Vive l’Elfmeterschießen – Turniertagebuch Tag 21

Frankreich ist deutlich näher als Brasilien, trotzdem haben wir auch bei diesem Turnier keinen Sonderkorrespondenten vor Ort. Wir verfolgen die Spiele vor dem Fernseher. Zuhause, in der Kneipe, bei den Public Viewings, überall da, wo Männer sich treffen, die den Fußball lieben und leben. Wie bei jedem Turnier führt Chris Kurbjuhn spieltäglich ein Turnier-Tagebuch mit Kommentaren, Anekdoten, dummem Fußballzeugs und Erinnerungen an frühere Turniere. Football, bloody hell!

Das erste Halbfinale der EM steht heute auf dem Programm, Portugal-Wales heißt die Paarung. Angesichts der Defensivtaktik, mit der Portugal bis hierher gekommen ist, ist es durchaus wahrscheinlich, dass der erste Final-Teilnehmer im Elfmeterschießen ermittelt wird. Das ist mittlerweile durchaus normal. Es drängt sich die Frage auf, ob die Verlängerung vor dem Elfmeterschießen noch Sinn macht.Verlängerungen wie die zwischen Deutschland und Italien am letzten Samstag, als beide Teams bis zur 120. Minute gefightet haben, um die Entscheidung eben NICHT durch Elfemeterschießen herbei zu führen, sind mittlerweile die Ausnahme. Zumindest bei diesem Turnier ist es eher üblich, dass beide Gegner bei Torgleichstand ab ca. der 80. Minute in eine Art Schockstarre verfallen, die dann bis zum Abpfiff der Verlängerung anhält: Jetzt nur keinen Fehler mehr machen! Jetzt nur nicht an irgendeinem Gegentor schuld sein! Lieber Elfmeterschießen, dann hat man eben Pech gehabt. Hauptsache, wir sind nicht schuld!

Diese Denk- und Spielweise mag vielleicht menschlich verständlich sein, ich empfinde sie als sportlich unwürdig. Warum wurde denn das Elfmeterschießen zur Entscheidungsfindung eingeführt? Um das Wiederholungsspiel zu verhindern, das die Regel damals vorsah, und um beide Mannschaften dazu zu bringen, die Entscheidung während der regulären Spielzeit plus Verlängerung zu suchen.

Doch während der letzten 50 Jahre hat offenbar ein Mentalitätswechsel stattgefunden. Wo früher Spieler alles gegeben haben, um das nervenzerfetzende Lotteriespiel vom Elfmeterpunkt aus zu vermeiden, hat die aktuelle Spielergeneration sich damit arrangiert. Vor die Wahl gestellt, ein Risiko einzugehen und möglicherweise durch verdientes Glück zu gewinnen oder kein Risiko einzugehen und möglicherweise durch unverdientes Pech zu verlieren, ist aktuellen Teams und Trainern oftmals die zweite Variante die liebere. Es wird mehr und mehr auf Elfmeterschießen gespielt.

Das muss man leider akzeptieren, ob es einem gefällt oder nicht. Aber wenn diese Mentalität weiterhin auf dem Vormarsch bleibt, braucht wirklich kein Mensch mehr die dreißig Minuten Verlängerung, in der zwei Mannschaften mehr Angst voreinander als vor einem Elfmeterschießen haben. Deshalb: Verlängerung abschaffen, gleich nach der regulären Spielzeit in den Shootout gehen.

Mein Tipp für heute:
Portugal – Wales 2:1
Ja. Die Hoffnung stirbt zulezt, ich möchte KEIN Elfmeterschießen sehen.

Euch allen einen schönen Spieltag, viel Spaß!

 

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