[Gedanken beim Rasieren] Wo fängt Luxus an?

Heute war mir nach dem Aufstehen mal so richtig nach Luxus. „Muss auch mal sein“, sagte ich mir, kramte in meinem Badezimmerschrank rum und förderte einen nicht angebrochenen Tiegel mit „Warm Woods“-Rasierseife von Meißner Tremonia zutage. Sekundenbruchteile später war der Tiegel angebrochen und ich begann, meinen Rasierpinsel mit der Seife zu laden. Sofort füllte dieser wunderbare, unverwechselbare Duft nach Holz, Rauch und ein wenig Weihrauch mein Badezimmer. „Boah, was geht’s mir gut“, dachte ich und begann, mich einzuseifen.

Doch kaum hatte ich die Klinge angesetzt, schlug schon mein schlechtes Gewissen zu. „Bist du verrückt geworden?“, raunte es mir ins Ohr, an dem ein wohlriechender Schaumzapfen hing. „So eine teure Luxus-Seife mitten in der Woche? Die hättest du dir wirklich für einen besonderen Anlass aufsparen können!“

Je älter ich werde, desto öfter redet mein schlechtes Gewissen unfassbaren Unsinn. Mit so einem Seifenstück kann ich mich ca. 70 bis 80 Mal rasieren, ohne mit der Seifenmenge zu knausern. Wenn ich also jedesmal auf einen besonderen Anlass warte, um zu so einer Seife zu greifen, nehme ich die Hälfte davon mit ins Grab. Und überhaupt: 19,90 € kostet die Seife inkl. wertigem Glastiegel, 14,90 € das Refill. Das sind – Tiegel rausgerechnet – um die 20 Cents pro Rasur. Natürlich geht das preiswerter, aber: Sind 20 Cents für eine gepflegte, angenehme Rasur wirklich Luxus?

Schließlich: Warum soll Luxus denn nicht in meinen Alltag gehören, um Himmelswillen? Der Alltag der meisten Männer besteht aus Dingen, die sich wiederholen: Schlafen, Essen, Arbeit, Duschen, Rasieren, Fernsehen… Vieles wiederholt sich, und Dinge wie die Rasur wiederholen sich im Laufe eine Lebens so oft, dass sie einem auf den Zeiger gehen können. Hier kann man gegensteuern: Indem man sich ewig wiederholende Rituale durch Luxus mit Bedeutung auflädt, verleiht man Stumpfsinn Sinn. Und damit Lebensqualität. Wenn jedoch Lebensqualität zum Luxus wird, dann läuft im Leben gerade etwas schief. Darum braucht Luxus keinen besonderen Anlass.

Worauf man beim Rasieren nicht so alles kommt…

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2 Antworten zu [Gedanken beim Rasieren] Wo fängt Luxus an?

  1. AvatarGernot sagt:

    Es gibt nichts Gutes, außer man tut es – auch für sich selbst. Heute Morgen habe ich eine neue Tabac-Rasierseife in den Tiegel gelegt und das erste Mal seit langem verwendet.
    Bei der Rasur, beim Essen und einigen anderen Tätigkeiten schätze ich Abwechslung. „Man muss dem Körper etwas Gutes bieten, damit die Seele Lust hat, in ihm zu wohnen.“ (Churchill)

  2. Pingback:Außergewöhnliches für den Alltag: die neuen Synthetik-Rasierpinsel von Thäter | Männer unter sich

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