[Klartext] Darf ich oder darf ich nicht?

FelixMittermeier / Pixabay

Vor ein paar Tagen hat der MDR eine Radiosendung abgesetzt, in der unter anderem diskutiert werden sollte, ob man das Wort „Neger“ heutzutage noch sagen darf. Seitdem wird in allen Kommentarspalten, die sich mit der nicht gesendeten Sendung befassen, wild rumgebrüllt. Die ganze übliche Palette von „Denkverboten“ bis „Sprachpolizei“ wird bemüht. Alles Quatsch. Es ist in Wirklichkeit ganz einfach.Vor über über fünfzig Jahren hab ich in der Schule gelernt, dass „Neger“ die korrekte Bezeichnung für schwarze Menschen ist. Und das war sie damals auch. Heute ist diese Bezeichnung nicht mehr korrekt. Weil die meisten schwarzen Menschen sich beleidigt fühlen, wenn man „Neger“ zu ihnen sagt, Was meinst du? Die sollen nicht so empfindlich sei? Man merkt, dass du kein Mensch mit dunkler Hautfarbe bist.

Wechseln wir mal kurz Sprache und Kulturkreis: Wenn in amerikanischen Krimi die Leiche eines Weißen auf dem Seziertisch liegt, bezeichnet der Pathologe ihn meistens als „Kaukasier“. Weil die meisten, vielleicht alle, Menschen weißer Hautfarbe wohl Vorfahren aus der kaukasischen Gegend hatten. Diese Amis! Deswegen sind wir heute doch keine Kaukasier mehr, auch wenn unsere Vorfahren vor zigtausend Jahren mal in Kaukasien die Keule geschwungen haben, Absurde Bezeichnung! Vollkommen richtig. Genauso absurd,wie alle Menschen schwarzer Hautfarbe pauschal „Neger“ nennen zu wollen.

Und ja, vor fünfzig Jahren war „Neger“ noch keine diskriminierende Bezeichnung. Vor fünfzig Jahren haben wir auch noch gelernt, dass es korrekt ist, unverheiratete Frauen „Fräulein“ zu nennen. Kann man heute auch noch sagen, man wird jedoch bei so angesprochenen Damen wenig Erfolge feiern können. Weil die sich durch die Verkleinerungsform beleidigt fühlen. Denen ist Wurscht, ob das vor 50 Jahren korrekt war, die sind trotzdem beleidigt. Wie? Die sollen nicht so empfindlich sein? Man merkt, dass du keine unverheiratete Frau bist.

Vor fünfzig Jahren habe ich übrigens auch in der Schule gelernt, dass „Scheiße“ ein schwer unanständiges Wort ist. Wer das sagte, wurde in die Ecke gestellt oder gar ins Klassenbuch eingetragen. Besonders strenge Eltern wuschen ihren Kindern den Mund mit Seife aus, wenn sie „Scheiße“ gesagt haben. Heute ist „Scheiße“ ein alltägliches Wort. Sprache entwickelt sich. Sprache ist kein starres Regelwerk für die Ewigkeit, sondern etwas Lebendiges. Wenn wir unsere Sprache benutzen, verändern wir sie. Manchmal nehmen wir Wörtern ihre alte Bedeutung und fügen ihnen neue Bedeutungen hinzu. Manchmal ändern wir unsere Bewertung eines Worts oder einer Bedeutung. Das ist normal und gut so. Eine Sprache, die sich nicht mehr verändert, ist tot. Findest du aber gut, wenn alles seine klare, präzise Bedeutung für immer behält? Super. Lern Latein.

Du willst trotzdem weiterhin „Neger“ sagen, weil du das so gelernt hast? Das kannst du ruhig machen, es gibt keine Sprachpolizei, die dich ins Gefängnis wirft, wenn du es tust. Leute, die dich das Wort benutze hören, werden dich allerdings für einen Rassisten halten. Du bist kein Rassist? Dann benutz doch einfach das Wort nicht. Du willst aber bitteschön weiterhin „Neger“ sagen, aber niemand soll dich „Rassist“ nennen dürfen? Dann hast du ein schweres Problem, dass du ohne professionelle Hilfe nicht lösen kannst. In der AfD bekommst du weder Problemlösungen noch Hilfe, triffst aber Gleichgesinnte.

