Alltagssprache drückt Alltägliches aus. Etwa das postmodern-beliebige Verständnis von Mehrwert als bloß subjektivem Nutzen. In der marx´schen Arbeitswertlehre ist – und bleibt – Mehrwert eine Leitkategorie: „Die im Mehrprodukt vergegenständlichte Mehrarbeit des Lohnarbeiters, d.h. der Wert, den der Lohnarbeiter über den in der notwendigen Arbeit produzierten) Ersatz des Wertes seiner Arbeitskraft hinaus neu produziert; er ist als solcher Vergegenständlichung unbezahlter Arbeitszeit. Nach dem Mehrwertgesetz ist die möglichst große Produktion von Mehrwert (bzw. die möglichst große Ausbeutung der Arbeitskraft) das Ziel der kapitalistischen Produktion. Aus der Rückverwandlung des Mehrwerts in Kapitel entspringt die Akkumulation des Kapitals.“
Soweit beispielhaft zum praktischen Gebrauchswert dieses nun in zweiter Auflage erschienen Marx-Engels-Lexikon. Oder präziser mit Karl Marx: Mehrarbeit und Mehrwert schaffen Profit. Aus diesem entsteht Kapital als „sich selbst verwertender Wert, Wert, der Wert gebiert“i – ein wichtiger Marx-Hinweis, der, leiderschade, auch in der zweiten Auflage dieses Lexikons mit seinen rund 250 Stichworten im zentralen Stichwort “Kapital“ (170-178) fehlt und in jede folgende Auflage eingehen möge.
Für jeden Handapparat von an marxistischer Theorie und Analyse ebenfalls geeignet ist das in dritter Auflage erschienene „Das Kapital“ kompakt. Das Bändchen erschien in der Reihe Basiswissen Politik/Geschichte/Ökonomie. Der Autor ist ein emeritierter, marxistisch orientierter Lehrstuhlpolitologe der „Marburger Schule“. Er stellt nach Kürzesteinleitung („Was ist Kritik der Politischen Ökonomie?“) mit vielen bequellten Zitaten die drei Bände des „Kapital“ von Marx in Kurzfassung(en) vor. Das ist löblich, kenntnisreich, ohne besserwisserischen Unterton, Marx-Neu-Denken-Pose und sachlich gelungen. Auch im Vergleich mit anderen aktuellen Marx-Einführungsbüchern.ii Besonders hervorzuheben: die drei Bände von „Das Kapital“ werden als Einheit gesehen und vorgestellt: der erste zum Produktionsprozess des Kapitals; nur kurz der zweite zum Zirkulationsprozess der kapitalistischen Produktion. Und umso ausführlicher der von Friedrich Engels (1820-1895) editorisch ergänzte dritte zum Gesamtprozess der kapitalistischen Produktion (1894) mit Blick auf die Weiterentwicklung kapitalistischer Organisationsformen (etwa Aktiengesellschafen).
Der kompakt-kommentierten Darstellung angehängt sind drei fünfseitige Abschnitte: „Revolution?“ erinnert an den von Marx´ 1844 formulierten handlungsbezogenen kategorischen Imperativ, nämlich „alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist.“iii Literatur- und Sachregister beschließen diese Einführung in die marxistische Kritik der politischen Ökonomie mit ihrem Anspruch, zur selbständigen Marx-Lektüre anzuregen.
Im G-Strich-Buch wird Marx nicht nur als Geld-Analytiker sowohl einvernommen als auch wo immer nötig über ihn hinausgegangen. Herausgekommen ist mehr als nur eine „kleine“ Geschichte des Kapitalismus als ökonomisches System, das Geld in Kapital verwandelt, durch Kapital Mehrwert und aus Mehrwert mehr Kapital „macht“. Und aus dessen „stummen Zwang der ökonomischen Verhältnisse“iv ein – inzwischen wieder globalisiert wirksames – gesellschaftliches Herrschaftssystem wurde.
