[Summer of Steve] Das Schicksal ist ein Arschloch – „Cincinnati Kid“

Auch fast 40 Jahre nach seinem letzten Film bewegt Steve McQueen immer noch die Menschen, die seine Filme anschauen. Kaum ein anderer Schauspieler hat eine derart treue Fan-Gemeinde, kaum ein anderer Schauspieler gewinnt auch Jahrzehnte nach seinem Tod noch dermaßen viele neue Fans hinzu. Woran liegt‘s? An seiner mittlerweile sprichwörtlichen Coolness? An den Figuren, die er spielte, den Lonern, die nur auf sich selbst vertrauten? Daran, dass Kerle wie er so selten geworden sind? In unserer Serie „Summer of Steve“ machen wir uns auf die Suche nach McQueens Geheimnis.

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Video-Link: https://youtu.be/DA9AeDFv7-c

Heute schauen wir uns die Mutter aller Pokerfilme an…

1965, also vor 53 Jahren, ist „Cincinnati Kid und der Poker-König“ in die Kinos gekommen, und ein besserer, spannenderer Pokerfilm muss immer noch gedreht werden. Woran liegt‘s, dass ein steinaltes Kammerspiel, dass zu gefühlten Zweidrittel am Spieltisch spielt, einen ein halbes Jahrhundert später, auch nach dem umpfzichsten Mal Anschauen immer noch fesselt?

Daran, dass es letztlich nicht um Poker geht. Poker ist nur der Vorwand, um die Geschichte eines hochbegabten jungen Mannes zu erzählen, der Geschichte schreiben will, bevor das Establishment bereit ist, ihm das zu erlauben. Der junge Rebell, der sein Recht ohne Rücksicht auf Konventionen und Verluste einfordert – typisch McQueen, der einmal von sich selbst sage: „Ich lebe für mich, und ich höre auf niemanden.“

In diesem Film fand er einen formidablen Gegenspieler in Gestalt von Schauspiel-Legende Edward G. Robinson. Im Film ist es Eric „Cincinnati Kid“ Stoner, der Lancey Howard auf seinem eigenen Feld, im „Five Card Stud“ schlagen will. Und am Filmset war es Robinson, der McQueen in seinem ureigenen Feld, dem Minimalismus zu übertreffen suchte. Wir sehen also zwei großartige Duelle. Eins davon endet unentschieden, und das andere…

Spoilerwarnung! Wer den Film noch nicht kennt, sollte die DVD ordern, anschauen und erst dann weiterlesen.

Der Film hat das perfekte Ende für die Geschichte des jungen Rebellen gefunden. Er lässt ihn am unverschämten Glück des Etablierten scheitern. Lancey Howards übertrifft Kids Full House mit Assen und Zehnen mit einem Straight Flush. Diese Kartenverteilung entspricht einer Wahrscheinlichkeit von 1 zu 45 Millionen. Lanceys Sieg hat nichts, aber auch gar nichts mit seinem Können als Pokerspieler zu tun, es ist reines, pures, unverdientes Glück. Das Schicksal ist ein mieses Arschloch, das keine Gerechtigkeit kennt. Mit dieser Botschaft schickt uns der Film aus dem Dunkel des Kinos zurück ins Zwielicht des Lebens. Wir haben Kids Lektion im dunklen Kinosaal gelernt und werden Sie ein Leben lang nicht vergessen.

McQueens Filme enden nicht, wenn nach dem Film das Licht wieder angeht. Sie laufen noch lange, nachdem man das Kino wieder verlassen hat. Manchmal ein Leben lang.


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3 Antworten zu [Summer of Steve] Das Schicksal ist ein Arschloch – „Cincinnati Kid“

  1. AvatarDuderich sagt:

    Ich selbst habe früher viel Poker gespielt, und Du glaubst nicht, wie oft ich mit einem Full House schon verloren habe.
    Und mit hohen Karten verliert man halt auch hohe Beträge.
    Beim Pokern lernt man Demut…
    Übrigens hätte Lancey schon ein Poker (four of a kind) gereicht, um Kids Blatt zu schlagen. Die Möglichkeiten und daraus resultierenden Wahrscheinlichkeiten an Blatt-Konstellationen die Kids Full House geschlagen hätten, liegt sicherlich weit über 1 : 45 Mio…

    Ich gebe Dir recht, dass dies der atmosphärichste Poker-Film aller Zeiten ist. Sehr sehenswert (wie überhaupt der ganze Film) ist aber auch die Poker-Szene in Bube, Dame, König, Gras.

    LG

  2. AvatarStefan sagt:

    Poker in Filmen braucht immer den Paukenschlag, den Showdown auf’s Blut, die *eine* Hand. So funktioniert das in Realität nur selten und nur unter externem Druck (ultraschnelle Tournierstruktur, die Glück zu Lasten von Können betont, da kann jeder Amateur einen Profi schlagen). Spielt man aber auf Können, spielt die Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Gegner eine bessere Hand hat, auf diesem Niveau auch nur eine untergeordnete Rolle. Wenn der Gegner die bessere Hand hat, ist man beim Showdown nun einmal zu 100% geschlagen, daher wettet man bei Pokerarten ohne offene Karten wie Stud auch nicht darauf, dass man die beste Hand hat (bei einem Anteil offener Karten weiß man hingegen viel öfter, dass man die beste Hand hat). Wenn man über Stunden spielt und den Gegner dazu bringt, mit der schlechteren Hand alles zu setzen, dann spielt man (zumindest an dem Tag) einfach besser Poker. Die eigenen Karten spielt man nur bis zu einem bestimmten Punkt, danach den Gegner, die Karten des Gegners (die gute Pokerspieler erstaunlich oft hinreichend präzise „lesen“ können), die Situation, das eigene Tisch-Image, das Tisch-Image des Gegners, Tells, Betting Patterns uvm. Kein Profi setzt ohne (Zeit-)Not alles auf eine Karte — wenn er ein „Edge“, also einen spielerischen Vorteil hat, wird er den Gegner häppchenweise schwächen. Das ist also üblicherweise kein Steher-Sprintrennen mit *dem* Punch zum Sudden Death, das ist vielmehr ein „Grind“, ein zermürbender Taktik- und Strategie-Marathon wie bei einem Schachturnier.

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