Meinungsfreiheit

geralt / Pixabay

Es gibt hierzulande keine Meinungsfreiheit mehr, hat Handball-Kretzsche gesagt, wobei er sich explizit auf prominente Sportler bezogen hat. Wenn die was sagen, was nicht dem „Mainstream“, also einer (vorgeblichen?) Mehrheitsmeinung entspricht, dann bekommen die heftigen Gegenwind. Hat Handball-Kretzsche gesagt, und jetzt regen sich alle auf.

Ich versteh weder Handball-Kretzsche noch die künstliche Aufregung über ihn. Um Himmelswillen, wer bekommt denn nicht Gegenwind, wenn er etwas gegen die Meinung der Mehrheit sagt? Zur Meinungsäußerung gehört, dass man auf Widerspruch gefasst und bereit sein muss, ihm zu begegnen. Neue bzw. andere Ideen müssen gehört und geprüft werden dürfen, und dazu gehört nun mal, dass man sie kontrovers diskutiert. Mehr ist nicht.

Wer den Widerspruch verbieten will, um die Meinungsfreiheit durchzusetzen, untergräbt in Wirklichkeit die Meinungsfreiheit. Und wer jemandem verbieten will, zu sagen, dass die Meinungsfreiheit gefährdet ist, macht das gleiche.

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8 Antworten zu Meinungsfreiheit

  1. AvatarRalf Stiegler sagt:

    Da komme ich mal mit dem ollen Voltaire:

    „Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst.“

  2. AvatarJuri Nello sagt:

    Um den letzten Punkt ging es ja. Das ist in D üblich. Die Meinungsfreiheit hört am Eingangstor der Firma auf (es sei denn, es ist Deine eigene).

    • Chris KurbjuhnChris Kurbjuhn sagt:

      Allgemein lässt sich das nicht sagen. Das hängt durchaus von der jeweiligen Firma und der Geschäftsführung ab. Ich habe auch komplett gegenteilige Erfahrungen gemacht.
      Beispiel: Auf einer Weihnachtsfeier einer Firma, für die ich arbeite (bin freiberuflich) meldeten sich nach der Rede des Geschäftsführers zwei Mitarbeiter zu Wort und kritisierten hart aber sachlich einige Dinge in der Firma. Daraus entwickelte sich eine engagierte Diskussion. Was soll diesen Mitarbeitern denn passieren?
      Bestimmt gibt’s auch gegenteilige Beispiele, aber ein generelles Duckmäuser-Klima gibt’s m. E. hierzulande wirklich nicht.

  3. AvatarJuri Nello sagt:

    Dann würde ich es mal abseits der Weihnachtsfeier probieren. Bei den meisten Weihnachtsfeiern gibt es in der Regel nur Eigenlob vom CEO und weiteres Eigenlob vom Marketing, Darauf folgt eine von der Steuer absetzbare Fressorgie.

    • Chris KurbjuhnChris Kurbjuhn sagt:

      Ich verstehe offen gestanden nicht, worauf du hinaus willst. Wie wird denn hinter Firmen-Eingangstoren oder abseits der Weihnachtsfeier die Meinungsfreiheit beschnitten? Was wird damit bezweckt? Wer tut das?

  4. AvatarStefan Wolf sagt:

    Er meint offensichtlich gar nicht Meinungsfreiheit oder weiß nicht, was das ist. Er beklagt (oder erklärt auf eine Frage, ganz klar ist das nicht), dass Personen (hier Spitzensportler, denkbar sind aber auch Musiker, Schauspieler, Künstler, Models), die im Focus der Öffentlichkeit stehen und von gewissen Institutionen (hier Vereine, Manager, Funktionäre, Sponsoren, Veranstalter, aber sonst auch Verlage, Agenturen, Sender, Parteien, Unternehmen) existentiell abhängig sind, eine von diesen Institutionen akzeptierte Meinung vertreten müssen (oder zumindest nichts öffentlich dagegen sagen), um nicht von ihnen in’s Abseits geschossen zu werden.

