[Gedanken beim Rasieren] Abschied als Konstante

Wenn etwas in der Nassrasur-Szene immer wiederkehrt, dann ist das nicht nur der regelmäßige Rasierklingenwechsel – es sei denn, man ist Messerrasierer – sondern auch der Abschied von geschätzten Produkten. Wie jede Branche ist auch die Nassrasurszene dem ständigen Wandel unterworfen. Unternehmen stehen im Wettbewerb miteinander, neue Produkte werden auf den Markt geworfen, wo sie sich bewähren oder auch nicht, dann werden sie ausgemustert. Traditionsprodukte, die über Jahrzehnte unverändert am Markt bleiben, sind eher die Ausnahme: auch die Rezepturen der ältesten Marken werden – meist, aber nicht immer diskret – angepasst und modernisiert, andere verschwinden gänzlich.

Nischenprodukte verschwinden heimlich still und leise vom Markt, doch wenn Kultprodukte aus der Produktion genommen werden, gibt es oft einen Aufruhr unter uns Fans, der oft mit Petitionen und Hamsterkäufen einhergeht. Wenn ich mich recht entsinne, wurden, als die legendäre „Atkinsons  I Coloniali“-Rasierseife“ eingestellt wurde, regelmäßig Wasserstandsmeldungen ins Nassrasurforum gepostet, bei welchem Anbieter noch wie viele Refills erhältlich waren. Ich selber hab noch nie ein auslaufendes Produkt gehamstert, aus einem einzigen Grund: Egal, wie groß der Vorrat ist, den man anlegt, irgendwann kommt man doch zum letzten Seifen-Puck, und den anzubrechen würde ich nicht übers Herz bringen. Also lass ich’s gleich, anstatt jahrzehntelang ein Erinnerungsseifenstück in der Schublade rumzufliegen zu haben.

Einige Produkte gibt’s tatsächlich, denen ich noch nachtrauere, weil sich bisher kein adäquater Ersatz gefunden hat. Die bereits erwähnte „I Coloniali“ wäre zu nennen, die hatte einen einzigartigen Duft, gepaart mit überragenden Rasiereigenschaften. Auch die „Sandalwood“ von Crabtree & Evelyn fällt mir ein, das war der beste Sandelholz-Duft, den ich je in meinem Badezimmer gerochen habe, und ich bin immer noch auf der Suche nach einer Seife, die ihr duftmäßig wenigstens nahekommt. Und natürlich eine der besten Alltagsseifen überhaupt, die „Irisch Moos“.

Was man bei aller „Trauer“ um vom Markt genommene Produkte nicht vergessen darf: Für alles Alte, was geht, kommt auch etwas Neues. Neue Firmen bringen aufregende, neue Seifen und Cremes auf den Markt, die die Fantasie von uns Nassrasierern beflügelt. Würden wir uns alle an unseren Lieblingsseifen, -cremes und Aftershaves festkrallen, würde es uns bald langweilig werden. Die Innovation, die wir ja alle wollen, bedingt, dass wir auch mal loslassen. Ohne Abschied gibt es keinen Fortschritt. Auch in der Nassrasur.

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