Der personalisierte Twittermob

hand, slap in the face, stop

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Das passiert mir öfters, dass ich beim Recherchieren zu einem Thema, über das ich einen Meinungsbeitrag schreiben will, auf eine Meinung stoße, die das, was ich schreiben wollte, besser und klarer ausdrückt, als ich das je geschafft hätte. Das war auch heute der Fall, als ich mir Material über die Oscar-Ohrfeige[Falls jemand die letzten drei Tage unter einem Stein verbracht hat: Bei der Oscar-Verleihung hat der Komiker Chris Rock die Frisur von Will Smiths Frau thematisiert, der aufgrund einer Krankheit die Haare ausfallen. Smith ist daraufhin auf die Bühne gestürmt und hat Rock eine runter gehauen. Hier sieht man’s im Video.[/efn_note] zusammensuchte. Da stieß ich auf ein Statement von Bill Maher, das die ganze Sache perfekt auf den Punkt bringt:

„Das war die Cancel Culture unterm Mikroskop, denn zuerst hat man gesehen, wie er über den Witz gelacht hat, richtig? Das passiert sehr oft mit gecanceltem Zeug. Zuerst: ‚Oh, das ist komisch.‘ Und dann sieht man sich um: ‚Moment mal, ich sollte eigentlich beleidigt sein.‘ Und dann kommt die fällige Überreaktion. Er (Will Smith) war in diesem Moment der personalisierte Twitter-Mob.“

 

Gratismut auf billigen T-Shirts

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Am letzten Wochenende wurden Comedians geehrt. Die Comedienne Hazel Brugger und ihr Mann gingen in T-Shirts auf die Bühne, auf denen „Konsequenzen für Comedian XY“ gefordert wurde. Viele Mitglieder ihrer Peergroup haben Frau Brugger applaudiert, einige Medien bezeichneten ihre T-Shirt-Aktion als „mutig“.

Mit „Comedian XY“ war Luke Mockridge gemeint, dem von einer Ex-Partnerin Vergewaltigung vorgeworfen worden ist. Die Staatsanwaltschaft hat gegen Mockridge ermittelt, keine Hinweise auf Straftaten gefunden und das Verfahren eingestellt. Außerdem existiert noch ein SpOn-Artikel hinter einer Paywall, in dem Mockridge wohl ein generell übergriffiges Verhältnis zu Frauen nachgesagt wird, der m. W. aber nichts strafrechtlich Relevantes enthält1. Deswegen hat Frau Brugger aus Mockridge wohl  den „Comedian XY“ gemacht. Weil sie ein wenig mit Dreck werfen wollte, ohne ihrerseits eine Klage wegen Verleumdung zu riskieren. Eine solche Aktion „mutig“ zu nennen, ist definitiv sehr mutig.

Nochmal kurz zum Mitschreiben: Laut aktuellem Stand hat Mockridge sich nichts zu Schulden kommen lassen, was die Gerichte interessiert. Möglicherweise ist er ein Vollidiot und ein Arschloch, das sich Frauen gegenüber nicht korrekt verhält. Das ist unschön, vielleicht verachtenswert, aber mit Sicherheit nicht strafbar. Wenn man der Meinung ist, dass jemand ein Arschloch ist und dies öffentlich kundtun möchte, dann sagt man’s demjenigen ins Gesicht. Das erfordert möglicherweise Mut. T-Shirts mit Andeutungen bedrucken lassen ist billig. Kostet nur ein paar Euro im Copyshop um die Ecke.