    Bis dahin eigentlich unverwunderlich — dass man für seine öffentlich kundgegebene Meinung bestraft werden kann, das fängt schon im Kindergarten an, wenn 5 Kinder finden, dass Superman besser als Batman ist und ein anderes täglich lautstark verkündet, dass Batman mit Superman den Boden wischen würde, dann wird der Batman-Fan vermutlich nicht zum Geburtstag der anderen eingeladen. Ob uns das nun moralisch oder sonstwie gefällt, ist egal: solange keine Gesetze dagegenstehen, muss eine Institution, die Ihren Erfolg der Öffentlicheitswirkung verdankt, das Recht haben, sich von Menschen zu trennen, die öffentlich eine bestimmte Meinung vertreten, die sie für schädlich halten — das ist im Grunde sogar ihre unternehmerische Pflicht. Und es ist völlig naiv und inkonsequent, wenn ein Sportler fordert, dass ihn die Institutionen und die Mainstream-Öffentlichkeit nur als Sportler bewerten dürfe und nicht dafür, was er sonst noch so öffentlich sagt, und gleichzeitig seine Position in der Öffentlichkeit (aus)nutzen will, eine politische und nicht sportbezogene Meinung zu verbreiten (an die Zuschauer zu verteilen), also in der Situation nicht als Sportler, sondern als Meinungsmacher zu wirken. Gleiches Recht für alle, keiner sollte gezwungen sein, sich mit jemandem abzugeben, den man für seine Einstellung und sein politische Engagement verachtet und nirgendwo auf gleicher Ebene (Freundeskreis, Ehe, Geschäftspartnerschaft) wird auch nur angezweifelt, dass es völlig normal ist, dass man sich von jemandem trennt, mit dem es unüberwindliche Differenzen in wichtigen Punkten gibt. Allein aus einer nicht ausbalancierten Partnerschaft zu fordern, dass dann keine Konsequenzen folgen dürfen, ist absurd. Wer die Kapelle bezahlt, der bestimmt auch welche Musik gespielt wird. Solange keine Verträge oder Mitarbeiterschutzgesetze entgegenstehen, muss man sich auch „entfreunden“ dürfen und dann muss man sehen, wo man mit seiner politischen Ambition willkommen ist.

    Ich bin jederzeit dafür, dass jemand seine Meinung sagen darf, aber ich fordere auch das Recht, die Person für seine Meinung zu verachten und mit ihr nichts mehr zu tun haben zu wollen. Meinungsfreiheit heißt nicht, dass man für jede Meinung gefeiert werden muss oder dass die Äußerung der eigenen Meinung keinerlei negative Folgen haben darf, die Mitmenschen einen dafür nicht anders sehen oder behandeln dürfen. Wenn ich ein System nutze und damit Geld verdiene, dann muss ich machen, was mir gesagt wird. Keiner zwingt jemanden, Schauspieler, Sportler oder Musiker zu werden oder zu bleiben, wenn er einen starken Drang verspürt, auch mit seiner politischen Meinung in der Öffentlichkeit stehen zu wollen, die dem fleißig genutzten System nicht gefällt. Das kann man auch nicht erzwingen. Man kann dann einfach die eine Karriere beenden und Politiker werden oder mit Gleichgesinnten ein eigenes System (Produktion, Sportliga, Plattenlabel, whatever) gründen, dann kann man beides kombinieren. Und da kann (sollte, müsste) man dann sogar Leute unter Vertrag nehmen, die öffentlich die exakt gegenteilige politische Meinung vertreten. Das wäre absurd? Ja, stimmt…

    Und abschließend muss man sich auch fragen, warum man einen Sportler überhaupt zu politschen Themen hören will. Er kann ja Vorschläge zu Dopingkontrollen oder der Struktur von Wettbewerben oder der Bezahlung oder sonstiger Dinge machen, *das* wäre für mich ein selbstbewusster, mündiger Sportler. Welchen inhaltlichen Wert hat es wohl, wenn sich ein Experte in einem Feld (hier ging es um Spitzensportler, also per Definition Leute, die sich nahezu ausschließlich mit einer Sache beschäftigen müssen) zu einer hochkomplexen anderen Sache äußert? Ich frage doch auch nicht einen Nobelpreisträger für Chemie, was er vom Euro hält oder einen angesehenen Kardiologen, was man gegen den Klimawandel tun würde oder wie er zur Flüchtlingspolitik steht, warum sollte man sich für die politische Meinung eines Sportlers oder sonst eines Nicht-Politk-Promis interessieren? Man will ihn ja nicht heiraten oder eine WG gründen oder muss sich seine Ideologie sonstwie ständig anhören, seine Einstellung in diesem Themen ist also genau so irrelevant wie die eines völlig Unbekannten. Wer als ausgewiesener Nichtexperte öffentlich in Interviews etwas zu politischen Themen dagen will (und dazu nur deshalb überhaupt Gelegenheit hat, weil ihn der Sport dorthin gebracht hat), der macht ganz klar einen Versuch, mit der eigenen Beliebtheit Werbung für eine Idee zu machen, das ist ganz klar politische Einflussnahme über Sympathie statt über (logischerweise nicht annähernd in nötiger Tiefe vorhandene) Argumente.

