier, ein Glühwein da, so hatten wir uns auf dem Weg von einem Stand zum anderen inzwischen recht weit vom Zentrum entfernt. Das interessierte meine inzwischen prall gefüllte Blase in keiner Weise und so machten wir uns auf den Weg zurück, um in einem Cafe auf die Toilette gehen zu können. Als wir endlich eines erreicht hatten, legten wir unsere Mäntel über die Stühle, mir stand das Wasser buchstäblich bis zum Hals, als mich Silvia mit der Frage überraschte: „Wollen wir uns bei dem schönen Wetter nicht nach draußen setzen?“ weiterlesen…

Es hört nicht auf

Schöne Bescherung nach den Feiertagen...

Kurz vor Weihnachten haben wir eine Kurzgeschichte von Thomas Fischer veröffentlicht, in der Weihnachten für den Helden der Story zum Alptraum wird. Der Alptraum ist noch nicht vorbei, wir bringen die Fortsetzung. Viel Spaß!

Den ersten Weihnachtsfeiertag hätte ich am liebsten auch aus meinem Gedächtnis gestrichen, genauso wie den Einkaufstag vor Heiligabend. Ich saß den ganzen Tag allein Zuhause, zog mir ein Video nach dem anderen ´rein und ärgerte mich über mich selbst. Silvia war schon früh mit Jonas zu den Schwiegereltern gefahren und kam erst spät am Abend wieder nach Hause. weiterlesen…

Alptraum Weihnachten

„Schatz, hast Du eigentlich schon ein Weihnachtsgeschenk für unseren Sohn besorgt?“
Siedendheiß lief es mir den Rücken hinunter: Ich hatte mich ja in diesem Jahr bereit erklärt, mich um Jonas´ Weihnachtsgeschenk zu kümmern.
„Nein, mein Engelchen, ich werde das aber sofort erledigen“, versuchte ich meine Frau Silvia zu beruhigen.
„Die Geschäfte haben ja morgen noch bis 12:00 Uhr geöffnet und heute ist ja erst der Nachmittag des 23. Dezember, also bleibt dir genügend Zeit, noch etwas Passendes zu finden!“
Den ironischen Unterton versuchte ich zu überhören, während ich mich auf den Weg machte. Für einen kurzen Moment konnte ich nachvollziehen, warum über manche Menschen Weihnachten jedes Jahr aufs Neue völlig unvorbereitet hereinbricht. weiterlesen…

Wolle mer se neilasse?