Nach Autorenvorbemerkung zur „Kapitakistik“ und einem zweiteiligen Theorieteil erzählt Fülberth in zehn historisch angelegten Kapiteln vom vorkapitalistishen Feudalismus bis zum heutigen staatsmonopolitischen Finanzkapitalismus (STAMOFIKA)v so verständlich wie möglich und so wissenschaftlich wie nötig seine Geschichte des Kapitalismus. Im Schlußkapitel zum in Fragezeichen gesetzten „Ende des Kapitalismus“ bleibt der Autor prognostisch zurückhaltend was die Zeitdimension betrifft. Literatur- und Personenverzeichnisse runden den Band ab. Die breit verzerrte, verstümmelte und ohne Quellenhinweis vernutzte Titelgraphik des Paperback-Umschlags – Gerd Arntz´ Fabrik (1927)vi – wirkt/e auf mich ästhetisch nachhaltig abstoßend.
Das Marx-Engels-Lexikon. Begriffe von Abstraktion bis Zirkulation. Hg. Konrad Lotter u.a. Köln: PapyRossa, ²2013, 402 p., ISBN 978-3-89438-516-3; 19.80 € (D); 20.50 € (A)
Georg Fülberth, „Das Kapital“ kompakt. Köln: PapyRossa, ³2013, 123 p., ISBN 978-3-98438-452-4; 9,90 € (D); 10,20 € (A)
Georg Fülberth, G Strich. Kleine Geschichte des Kapitalismus, Köln: PapyRossa, 2014; 5., überarbeitete und erweiterte Auflage, 346 p., ISBN 978-3-98438-518-7; 16.90 € (D); 17.50 (A)
iKarl Marx, Resultate des unmittelbaren Produktionsprozesses; Frankfurt/Main 1969: 84
iiRichard Albrecht, Marx zur Einführung; in: Sozialwissenschaftliche Literatur Rundschau, 35 (2012) 65: 103-107
iiiKarl Marx, Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie; in: Marx-Engels-Werke Band 1. Berlin 61969: 385
iv Karl Marx, Das Kapital. Kritik der politischen Ökonomie. Erster Band: Der Produktionsprozeß des Kapitals [1867], VII/24; in: Marx-Engels-Werke Band 23. Berlin ²1967: 765
v Richard Albrecht, BANKSTERISMUS ALS/UND GELDBEZOGENE SCHEINWERTSCHÖPFUNG; in: soziologie heute, 5 (2012) 22: 32-35
vi Gerd Arntz, Zeit unterm Messer. Holz- & Linolschnitte 1920-1970. Köln: iLv Informationspresse – c.w. Leske, 1988, 84; zum Künstler Richard Albrecht [2012], Schwarz-Weiß & Gegen den Strom: Gerd Arntz (1900-1988): http://soziologieheutenews.files.wordpress.com/2012/09/richard-albrecht-gerd-arntz-portrc3a4t.pdf http://filmundbuch.wordpress.com/2013/02/01/schwarz-weis-gegen-den-strom-gerd-arntz-1900-1988-ein-portrat-von-richard-albrecht/
Richard Albrecht ist ausgebildeter Journalist, betrieblicher Ausbilder und Sozialwissenschaftler (Diplom, Promotion, Habilitation) und lebt seit seiner Beurlaubung als Privatdozent (1989) als unabhängiger Wissenschaftsjournalist, Editor und Autor in Bad Münstereifel. 1991 Veröffentlichung des Forschungsansatzes THE UTOPIAN PARADIGM. 1994/97 Redaktionsleier der Carl-Zuckmayer-Blätter und Herausgeber Theater- und Kulturwissenschaftliche Studien. 2002/07 Herausgeber des Netzmagazins rechtskultur.de. 2005/10 Forschungen zum ARMENOZID als erstem Völkermord im 20. Jahrhundert. 2011 erschien als bisher letzte Buchveröffentlichung des Autors HELDENTOD. Kurze Texte aus Langen Jahren. Bio-Bibliographie http://wissenschaftsakademie.net