Klartext: Wir brauchen mehr streitbare Männer

Foto: bigbug21 (Own work) [CC BY-SA 2.5], via Wikimedia Commons

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Der Bahnstreik ist vorerst vorbei, ab morgen fahren fast alle Züge wieder, ab nächste Woche wird geschlichtet, ein Land atmet auf. Warum eigentlich?

Weil wir reibungslose Funktionalität über alles stellen Keine andauernden Auseinandersetzungen ertragen können. Weil wir uns bei einem Streit nicht dafür interessieren wer die besseren, richtigeren Argumente hat, sondern nur dafür, wie man ihn am schnellsten beilegen kann.

Es gab eine Zeit, da waren Männer, die man »streitbar« nannte, absolute Vorbilder. Das waren Kerle, die keine Auseinandersetzung scheuten, um sich für die Rechte anderer einzusetzen. Die nicht bereit waren, einen Standpunkt, den sie für rechtens hielten, um des bloßen Konsens willen aufzugeben. Männer, die wussten, dass Freiheit ein höheres Gut als Bequemlichkeit ist. Das ist lange her. Heute bezeichnet man streitbare Männer als wahnhafte Nervensägen.

Und diese Harmoniesucht der Öffentlichkeit, die sofort einsetzende allgemeine Schnappatmung, wenn bei einem Streit nicht binnen Millisekunden ein Konsens gesucht und gefunden wird, hat es großen Teilen der Presse ermöglicht, über die – übrigens immer noch andauernde – Tarifauseinandersetzung massiv parteiisch und z. T. grob verfälschend zu berichten. Die Tarifautonomie, das Recht auf Streik, das Recht sich gewerkschaftlich zu organisieren und eigene Gewerkschaften zu bilden… all das sind wir bereit zu ignorieren oder gleich preiszugeben, damit wir weiter kommod in ruhig Mutti-Land leben können, nur um des lieben Friedens willen.

Bloß dass solcher Frieden nicht lieb ist. Friedensschlüsse, die um ihrer selbst Willen geschehen, legen sich wie Mehltau über das Land, betonieren Ungerechtigkeiten und hemmen gesellschaftlichen Fortschritt. Wer schon einmal versucht hat, etwas zu verändern, weiß, wie beharrlich die Kräfte sind, die den Status Quo bewahren wollen. Wir sollten aufhören, streitbare Männer zu diffamieren bzw. zuzulassen, dass sie von den Medien diffamiert werden. Damit diese Gesellschaft nicht endgültig zum Stillstand kommt und im Treibsand der selbstverordneten inneren Friedlichkeit erstickt, brauchen wir mehr streitbare Männer, die bereit sind, für ihre Überzeugungen zu kämpfen. Öffentlich. So lange, wie es nötig ist.

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6 Antworten zu Klartext: Wir brauchen mehr streitbare Männer

  1. AvatarAldres sagt:

    Es ist schon erstaunlich, wie ein Gewerkschaftsfunktionär persönlich angegangen wird, der sich für seine Mitglieder einsetzt und nicht klein beigibt. Der sagt: Bitte schön, das sind unsere Rechte und die möchten wir ausüben. Mit dem was der Streik bis jetzt gekostet hat, wären wahrscheinlich alle Wünsche der GDL übererfüllt.

  2. Avataroachkatz sagt:

    Hm. ich weiß nicht, ob es dem einen oder der anderen nicht doch eher darum ging, endlich wieder in planbaren und erträglichen Zeiträumen von A nach B, zum Beispiel zur Arbeit oder in den wohlverdienten Pfingsturlaub zu kommen als um pure Harmoniesucht?
    Das heißt nicht, dass ich den Streik nicht berechtigt finde, oder das Durchhaltevermögen der Lokführer nicht wertschätze, ich meine nur, dass der Volkszorn vielleicht doch noch berechtigtere Auslöser hat/te als nur den lieben Frieden.

  3. AvatarKlaus Klattke sagt:

    Bessa kann man et kaum sajen, bzw schreiben!

  4. Avatarkiezneurotiker sagt:

    Word!

  5. Avatarbabypopo sagt:

    Chapeau!
    Ich ziehe meinen imaginären Hut.

  6. Pingback:Ein Super-Bogenschütze, Fernsehtipps und mein Geburtstags-Konzert - die Links der Woche vom 15.5. bis 21.5. | Männer unter sich

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