Karla Viper

Nichts Böses ahnend saß ich gerade in meinem Büro und öffnete die Post, als die Bürotür aufging. Ich hatte mich eigentlich auf ruhige Arbeitsstunden ohne Laufkundschaft eingestellt, denn bei diesem Wetter mochte kein normaler Mensch das Haus verlassen. Der Wind trieb eisige Kristalle durch die Luft, die wie winzige Rasierklingen in jedes Stück unbedeckter Haut fuhren. Der auf den Straßen gefrorene Schnee trug dazu bei, dass kaum jemand ohne einen notwendigen Grund hinausging, weil er Gefahr lief, sich auf dem glatten Boden ernsthaft zu verletzen.
Eine dampfende Tasse Tee und leise Musik aus dem Radio sorgten für eine wohlige Atmosphäre in meinem Büro. Nicht einmal ein Klingeln des Telefons störte diese Ruhe. Doch unvermittelt hielt der Winter in Form einer weiblichen Person Einzug, die die äußere Kälte wie eine zweite Haut übergestreift zu haben schien, denn im gleichen Moment fiel zunächst der Dampf über meiner Teetasse als feiner Schnee zurück auf den Tisch.
Besonders hübsch konnte ich meine Besucherin nicht nennen, wenig Humor schien ihr wegen der heruntergezogenen Mundwinkel eigentümlich zu sein. Deren scharfen nach unten zeigenden Falten unterstrichen noch ihre harten Gesichtszüge. Selbst der Gang in den Keller dürfte dieser Frau kaum genug Einsamkeit verschaffen, um auch nur die Andeutung eines Lächelns auf ihre Lippen zu zaubern. Genauso farblos wie sie selbst wirkte ihre Kleidung. Eine solche Person hatte ich zuletzt erleben müssen, als mein Sohn in den Vorbereitungen zu seiner Erstkommunion steckte und ich als Elternteil ebenfalls den Bekehrungsversuchen des Pfarrers ausgesetzt war. Unterstützt wurde der Kirchenvertreter damals von einer Frau, Typ „alte Jungfer“ mit Haaren auf den Zähnen, die ihr einziges Heil offensichtlich nur noch in der Glaubensvermittlung mit dem Feingefühl eines Dampfhammers suchte. Wegen dieser Erfahrungen vermutete ich auch diesmal wieder zunächst eine kirchliche Repräsentantin.
„Guten Tag, mein Name ist Karla Viper, ich bin Mitglied des Karnevalsvereins „Der fidele Lachsack“.“
Völlig überrascht von dieser unvermuteten Offenbarung und im Kampf, ein Lachen zu unterdrücken, bat ich die Dame, Platz zu nehmen. Ohne erkennbaren Grund verstummte plötzlich die Musik, während ich die Bildung der ersten Eiskristalle in meinem gerade eben noch fast kochend heißen Tee wahrnahm.
Die Frau ließ ihren Mantel selbst dann noch bis zum Hals zugeknöpft, nachdem sie sich stocksteif hingesetzt hatte. Mit bitterer Miene fuhr sie fort: „Unser Karnevalsverein „Der fidele Lachsack“ feiert in diesem Jahr sein 50-jähriges Bestehen. Aus diesem Anlass geben wir ein Sonderheft heraus, in dem örtliche Firmen sich mit einer Werbung präsentieren können. Wollen Sie auch?“
Der Gedanke, warum gerade diese wie ein Handlanger des Todes wirkende Frau Mitglied in einem Karnevalsverein war, ließ sich nicht verscheuchen: Sollte die Fröhlichkeit der fidelen Lachsäcke nur über ihre Verbitterung hinwegtäuschen? Oder verkörperte sie das Omen für einen Karnevalsverein, der seinen Zenith bereits überschritten hatte? Wie dem auch sei, ohne Grund bringt es kein Verein auf eine fünfzigjährige Tradition daher traf ich eine fatale Entscheidung.
„Was soll denn die Werbung kosten?“
„Unser Heft hat das Format DIN A5, das sind 148 Millimeter in der Breite und 210 Millimeter in der Höhe“, startete Sie in einem eisig monotonen Tonfall, den sie konsequent weiterführte.
„Die kleinste Anzeige wäre eine achtel Seite, das sind entweder 18,5 Millimeter in der Breite und 210 Millimeter in der Höhe oder 148 Millimeter in der Breite und 26,25 Millimeter in der Höhe und kostet Sie € 12,50. Die nächste Größe ist eine viertel Seite…“
Obwohl sie bislang nur kurz geredet hatte, zog die Schwerkraft unterstützt von der Monotonie des Vortrages zunehmend an meinen Augenlidern. Inzwischen fand sich in meiner Teetasse ein völlig durchgefrorener brauner Eisblock, das Blut war aus meinen Händen entwichen, selbst meine Gesichtszüge begannen sich zu verhärten.
„…die halbe Seite kostet Sie € 50,00, als nächstes dann…“, ratterte sie unentwegt weiter.
Mein Heil sah ich einzig nur noch in einer schnellen Entscheidung für einen Werbeplatz.
„Sie haben mich überzeugt, ich nehme eine halbe Seite“, unterbrach ich sie.
„Dann brauche ich von Ihnen noch ein Logo und den Text. Hier ist meine Visitenkarte, dahin schicken sie alles. Die Rechnung stellen wir ihnen anschließend. Haben sie noch Fragen?“
„Nein, nein“, ein „Euer Gnaden“ konnte ich mir gerade noch verkneifen.
Mit einem beinahe drohend wirkenden „Auf Wiedersehen“, verließ sie fast hinaus gleitend mein Büro. Ich öffnete zunächst einmal alle Fenster und Türen, denn ich befürchtete, der Depression zu verfallen, der Körper war zwar gegangen, aber die von ihm verbreitete Aura schien sich krampfhaft in den Ecken des Büros festsetzen zu wollen. Plötzlich erfüllte erneut leise Musik den Raum, der Eisklotz in meiner Teetasse begann zu schmelzen, langsam wich die leichenartige Fahle meiner Hände einem gesunden Farbton.
Die frische Luft tat mir gut und vertrieb die bösen Geister. Bereits nach wenigen Minuten konnte ich meine Arbeit wieder unbelastet aufnehmen, die von der Kälte verhärteten Gesichtszüge lösten sich in ein entspanntes Grinsen auf, das noch eine geraume Weile auf meinen Lippen lag.

