Spenser

Robert B. Parkers Spenser ist mein Lieblings-Ermittler. Nach Chandlers Philip Marlowe natürlich, aber der spielt unerreichbar in einer eigenen Liga, schließlich hat Chandler mit Marlowe den Archetypen des “hard-boiled”-Genres erfunden1, den einsamen Wolf, der durch die Großstadt-Wildnis streift und – nur dem eigenen Ehrenkodex verpflichtet – versucht, für Gerechtigkeit zu sorgen. Chandler hat viele Nachahmer gefunden, Robert B. Parker war – mit Abstand – der Beste.

Wenn vom reinen Krimi-Plot ausgeht, sind Parkers Spenser-Bücher allenfalls guter Durchschnitt. Verzinkte Plotwendungen, doppelte Böden und ähnliches Whodunit-Gedöns sucht man vergeblich. Spenser macht sich meist mit sturer Konsequenz an die Täterjagd, die er eher durch Hartnäckigkeit als durch weltfremden Spürsinn entscheidet. Zwei Dinge machen Spenser herausragend: seine Weltsicht und Hawk.

Spenser, der 39 Romane lang ohne Vornamen auskommen musste, war Footballspieler, Boxer, Soldat und Polizist, bevor er privater Ermittler war. In dieser Zeit hat er – neben seinen beachtlichen körperlichen Fähigkeiten – gelernt, sich kein X für ein U vormachen zu lassen. Nichts als gegeben hinzunehmen. Sich auf Grund der Faktenlage ein Meinung zu bilden, und dann zu dieser Meinung zu stehen, egal, was passiert. Diese Eigenschaften haben Spenser zur unabhängigsten und verlässlichsten Figur der Literaturgeschichte gemacht.

Und zur loyalsten. Denn Spenser hat gelernt, dass man nur wirklich unabhängig sein kann, wenn man Freunde hat, auf die man sich verlassen kann. Bei Spenser ist das Hawk, sein – im wahrsten Sinne des Wortes – schwarzes Alter Ego. Hawk ist nicht nur Spensers bester Freund, sondern auch die dunkle Seite der ansonsten hell funkelnden Spenser-Medaille. Wer so unabhängig wie Spenser entscheidet, das Recht und was Unrecht ist, muss öfters moralisch zweifelhafte Entscheidungen treffen, als einem lieb ist. Und der, der dabei deutlich weniger Zweifel als Spenser kennt, ist eben Hawk. Die Freundschaft zwischen Spenser und Hawk, der Parker in jedem neuen Buch neue Facetten abgewinnen konnte 2, macht für mich den größten Teil der Faszination dieser Serie aus.

Okay, es hilft alles nichts, Spenser hat auch eine wirklich dunkle Seite. Seine Freundin Susan Silverman, eine eher redselige Psychologin, in die sich Spenser zu Beginn der Serie verliebt. In jedem Buch gibt es mehrere Susan-Kapitel, in denen sie sich von Spenser bekochen (oder in ein angesagtes Restaurant einladen) lässt, und den armen Mann zum Dank für seine Mühe gnadenlos mit Beziehungsgedöns zutextet. Am Schlimmsten ist die Phase, in der sie sich von Spenser getrennt, aber mit der Zutexterei nicht aufgehört hat. Mir ist klar, was Parker damit bezweckt hat. Er wollte einen Gegenpol zu Hawk schaffen, den Spagat zwischen zwei Welten, verdeutlichen, den Spenser ständig bewältigen muss. Geschenkt. Susan nervt einfach. Ich könnte prima ohne sie auskommen. Aber Spenser leider nicht. Deshalb muss man als Spenser-Fan da wohl leider durch.

Und wird dafür reichlich belohnt. Man wird mit den lakonischsten, trockensten One-Linern der Literaturgeschichte unterhalten, bekommt wohldosiert kernige Action-Szenen geboten, und spätestens ab der Mitte aller Romane dreht Parker mit der lässigen Routine des Profis an der Spannungsschraube, so dass man das letzte Drittel jedes Romans am Stück durchliest. So geht Unterhaltung.

Ein weiteres, nicht zu unterschätzendes Plus der Serie: Jeder Roman steht absolut für sich allein. Man muss beim Lesen keine bestimmte Reihenfolge einhalten, man muss sich keine Gedanken über den besten Einstieg in das Spenser-Universum machen: Einfach Buch aufschlagen und los!

Natürlich hat’s Spenser auch ins Fernsehen geschafft. In den 80er Jahren wurden 3 Staffeln der Serie „Spenser“ gedreht, die so schlecht nicht waren. Leider nicht mehr, ich konnte mich mit Hauptdarsteller Robert Urich nie so recht anfreunden, ich hätte lieber Stacy Keach als Spenser gesehen, aber der war damals schon als „Mike Hammer“ tätig. Avery Brooks als Hawk war dagegen absolut kongenial besetzt. Konsequenterweise gab’s dann auch ein Spin-Off, eine Staffel „Hawk“ wurde 1988 gedreht.

Übermorgen, am 6. März, startet auf Netflix ein Spenser-Film mit einem recht vielversprechenden Trailer:

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Video-Link: https://youtu.be/mmOPIHx3foE

Ich werd ihn mir auf alle Fälle anschauen, auch wenn ich nicht wenig irritiert bin. Okay, der Film basiert auf keinem Parker-Buch, sondern auf einem von Ace Atkins, der die Spenser-Serie nach Parkers Tod weiterschreibt. Das ist okay, aber warum hat man an der Backstory und dem Character-Setup rumgeschraubt? Trotzdem, Mark Wahlberg ist eine logische, gute Spenser-Besetzung. Ich freu mich.

  1. Okay, Dashiell Hammetts Sam Spade soll nicht unerwähnt bleiben.
  2. Kein kleines Kunststück!
Markiert mit hard-boiled.Speichern des Permalinks.

2 Antworten zu Spenser

  1. AvatarRalf Stiegler sagt:

    Wer dem hard boiled-Genre zugetan ist, dem sei auch die Lennox-Reihe von Craig Russel empfohlen:
    https://www.lovelybooks.de/autor/Craig-Russell/reihe/Lennox-in-Reihenfolge-1114888996/

    Habe mir aufgrund Deines Beitrages vorgenommen, mich auch in die Spenser-Reihe reinzulesen. Danke!

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