[Roberts Blu-rays] Radio Heimat – Damals war auch scheiße!

Mitten im Pott, mitten in der Pubertät, mitten in den 80er Jahren: Frank, Pommes, Spüli und Mücke sind auf der Suche nach der ersten großen Liebe – und natürlich nach dem ersten Sex. Am besten mit Carola Rösler, dem schönsten Mädchen zwischen Dortmund und Duisburg. Doch wie sollen die Jungs bloß an ihre Traumfrau herankommen? Vielleicht mal die Eltern fragen. Die haben sich ja damals in der Tanzschule kennengelernt – ab da lief es dann wie von selbst. Das ist allerdings auch schon lange her. Und wie sagt der Opa immer: „Damals war auch scheiße!“ Also bleibt Frank, Pommes, Spüli und Mücke am Ende wohl nur eins übrig: Alles selber ausprobieren…

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Video-Link: https://youtu.be/QuJ3v9friDo

Wenn, wie man so sagt, Heimat kein Ort, sondern ein Gefühl, ist: Dann bringt „Radio Heimat“ das Gefühl einer Pubertät Anfang der 80iger herrlich pointiert auf den Punkt. Ich war zwar schon in den späten 70igern 16 Jahre alt und verbrachte diese Zeit fernab vom Ruhrgebiet, in München. Und dennoch: Trotz der anderen Umgebung und des, für einen Münchner „seltsamen“ Ruhrpott-Slang: Das Gefühl der 80iger war sofort wieder da. Anders als bei Richard Linklaters „Everybody wants some!!“ , das ein sehr ähnliches Thema im selben Zeitraum behandelt, mir aber letztendlich fremd blieb.

„Radio Heimat – Damals war auch scheiße!“ wird m. E. nur richtig verstehen, wer in dieser Zeit im Alter der Protagonisten war, sich an die Musik zwischen Bata Illic und NDW erinnert und sich noch vorstellen kann wie es war, so richtig mit Freunden abzuhängen ohne ständig einen Blick auf’s Smartphone, Facebook und Twitter zu haben. Radio Heimat ist Ruhrpott und 80er pur! Jede Minute des Films ist von dem ganz speziellen Lebensgefühl dieses Milieus und dieser Zeit durchzogen. Die Sprache ist deftig, trocken, ganz im Ruhrgebietsdialekt verhaftet – und auch die Ära wurde perfekt in Szene gesetzt. Dank der authentischen Rekonstruktionen begibt sich der Zuschauer so auf eine herrlich nostalgische Zeitreise in die Zeit der perfekten Fönwelle, der durchgewetzten Turnschuhe und des übermäßigen Haargel-Konsums.

Bochum 1983. Den 16-jährige Frank und seine Kumpels Pommes, Spüli und Mücke treibt nur die eine Frage um: Wie kommt Mann an die Frau? Genau genommen an Carola Rösler, die ihnen gehörig den Kopf verdreht hat. Franks Vatter, ein echter Malocher, hat natürlich einen guten Tipp für seinen Sohnemann parat: die Tanzschule. Da hat es bei ihm schließlich auch gefunkt. Aber lassen sich die Kuppelgesetze von damals so einfach auf eine völlig andere Zeit übertragen? Einen Versuch ist es zumindest wert. Und so schwingen die vier Freunde wenig später das Tanzbein, nur um festzustellen, dass der vermeintlich felsensichere Plan gründlich daneben geht. Ausgerechnet der „Laberfürst“, der halb Bochum mit seiner großen Klappe nervt, gibt den vier Jungs einen wichtigen Ratschlag: Wenn sie Mädchen erobern wollen, müssen sie eine eigene Disco starten. Gesagt, getan. Im Partykeller steigt kurz darauf eine denkwürdige Fete. Leider schlägt jedoch der Plan, Carola betrunken und beim Strip-Poker nackig zu machen, katastrophal fehl. Aber so schnell geben Frank, Pommes, Spüli und Mücke nicht auf. In der Kneipe „Zum Sportfreund“ bei Wirt Siggi, wo es schon morgens zum Bier handgemachte Frikadellen, Mettbrötchen und die Riesenbockwurst namens „Jungferntraum“ gibt, hecken die Jungs wenig später schon den nächsten genialen Coup aus…

Seit Beginn seines Filmstudiums in Bochum 1991 wollte Matthias Kutschmann immer einen Ruhrgebiets-Kinofilm drehen – 25 Jahre später sollte sein Wunsch mit Radio Heimat in Erfüllung gehen. „Im Ruhrgebiet haben wir die Gelegenheit, großartige Tragikomödien zu erzählen, weil wir hier viele Probleme haben und trotzdem darüber lachen können“, sagt der Regisseur und nennt prominente Beispiele: die Ruhrgebiets-Trilogie von Adolf Winkelmann („Die Abfahrer“, „Jede Menge Kohle“, „Nordkurve“) und die Unna-Trilogie von Peter Thorwarth („Bang Boom Bang“, „Was nicht passt, wird passend gemacht“, „Goldene Zeiten“). Dass ausgerechnet Winkelmann und Thorwarth nun Co-Produzenten von Radio Heimat sind, macht Matthias Kutschmann besonders stolz. Auch Produzent Christian Becker („Bang Boom Gang“) hat ein Faible für Zechen, Fußball und Currywurst. Er findet: „Es hat viel zu lang keinen Ruhrgebiets-Film mehr gegeben.“ Nachdem er 2010 die Kurzgeschichten von Frank Goosen gelesen hatte, ließ ihn die Idee nicht mehr los, die Anekdoten aus „Radio Heimat“ und „Mein Ich und sein Leben“ als Kinofilm auf die große Leinwand zu bringen. Dazu musste Matthias Kutschmann die Kurzgeschichten in mühevoller Fleißarbeit aber erst einmal zu einer kinotauglichen Filmhandlung verweben.