Abbildung: Klaus Heilmann, Kunstmalstudio Oldenburg

Thomas Fischer ist freier Versicherungsmakler und entdeckte im letzten Jahr auf Empfehlung seiner Frau die Freude am Schreiben. Ursprünglich am Niederrhein geboren, verschlug es ihn der Liebe wegen in die kleinste Sprachinsel der Welt, ins Saterland. Er ist seit 33 Jahren begeisterter Flugmodellbauer.

Tränen, Schnaps und Katastrophen

Eine Kurzgeschichte vom Matla

Meine Nachbarin meint: „Wenn du ins Zimmer kommst, Matla, überschwemmt dein Testosteronspiegel den ganzen Raum.“ Ich bin ein Ignorant, arrogant, völlig blind für Subtilität, ein Frauenhasser, Arschloch, nicht mehr als ein Affe und sowieso vollkommen verblödet. Je nach Örtlichkeit und Laune sagt sie entweder resignierend „Ach, typisch Mann“ oder ziemlich erregt „Was für ein geiler Typ du bist, ein echter Mann!“
Ja, ich streite es nicht ab, ich bin ein Mann. Immer ganz cool, abgeklärt. Weißt du, wenn jemand den Löffel abgibt, gähne ich und sage: „Baby, wir alle werden sterben.“ Und nehm‘ mir ein Bier dazu. Wenn die Welt im Dreck versinkt: „Sind ja selbst schuld, die Deppen.“ Und noch ein Bier.
Letzthin habe ich die Nachbarin beobachtet. Wie sie vor der Glotze hockt und dreinschaut. Die Knie angezogen, die Fingernägel stehen nur noch in Fetzen davon, sie zittert. Zum hundertsten Mal sehen wir die Bilder von dem Scheißtsunami in Japan. Die Häuser, die Autos mit Leuten drin, sie werden weggerissen. Die Nachbarin weint, ich trinke. Der Rotwein ist schnell alle, arbeite am Brandy weiter, der seit Weihnachten herumsteht. Die Atomreaktoren explodieren, die Japaner mit ihren Schutzmasken laufen auf und ab, alle sind am Ende. Das Sofa ist von der Heulerei der Nachbarin schon ganz aufgeweicht, mir wird schlecht. Ich bekomm das Gesöff nicht mehr runter, würge. Wankend steh ich auf und renne auf den Balkon eine rauchen. Der Tschick schmeckt beschissen, Kröte mit Krone aus Stacheldraht im Hals, die Lunge brennt. Ich schmeiß den Tschick in die Dunkelheit und geh wieder rein. Ich kann nichts mehr runterschlucken!
„Wenn ich eine Frau wäre, würde ich jetzt gerne weinen“, sag ich zur Nachbarin, „dann wäre vieles einfacher.“
„Ich weiß“, antwortet sie mit roten Augen. „Aber Männer haben keine Tränen.“

Der Matla lebt in Wien, hat dort im Rattenloch gearbeitet und schreibt seit Jahren Geschichten in sein Blog hinein, das früher mal „Mein Mittagessen“ hieß und sich heute „Manifest des Erbrechens“ nennt. Der Matla ist Bierfahnenträger, Marihuanahüpfer, Budget-Zigeuner und seit neuestem Gastautor auf „Männer unter sich“.

Foto by Fabricio Zuardi under Creative Commons 2.0 License