Die Seele für den Wein – welchen Korkenzieher brauch ich?

Wenn man sich einen neuen Korkenzieher anschaffen möchte oder vor der Schublade steht, in der man seine Korkenzieher aufbewahrt, sollte man sich als erstes grundsätzlich eine Frage stellen: Wofür brauch ich das Ding eigentlich? Auf den ersten Blick ist das natürlich eine unfassbar blöde Frage, die die Antwort gleich mitbringt: um den Korken aus der Weinflasche zu friemeln, natürlich. Also präzisieren wir die Frage ein wenig bzw, stellen wir sie neu: Welche Sorte Korken soll denn entfernt werden? Wenn es um die Weine geht, die die meisten von uns trinken, also die normalen, frischen Alltagsweine in der Preisklasse zwischen 3,50 und 10 Euro ist die Frage nach dem passenden Korkenzieher schnell beantwortet: Da tut’s der, der gerade zur Hand ist, oder der, der preiswert neben der Kasse vom Weinhändler rumliegt. Auch der Korkenzieher, den man aus dem Taschenmesser ausklappt, genügt meistens, auch wenn die wenig komfortabel bzw. ein Notbehelf sind.

Auch die bekannten „Patent“-Korkenzieher kommen mit den Korken von Alltagsweinen gut klar, also die Flügelkorkenzieher, die Screwpulls und die Ungetüme in Form einer großen Zange, in der man die Flasche einklemmt, um den Korken mit einer „Ritsch-Ratsch“-Bewegung rauszuholen1: die funktionieren alle ganz prima mit einfachen Korken. Aber diese Korkenzieher versagen alle mit Problemkorken, also mit Korken die im Flaschenhals festsitzen, die zu hart oder zu weich geworden sind, die anfangen zu bröseln – nur wenn man öfters mit solchen Korken zu tun hat, sollte man sich Gedanken über den richtigen Korkenzieher machen und eventuell etwas tiefer in die Tasche greifen, um ein gescheites Werkzeug anzuschaffen.

Der richtige Korkenzieher für solche Fälle ist immer ein Hebel-Korkenzieher 2Aber auch hier sollte man die Kirche im Dorf und die dicken Scheine im Portemonnaie lassen3, denn ein gescheiter Korkenzieher muss nicht die Welt kosten4. Letztlich sind nur zwei Dinge entscheidend:
die Seele
und die Qualität des Metalls, aus dem der Korkenzieher ist.

Als „Seele“ bezeichnet man beim Korkenzieher den Hohlraum zwischen den Windungen der Spirale, und – das ist absolut spielentscheidend – dieser Hohlraum muss schnurgerade sein. Deshalb ist es eine gute Idee, den Korkenzieher im Geschäft zu kaufen und zum Beispiel einen Schaschlikspieß mitzunehmen, um die Seele zu testen. Einfach reinstecken, dann sieht man sofort, ob die Spirale richtig gerade ist oder nicht. Ansonsten merkt man’s spätestens, wenn man die Spirale zum ersten Mal in einen Korken reindreht. Eine gescheite Seele hat Biss, da spürt man förmlich, wie sie den Korken angreift.

Und deshalb ist das Metall auch wichtig, aus dem der Korkenzieher gemacht hat. Das muss stabil sein, Qualität haben, damit die Seele gerade bleibt und der Korkenzieher auch nicht abbricht, wenn man mal Kraft einsetzen muss.

Ganz preiswert wird ein „guter“ Korkenzieher, mit dem man auch problematische Stöpsel rausbekommt, also nicht sein, er muss aber auch nicht die Welt kosten. Meinen Lieblingskorkenzieher seht ihr oben im Bild, den hab ich vor über 20 Jahren bei ebay5 geschossen, für 25 DM, wenn ich mich richtig erinnere, und er war bzw. ist jeden Pfennig wert: über tausend Flaschen hab ich mit dem bestimmt schon aufgemacht, die Seele ist immer noch kerzengerade und er wird es auch noch eine ganze Weile lang tun. Was aber – für mich – wichtig ist: kein anderer Korkenzieher vermittelt mir ein derartiges Feedback, wenn man einem festsitzenden oder bröselnden Korken zu Leibe rückt. Dafür verschmerz ich auch gern, dass das Hebelverhältnis nicht hundertprozentig ideal ist: bei längeren Korken muss man mit dem Teil mehrmals ansetzen, um den Korken herauszubekommen. Ich bin mit dem Teil zufrieden und plane – solange ich Wein trinken und aufmachen kann – keine Neuanschaffung.

Eine Kaufempfehlung kann ich nicht geben, denn dieses Modell (aus einer damaligen preiswerten Laguiole-Serie) wird nicht mehr hergestellt. Wenn jemand von euch eine Korkenzieher-Anschaffung plant, muss er also selber ausprobieren, ob die Seele und die Stabilität passen. Vielleicht hat ja einer von euch eine Empfehlung, dann rein damit in die Kommentare. Und Prost!

  1. Irgendwo hab ich so ein Ding auch noch rumzufliegen, vielleicht in der Schublade mit den Korkenziehern.
  2. Kellner-Korkenzieher werden die auch genannt.
  3. Oder – besser – für guten Wein ausgeben.
  4. Auch wenn’s welche gibt, die für ein paar hundert Euro über den Tresen gehen.
  5. Hat der nicht eben noch geschrieben, man soll ins Geschäft gehen?
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2 Antworten zu Die Seele für den Wein – welchen Korkenzieher brauch ich?

  1. AvatarJyrgen N sagt:

    Ergänzung: Wenn die Spindel teflonbeschichtet ist, geht der Korkenzieher nicht nur leichter rein, sondern reißt auch weniger am Korken. Das kann bei empfindlichen (alten, weichen) Korken einen Unterschied machen.

    Zumindest glaube ich das. Schaden tut es jedenfalls nicht.

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