Seelers Bein – eine Fußball-Geschichte zum Rückrundenstart

Uwe Seeler (Foto:  Nationaal Archief, Den Haag, Rijksfotoarchief: Fotocollectie Algemeen Nederlands Fotopersbureau (ANEFO), 1945-1989 - negatiefstroken zwart/wit, nummer toegang 2.24.01.05, bestanddeelnummer 921-3780 (Nationaal Archief Fotocollectie Anefo) [CC BY-SA 3.0 nl , via Wikimedia Commons)

Uwe Seeler (Foto: Nationaal Archief, Den Haag, Rijksfotoarchief: Fotocollectie Algemeen Nederlands Fotopersbureau (ANEFO), 1945-1989 – negatiefstroken zwart/wit, nummer toegang 2.24.01.05, bestanddeelnummer 921-3780 (Nationaal Archief Fotocollectie Anefo) [CC BY-SA 3.0 nl , via Wikimedia Commons)

„You don’t pick the team, the team pick’s you.“ heißt die Standardantwort auf die Frage, wie man Fan einer Fußballmannschaft wird. Ich kann das unterschreiben, so funktioniert’s tatsächlich. Zumindest hat es bei mir und der deutschen Nationalmannschaft funktioniert.

1965 war das, ich war acht Jahre alt und hatte noch kein ganzes Fußballspiel gesehen. Live-Übertragungen ganzer Spiele waren eher die Ausnahme als die Regel, die noch junge Bundesliga gab’s überhaupt nur in hastig zusammengeschnittenen Kurz-Filmchen in der Sportschau, die ich eher öde fand.

Aber am 26. September ging’s ums Ganze, da wurde live gesendet, entscheidendes Quali-Spiel für die WM in England, auswärts, gegen Schweden. Bisher hatte die Nationalmannschaft eher durchwachsen gespielt, gegen Schweden musste ein Sieg her, sonst war’s nix mit der WM in England. Mit Uwe Seeler, seinem Können, seinem Fleiß, seinem unbändigen Willen und seiner Kampfkraft wäre das vermutlich machbar, aber… Uwe Seeler hatte sich 6 Monate vorher die Achillessehne gerissen. Er hatte zwar signalisiert, dass er schon halbwegs wieder fit wäre, und mit einem Spezialschuh einer bekannten Firma, für die Seeler als Vertreter arbeitete, spielen können würde. Aber das war absurd. Achillessehnenriss war damals Karriere-beendend. Doch Helmut Schön, dieser Einfaltspinsel, der Herberger nie und nimmer das Wasser reichen konnte, hatte auf Seeler gehört, ihn tatsächlich nominiert und angekündigt, ihn auch aufzustellen. Das war der Untergang, Deutschlands Schicksal war besiegelt, das konnte nichts werden.

Trotzdem versprach die Sache einigermaßen spannend zu werden, so dass bei Kurbjuhns der Fernseher eingeschaltet wurde – natürlich machte mein Vater wieder seine abfälligen Bemerkungen über den „Proletensport“ – und wir uns zusammen das Spiel anguckten. Mein erstes Spiel in voller Länge.

Ich hatte noch nie etwas Spannenderes gesehen. Bei jedem schwedischen Angriff machte ich mir vor Angst, die könnten ein Tor schießen, beinahe in die Hose. Bei jedem deutschen Angriff zitterte ich vor Aufregung. Kurz vor der Pause war’s soweit, die Schweden lochten ein, 1:0. Ich dachte, ich sterbe, und vermutlich wäre ich auch gestorben, wenn Eia Krämer nicht postwendend zum 1:1 ausgeglichen hätte. Pause. Ich steckte mir die Finger in die Ohren, um die defaitistischen Sprüche (alles gelaufen, keine Chance, Seeler kaputt, Schweden ist durch) meines Vaters nicht hören zu müssen.

Die zweite Halbzeit wurde angepfiffen. Nach 9 Minuten schlägt Grosser den Ball von rechts vors Tor, der schwedische Keeper klatscht ab, und dann schliddert Uwe Seeler und macht ein gaaaaaanz langes Bein (natürlich mit dem kaputten Bein, womit denn sonst?) und schiebt den Ball zum 2:1 Endstand rein. Wahnsinn.

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Video-Link: https://youtu.be/YsQtuJXnxOY

Deutsche Nationalmannschaft picked me on September 26th, 1965.

Das im gleichen Spiel Beckenbauer sein Nationalmannschaftsdebüt gegeben hat, hab ich gar nicht mitgekriegt.

Dieses Posting ist Eljefe gewidmet, dem Vorjahres-Champion unseres Bundesliga-Tippspiels. Eljefe ist vor ein paar Tagen nach langem, schweren Kampf gegen den Krebs gestorben.

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