Als der Plot stand, ging die Suche nach den passenden Darstellern los. Schnell war klar, dass sich viele Ruhrgebiets-Größen in Radio Heimat die Ehre geben würden, darunter Peter Lohmeyer, Ralf Richter und Elke Heidenreich. Darüber hinaus mussten aber auch Newcomer gefunden werden, etwa für die Rolle des Frank – und genau hier lag die Schwierigkeit. „Es hat lang gedauert, junge Schauspieler zu finden, die den Vorstellungen aus dem Buch entsprechen und die dann auch noch als Ensemble funktionieren“, erklärt Produzent Martin Richter. David Hugo Schmitz war für die Filmemacher gewissermaßen ein „Perfect Match“: So verkörpert er kongenial den Anführer, ohne sich dabei selbst zu sehr in den Vordergrund zu spielen. An Schmitz‘ Seite brillieren Maximilian Mundt als großmäuliger Punk Mircea „Mücke“ Kuwelko, Jan Bülow als unscheinbarer Mitschüler Michael „Pommes“ Jendritzki und Hauke Petersen als modebewusster Popper Heinz-Jürgen „Spüli“ Spülberger. In die Rolle der Carola Rösler schlüpfte Milena Tscharntke, die zuvor unter anderem in den Filmen „Die Wilden Hühner und das Leben“ und „Bruder vor Luder“ zu sehen war. Sie verkörpert glaubwürdig die Traumfrau, nach der die vier pubertierenden Freunde sehnsüchtig schmachten.

Von der Presse wurde „Radio Heimat“ positiv aufgenommen. „Die Teenager-Geschichten des Schriftstellers Frank Goosen über die Achtzigerjahre im Ruhrpott sind wunderbares Kinomaterial“, resümiert die Süddeutsche Zeitung, während der Kölner Stadt-Anzeiger befindet: „Es gibt eine Menge zu schauen und zu bestaunen in diesem hinreißend gekleideten und frisierten Film. Es geht um den Spaß am Zeitkolorit, Regionalsprech und Ruhr-Stars, um Export, Revierderby, Currywurst und das Herrengedeck in der Freistunde“. Auch das Fazit des Hamburger Abendblatts fällt positiv aus: „Die Komödie ist ein ironisch-liebevoller Blick auf die Region. Davon lebt auch der Film – und von Situationskomik.“ Und das Urteil der Filmzeitschrift Cinema lautet: „Alles, was zur Ruhrpott-Folklore gehört, wird liebevoll auf die Schippe genommen und fröhlich auf die Spitze getrieben. Das ist manchmal brüllkomisch, manchmal entwaffnend sentimental, aber immer unterhaltsam. Darauf ein Pilsken“.

Originaltitel: Radio Heimat
Land / Jahr: D / 2016
Genre: Komödie
Darsteller: David Hugo Schmitz: Frank, Maximilian Mundt: Mücke, Jan Bülow: Pommes, Hauke Petersen: Spüli, Milena Tscharntke: Carola, Marie Bloching: Nicole, Martina Eitner-Acheampong: Tante Matta, Birte Glang: Yvonne Steiger, Elke Heidenreich: Tante Henni, Heinz Hoenig: Siggi, Rouven David Israel: Matze Danner, Gerburg Jahnke: Oberhausenerin, Stephan Kampwirth: Franks Vater, Sandra Borgmann: Franks Mutter, Anja Kruse: Franks Omma, Hans-Peter Krüger: Matzes Vater, Peter Lohmeyer: Pommes‘ Vater, Uwe Lyko: Laberfürst, Matilda Merkel: Martina Blaschke, Petra Nadolny: Frau Boelcke, Ingo Naujoks: Franks Oppa, Jochen Nickel: Franks Onkel, Peter Nottmeier: Klassenlehrer Hecker, Hans Werner Olm: Essener, Maxwell Richter: Rüpel, Ralf Richter: Onkel Josef, Martin Semmelrogge: Kumpel, Willi Thomczyk: Bottroper, Daniela Wüstner: Petra Wegmann u.a.
Regie: Matthias Kutschmann
Drehbuch: Matthias Kutschmann
Romanvorlage: „Radio Heimat“ von Frank Goosen
Produzent(en): Christian Becker, Martin Richter, Markus Zimmer
Kamera: Gerhard Schirlo
Schnitt: Georg Söring
Musik: Riad Abdel-Nabi
FSK: 12

