Löws Abschied

Foto: Steindy (Diskussion) 10:00, 27 June 2011 (UTC) (Eigenes Werk) [CC-BY-SA-3.0-2.5-2.0-1.0], via Wikimedia Commons

Jogi Löw wird nach der Europameisterschaft – unabhängig davon, wie’s sportlich läuft – nicht mehr als Bundestrainer weitermachen. Dann hat er 17 Jahre beim DFB in verantwortlicher Position gearbeitet, 2 als Assistent von Jürgen Klinsmann, 15 Jahre als Bundestrainer. Löw hat sehr, sehr viel richtig gemacht, und bis zum Jahr 2017 fast alles richtig gemacht. Neben dem Weltmeistertitel 2014 hat er in jedem großen Turnier mit der Nationalmannschaft mindestens das Halbfinale erreicht – ein beispielloser Trainer-Score. Der Absturz 2018 war dann zwar nicht ganz beispiellos (als amtierender Weltmister in der Vorrunde rauszukegeln hatten zuletzt die Franzosen 2002 hingekriegt), aber doch ziemlich heftig: Die Zahl der Freunde, die Löw zuletzt beim DFB und in der Öffentlichkeit noch hatte, war durchaus überschaubar. Wie viele andere erfolgreiche Bundestrainer hat er den richtigen Zeitpunkt für seinen Rücktritt verpasst: seit Lahm und Schweinsteiger nicht mehr spielten und die Mannschaft auf dem Platz in seinem Sinne führten, scheint er die Spieler nicht mehr richtig erreicht zu haben – wie seinerzeit Herberger nach Fritz Walters Abgang und Schön, nachdem Beckenbauer zurückgetreten war.

Das soll Löws Verdienste nicht schmälern: Ein Weltmeistertitel ist eine grandiose Lebensleistung, und er hat mit dem Vorurteil aufgeräumt, die Deutschen könnten nur Manndeckerrumpelkicker-Fußball spielen. Unter seiner Leitung wurde häufig groß aufgespielt und wunderschöner Kombinationsfußball geboten. Die zwanzig fantastischen, fehlerlosen Minuten, die die deutsche Mannschaft im Halbfinale 2014 zwischen dem 1:0 und dem 5:0 auf den Rasen von Belo Horizonte gebrannt hat, hätte es ohne ihn nicht gegeben. Punkt.

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Video-Link: https://youtu.be/aE4BdIP6bvc

Danke.

Mit seiner Entscheidung, die WM 2022 in Qatar nicht als Bundestrainer mitzumachen, ist vollkommen nachvollziehbar und vernünftig. Aus der Nummer wird keiner unbeschadet rauskommen: eine im Winter stattfindende WM, für die die Spielpläne fast aller Ligen der Welt zerrissen werden müssen, ein Gastgeberland, dass die Menschenrechte mit Füßen trampelt und wahrscheinlich durch massive Korruption zum Ausrichter der WM geworden ist, Stadien, die unter zum Teil unmenschlichen Bedingungen gebaut wurden und nach dem Turnier wieder verschwinden werden, Fans, die in Scharen fernbleiben werden, unter anderem weil sie auf das mittelalterliche Weltbild der Scheichs keinen Bock haben… noch nie hat es eine WM in einem derart toxischen Umfeld gegeben. Der DFB wäre sehr gut beraten, wenn er jetzt nicht mit der Suche nach einem Löw-Nachfolger beginnt, sondern einen Interims-Trainer installiert und den eigentlichen Nachfolger nach Qatar präsentiert. Damit der durch dieses absehbare Desaster nicht beschädigt wird.

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