    Stefan Kretschmar erklärt inzwischen, er habe nur beantwortet, warum aus seiner Meinung Sportler in Interviews keine politische Meinung äußern, wenn diese nicht gerade Mainstream ist. Sollte ihn das tatsächlich jemand gefragt haben, wäre eine kluge Antwort gewesen, dass *jeder* Prominente in öffentlichen Interviews tunlichst nur über das reden sollte, von dem er auch wirklich Ahnung hat, und sich daher überhaupt nur zu seinem Beruf äußern sollte. Auch für die „politische Stimmung aus dem Volke“ sollte man keine Promis heranziehen. Interessant sind allenfalls Experten aus dem Kreis der intellektuelle Elite, die sich nachgewiesen als Problemlösungsexperten profiliert haben (und die schon allein aus wirtschaftlichen Überelgungen nie in die Politik gehen würden), da kann es interessante Ansätze geben, aber doch nicht von jemandem, der sich praktisch jede freie Minute mit völlig politikfernen Dingen beschäftigt. Wenn jemand dann aus dem täglichen 100%-Geschäft heraus ist, Zeit hat und sich seit x Jahren im Klimaschutz oder anderen politischen Themen engagiert, höre ich ihn gern als Quasi-Experten, aber ich halte es für ganz, ganz schlechte Unterhaltung, wenn sich aktive Promis aus Sport und Unterhaltung zu politischen Themen äußern, mit denen sie sich nicht zufällig äußerst tiefgehend beschäftigen. Man hört dabei nämlich überhaupt nichts Substantielles zum Thema, sondern entweder Werbung für die Person oder die (meist aus den dargelegten Gründen recht simple) politische Stimmung der Person. Insofern fände ich es gut, wenn es gar keine Diskussion zu Stefan Kretschmars Erklärung gäbe, sondern sich jeder fragen würde, wer von einem Promi überhaupt etwas zu einem anderen Expertenthema hören will? Man befragt einen Handballer ja nicht einmal zu nichttrivialen Themen aus Fußball oder Skispringen, warum dann über Politik und warum zum Teufel würde er dazu überhaupt etwas im Fernsehen sagen wollen?

    • AvatarTilman sagt:

      Hältst du es also z.B. für falsch, wenn Christian Streich, der Trainer des SC Freiburg, sich in Pressekonferenzen immer wieder gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit ausspricht?

      Ich finde, das ist sogar seine Pflicht. Schließlich ist er direkt für die ausländischen Spieler im Kader verantwortlich und versucht sie so gegen rassistische Beleidigungen und Angriffe zu schützen. Darüber hinaus ist das ja ein Problem, das nicht nur die Bundesliga betrifft, sondern noch viel mehr die Vereine in den unteren Spielklassen. Den Leuten, die dort für ein friedliches und faires Miteinander eintreten, helfen solch klare Worte von prominenten Sportlern und Trainern ungemein.

      • AvatarStefan Wolf sagt:

        Natürlich hast Du völlig Recht, aber davon habe ich ja gar nicht geredet. Das ist ein Thema aus seiner täglichen Arbeit, aus dem Verhalten der Stadionbesucher und in seinem Einfluss- und Verantwortungsbereich — da geht es um das konkrete Verhalten von Menschen seiner Arbeitsumgebung. Das können auch Sportler natürlich tun. Etwas anderes wäre, wenn er sich in Interviews z.B. konkret zu Fragen der Flüchtlingspolitik auslassen würde. Das hätte dann nichts mit seiner Arbeit zu tun und da ist er kein Experte. Das eine ist sein Job, das andere seine Meinung zu anderer Leute Job. Die hat m.E. in einem Sport-, Musiker- oder Schauspieler-Interview einfach nichts zu suchen. Und darum ging es ja, um die Angst von Sportlern, politische Nicht-Mainstream-Meinungen zu vertreten, die dem Verein oder Funktionär nicht passen. Da ging es jetzt wohl nicht darum, sich gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit auszusprechen (oder ist die bei einigen Kadern Pflicht?), sondern in Interviews über Politik zu sprechen.

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