Blu-ray Disc™
Laufzeit: ca. 85 Min. + 30 Min. Bonus
Bildformat: 1080p High Definition 2,40:1 (16:9)
Tonformat und Sprache(n): Deutsch DTS-HD Master Audio 5.1, Dolby Digital 2.0
Untertitel: Dt. für Hörgeschädigte (ausblendbar)
Extras: Making-of, Setführung mit Matthias Kutschmann, Featurettes, Wendecover

Webseite zum Film: Radio Heimat

Gewinnspiel
Wir bedanken uns bei Concorde Home Entertainment, die uns nicht nur eine Rezensions-Disc zur Verfügung gestellt haben, sondern auch eine DVD und eine Blu-ray des Films, die wir an euch verlosen dürfen. Und das ziehen wir jetzt auch durch. Was müsst ihr tun, um eine der Discs zu gewinnen? Gebt einen Kommentar zu diesem Posting ab und nennt uns einen Film, der in den 80er Jahren gedreht wurde oder in den 80er Jahren spielt, der euch besonders gefallen hat. Eine kurze Begründung, warum dieser Film euch so beeindruckt hat, wäre nett, ist aber nicht Bedingung. Außerdem solltet ihr angeben,  ob euch die Blu-ray oder die DVD lieber wäre. Dazu habt ihr bis zum 5.6.2017 um Mitternacht Zeit, dann schließen wir die Kommentare. Sollten dann mehr als zwei Kommentare abgegeben worden sein (Isch mach disch Grammatik, Alter!) lassen wir das Los entscheiden. Mitarbeiter der beteiligten Firmen dürfen nicht mitmachen, der Rechtsweg ist ausgeschlossen, viel Spaß!

Update:
Einsendeschluss! Das Los hat entschieden, Brigitte Neudorf hat die DVD gewonnen, knoedo die Blu-ray. Die Gewinner werden per Mail benachrichtigt, wir danken allen Teilnehmern für’s Mitmachen!

Robert Hill, freier Journalist und Fotograf. Kommt eigentlich aus München, wohnt im Taunus. Mag mechanische Uhren und klassische Kameras. Fotografiert, wenn privat, immer noch am liebsten auf Diafilm. Hat es geschafft, im letzten Jahr mehr Kilometer mit dem Fahrrad als mit dem Auto zu fahren. In “Roberts Blu-rays” stellt er in unregelmäßiger Reihenfolge Neuerscheinungen vor, die vielleicht interessant für euch sind. Weitere Filmtipps von Robert findet ihr unter www.film-blog.tv.

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6 Antworten zu [Roberts Blu-rays] Radio Heimat – Damals war auch scheiße!

  1. AvatarThies sagt:

    Ich hatte letztens die Gelegenheit die Essenz der 80er in all ihrer peinlichen Pracht auf der großen Leinwand zu sehen: „Voyage of the Rock Aliens“ oder wie er „auf deutsch“ hieß: „Rock Aliens – Let’s dance tonight“. Videoclip-Optik galore, hirnrissiger Humor, Klamotten und Frisuren zum blind werden und als Cocktail-Kirsche obendrauf noch Pia Zadora, die vier Lieder singt mit drei verschiedenen Stimmen. Kurz gesagt: der Film hat mein Herz im Sturm erobert.

    • AvatarThies sagt:

      Hab es vergessen dazuzuschreiben: sollte ich gewinnen hätte ich gerne die Blu-ray.

  2. AvatarPatrick sagt:

    Also da reicht ein Wort aus: „Shining“ 😀
    Den Film hab ich zwar erst in den späten 90ern gesehen, aber der hat mich als Jugendlicher richtig beeindruckt und mich noch lange beschäftigt. Es ist auch einer der wenigen Filme, die ich heute noch gern sehe und bei dem sich auch nach dem Ende alle Gedanken um diesen drehen 🙂
    Einfach großartiges Kino – den Film sollte jeder mal gesehen haben! 🙂

    Sollte ich gewinnen, würd ich mich über die Blu Ray freuen 🙂

    Mit freundlichen Grüßen
    Patrick

  3. AvatarTilman sagt:

    Passend dazu:
    Daheim sterben die Leut‘ (1985)
    https://de.m.wikipedia.org/wiki/Daheim_sterben_die_Leut’
    „Radio Heimat“ aus dem Allgäu, aber in der Zeit gedreht.
    Göttlich (oder teuflisch?), skurril und mit einer wunderbaren Anni Rapps als „Silke aus Göttingen“.

    Lieber die DVD.

  4. Avatarknoedo sagt:

    Mein Lieblingsfilm aus den 80ern: Harry und Sally – und ausdrücklich nicht wegen der Orgasmus-Szene …

    Blu Ray oder DVD – egal
    Hauptsache Ruhrpott 😉

  5. AvatarBrigitte Neudorf sagt:

    Blade Runner aus 1982 – einer der besten SF-Filme überhaupt. Ich freue mich schon auf die Fortsetzung. DVD bitte.