Die gute, alte Zeit…

work, workplace, nostalgia

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Ich will nicht schreiben, dass früher alles besser war. Weil es einfach nicht stimmt. Früher war nichts besser, die Dinge, die einem heute besser vorkommen waren anders. Okay, mancher mag „anders“ als „besser“ empfinden, aber ich bin mir da nicht so sicher. Dazu ein Beispiel. Meine Mutter wurde 1918 geboren, mein Vater 1907. Beide sind in einer hierarchischen, stark autoritätsgläubigen Gesellschaft aufgewachsen. Menschen, die ein Amt innehatten, verdienten Respekt, eben weil sie dieses Amt innehatten. Lehrer zum Beispiel. Die hatten IMMER recht. Wenn ich mich von einem Lehrer ungerecht behandelt fühlte und davon zuhause erzählte, wurde grundsätzlich dem Lehrer recht gegeben. Logisch. Der war ja auch Beamter. Dafür ausgebildet, sich mit kleinen Bengels wie mir rumzuschlagen. Der MUSSTE recht haben, im Gegensatz zu mir, dem irrationalen kleinen Jungen.

Was des Öfteren nicht der Fall war, besonders, nachdem ich aufs Gymnasium gekommen war. Da bekam ich es mit einer geradezu erlesenen Kollektion von Arschlöchern zu tun. Kleinen Königen, die in „ihren“ Klassenzimmern schalteten und walteten, wie sie wollten, mit Schlüsselbünden warfen, aus Augenblickslaunen heraus Klassenbucheinträge fabrizierten und Noten nach dem Lotterieprinzip verteilten, im Guten wie im Schlechten.

Doch mittlerweile wusste ich, dass es sinnlos war, sich bei meinen Eltern zu beschweren: sie würden eh nur wieder diesen Arschgeigen recht geben. Ich befand mich in einer ungerechten Welt und musste allein mit dieser Ungerechtigkeit klarkommen. Und ich lernte dann, haargenau das zu tun. Ich fand heraus, welche Sachen ich durchsetzen konnte und welche nicht. Ich fand heraus, wo es sich zu kämpfen lohnte, und wo ich es genauso gut bleiben lassen konnte. Ich erkannte, wie das System funktionierte, wo es Schwachstellen hatte, die ich ausnutzen konnte und wo nicht. Ich habe in dieser Zeit sehr viel gelernt, was mir später beim Studium, in der Ausbildung und im Beruf sehr nützlich gewesen ist. Ich habe auch Dinge gelernt, die ich nicht unbedingt lernen wollte. Ich bin da nicht nur aufs Gymnasium, sondern – wie die Generation meiner Eltern es ausgedrückt hätte – auf die „Schule des Lebens“ gegangen, und habe davon, ja, in gewisserweise profitiert, weil ich mir einen gelegentlich durchaus fragwürdigen Pragmatismus zu eigen gemacht habe.

Aber war das wirklich „besser“? Nein, auf keinen Fall. Wer sich nach so einer Zeit zurücksehnt, hat sie nicht alle an der Waffel. Wie Raymond Chandler einmal schrieb: „Eines Tages wirst du aufwachen, und alles wird so sein wie früher. Und es wird dir überhaupt nicht gefallen.“

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