So. Jetzt hab ich über 550 Wörter darüber geschrieben, dass es blöd ist, heute noch das Wort „Neger“ zu verwenden. Den Begriff “Politische Korrektheit“ hab ich dabei nicht benutzen müssen. Weil das alles nichts mit politischer Korrektheit zu tun hat. Sondern eher mit Common Sense und Empathie. Also mit Dingen, die Leuten fremd sind, die unbedingt immer noch „Neger“ sagen wollen.

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5 Antworten zu [Klartext] Darf ich oder darf ich nicht?

  1. AvatarJörg sagt:

    Man sollte sich nicht immer von der PC Polizei alles vorschreiben lassen!
    Ich habe mit einem Schwarzen zusammen meine Ausbildung gemacht, Neger fand der normal! Das Wort Boy war für ihn unerträglich!
    Warum darf man einen Juden nicht Jude nennen, wenn mich jemand Atheist nennt bin ich auch nicht böse.
    Und wenn meine Frittenbude ne soße nach mir benennt sogar stolz….

  2. Du wirfst einiges durcheinander. Warum soll man hier in Deutschland niemand Juden nennen dürfen? Jude ist kein diskriminierendes Wort, sondern die Bezeichnung für eine Religionszuhörigkeit, wie Christ, Muslim usw.
    „Neger“ ist mittlerweile eine diskriminierende Bezeichnung, vor einigen Jahren war es das noch nicht. Sogar Martin Luther King hat sich vor über fünfzig Jahren noch als „negro“ bezeichnet, aber heute empfinden die meisten Menschen dunkler Hautfarbe „Neger“ eben als diskriminierend, wie dein Kollege damals eben „Boy“ – das übrigens außerhalb eines bestimmten Kontextes ein ganz unschuldiges Wort ist.
    Außerdem: Wieviele Leute in deinem erweiterten Bekanntenkreis benutzen denn überhaupt noch das Wort „Neger“? Ich habe das Wort in Arbeit und Freizeit seit (geschätzt“ zwanzig Jahren nicht mehr in der Bedeutung „Mensch mit dunkler Hautfarbe“ gehört, das Wort ist doch längst aus dem aktiven Wortschatz der meisten Menschen verschwunden.

  3. AvatarMario sagt:

    „Neger“ ist mittlerweile eine diskriminierende Bezeichnung, vor einigen Jahren war es das noch nicht.

    „Neger“ ist deshalb eine diskriminierende Bezeichnung, weil irgendjemand mal auf die Idee kam, Neger könnte eine Abwertung beinhalten.
    Ähnlich wie „Bulle“ von manchen Menschen als abwertender Begriff für Polizisten gehalten wird.

    Und natürlich darf dabei dann nicht fehlen, Menschen einfach mal so pauschal in die rechte Ecke zu stellen, der Hinweis auf die AfD war ja deutlich.
    Tatsächlich sollte man sich aber einfach erst mal mit den Menschen persönlich auseinerandersetzen, die Begriffe wie „Neger“, „Bulle“, „Schwuppe“ etc. benutzen. Es steckt nämlich nicht immer eine böse Absicht dahinter, manchmal aber z.B. durchaus die Absicht, zu provozieren.
    Einfacher ist natürlich die Nazi-Keule…

  4. Da ist nicht „irgendjemand“ drauf gekommen, sondern die schwarzen Bürgerrechtsbewegungen in den USA und Europa haben in den 70er Jahren begonnen, darauf hinzuweisen, dass das Wort „Neger“ einen herabsetzenden Kontext hat und eben nicht wertneutral war und ist. Das lässt sich sehr einfach anhand der Lexikonartikel früherer Jahre nachweisen, die z.B. Im entsprechenden Wikipediaartikel nachgelesen werden können: https://de.wikipedia.org/wiki/Neger .
    Die „Nazi-Keule“ hast du ausgepackt, nicht ich. Wo bezeichne ich AfD-Mitglieder als Nazis?

  5. AvatarHeinz Schmidt sagt:

    Sehr gut beschrieben Danke!

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