[WM 2014] Turniertagebuch Tag 17 – Bloody Hell!

Lattenkracher - Foto: Andre Karambatsos (private) [CC-BY-SA-3.0 or CC-BY-SA-2.5-2.0-1.0], via Wikimedia Commons

Lattenkracher – Foto: Andre Karambatsos (private) [CC-BY-SA-3.0 or CC-BY-SA-2.5-2.0-1.0], via Wikimedia Commons

Wir haben keinen Sonderkorrespondenten vor Ort in Brasilien, unsere WM findet im Fernsehen statt, bei Public Viewings, in den Kneipen, wo Männer sich treffen, die Fußball leben und atmen und das Spiel lieben. Hier schreibt Chris Kurbjuhn spieltäglich sein WM-Tagebuch, kommentiert das Geschehen, erzählt Anekdoten und dummes Fußballzeug und erinnert sich an frühere Turniere. Football, bloody hell!

Brasilien – Chile wäre beinahe das perfekte Match gewesen. Eins dieser Matches, wegen denen ich den Fußball so liebe, wenn er zur Sport gewordenen Utopie wird, wenn der Schwache sein Herz in beide Hände nimmt und alles, wirklich alles in die Waagschale wirft, um den Starken zu besiegen… Warum ist Pinillas Lattenkracher in der 119. nur nicht reingegangen?

„Football, bloody hell!“, wieder einmal passt der Ferguson-Ausruf wie die Faust aufs Auge, ein Mords-Spiel voller Drama und Dramen.

Um Himmelswillen, was für ein Riesenmoment, als Gary Medel, der alte Haudegen, mit Tränen in den Augen vom Platz getragen wurde, getapet wie eine Mumie hatte er gespielt, er wollte weitermachen, aber er konnte nicht mehr… und als die Chilenen im Elfmeterschießen in Serie verschossen, da verstand ich seine Tränen. Er hätte getroffen, er hätte Erfahrung weiterzugeben gehabt, mit ihm wär’s vielleicht anders ausgegangen. So hat der Riese nur gewankt, aber er ist noch einmal stehen geblieben. Was für ein Spiel!

Wenn wir die Emotionen mal beiseite lassen: Das Viertelfinale wird schwer für Brasilien. Bei aller Sympathie, aber Chile hat doch eher einfach agiert, zudem ist den Chilenen gegen Ende und in der Verlängerung ziemlich die Puste ausgegangen… dass die Seleção da kein Tor macht UND dass sie einen Zwei-Tore-Vorsprung im Elfmeterschießen vor heimischen Publikum wieder hergibt… Öha! Wenn eine spielerisch stärkere Mannschaft dagegen hält… Nee, Brasilien, das gibt so nix. Da könnt ihr durch diesen arschknappen Sieg noch so sehr zusammenwachsen und gestählt werden, wie einige vermuten, das ist nicht titelwürdig oder titelfähig, was ihr da spielt. Gegen den bei weitem spielerisch schlechtesten Weltmeister, den ich gesehen habe, Italien 2006 (die stärksten waren – natürlich – die 70er Brasilianer), hätten diese Brasilianer keine Chance. Und: Bin ich eigentlich der einzige, der diese ständigen Aufforderungen ans Publikum, doch bitteschön angefeuert zu werden, entsetzlich arm findet?

Nee, ich leg mich fest: Das gibt nix mit Brasilien bei diesem Turnier. Schon gegen Kolumbien im Viertelfinale kann das Licht ausgehen, spätestens im Halbfinale wird das Licht für die Seleção gelöscht. Und es wird der deutschen Nationalmannschaft eine Freude und Ehre sein, den Schalter zu betätigen.

Ein weiterer Grund, warum ich ein baldiges Ausscheiden Brasiliens aus dem Turnier befürworte: Dieses Scheiss-Copy-und-Paste, dass ich immer machen muss, wenn ich „Seleção“ schreiben will, muss endlich ein Ende haben.

Stichwort Kolumbien: Zwei fan-tas-tische Tore – ich kann mich wirklich nicht entschieden, ob mir der Dropkick oder die Klipp-Klapp-Kombination besser gefällt – aaaaber: Uruguay hat auf ganzer Linie enttäuscht, das war blutarm, das war leblos, noch nicht mal zu ihrer üblichen Holzerei konnten sie sich aufraffen. An diesem Team sind England und Italien gescheitert? Erstaunlich. Ich will Kolumbien weder kleinreden noch überbewerten: die Nagelprobe für dieses Team kommt im Viertelfinale.

Zum Tippspiel: Führungswechsel. Spitzenreiter perny hatte den Uru vorne gesehen und musste sich mit zwei Punkten begnügen, Runner-Up Kobold nutzte die Gunst der Stunde und schob sich mit einem Mörder-Tipp (7 Punkte aus zwei Spielen, einmal korrektes Ergebnis, einmal korrekte Tordifferenz) nach vorne.

Zu den heutigen Partien mit meinen Tipps aus unserem Tippspiel:
Niederlande – Mexico 3:0
Costa Rica – Griechenland 1:0

Premiere! Costa Rica und Griechenland treffen zum ersten Mal überhaupt aufeinander. Und es sollte für Costa Rica reichen, „locker“ mag ich angesichts der griechischen Defensiv-Beißern nicht schreiben, aber wer die Gruppe mit Uruguay, England und Italien gewonnen hat, der sollte auch ein Mittel gegen die hellenischen Steinzeit-Minimalisten finden.
Erstaunlich ausgeglichener Score bei Niederlande-Mexico: 3 Siege, 1 Unentschieden und 2 Niederlagen für die Elftal, eine einzige WM-Begegnung habe ich gefunden, das war 1998 in der Vorrunde:

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Video-Link: http://youtu.be/eJVioy3yJnw

Gerechtes 2:2. Diesmal wird’s für Mexico nicht langen, die Holländer sind zu stark. Und das bedeutet auch den letzten WM-Auftritt für unseren Lieblings-Coach, den Mann, der Pep Guardiola eindrucksvoll seine Grenzen aufzeigte: Miguel Herrera!

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Video-Link: http://youtu.be/siNaxIgC-PE

Andererseits… die Holländer sind zwar das offensivstärkste Team bisher, aber Mexico hat (wie Costa Rica und Belgien) bisher überhaupt nur ein Tor kassiert. Geht vielleicht doch noch was für „El Piojo“? Van-Gaal-Teams tun sich ja schwer gegen tief stehende Mannschaften… Football, bloody hell!

Euch allen viel Spaß, schöne Spiele!

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