Im neuen Jahr: gleich wieder heiße Luft aus Hamburg

Kaum hat das neue Jahr begonnen, wird uns aus Hamburg wieder jede Menge heiße Luft um die Ohren gepustet. „Oh, Mann“ titelt der neue SPIEGEL, untertitelt konsequent inkonsequent jedoch immer noch mit dem „starken Geschlecht“ (gemeint sind immer noch wir, die Jungs), um im Heftinnern wieder einen Salto rückwärts zu schlagen: „Männerdämmerung“ ist das letzte Etikett, was das „bekannte Hamburger Nachrichtenmagazin“ seiner Titelstory aufpappt. Wir haben die Story gelesen und sagen, ob der Kauf des aktuellen SPIEGEL-Heftes lohnt.

Tja, und die Titelgeschichte steigt gleich total lebensnah ein, mit einem Ehepaar, bei dem die Frau doppelt so viel verdient wie der Mann. Sie ist Professorin, er Gas-Wasser-Installateur. Uiuiui, ganz heißes Eisen, was der SPIEGEL da anpackt, da fliegen bestimmt die Fetzen bei diesem Ehepaar…

Äh, nein. Für dieses Paar war die Tatsache, dass die Frau mehr verdient als der Mann „nie ein Thema“. Das Problem des Paares, das in einem „schicken, hellen Einfamilienhaus in Baden-Württemberg“ lebt ist, dass sie ein Kind haben möchten und die Frau das nicht mit ihrem Professorenjob übereins kriegt. Sie hat Angst, nicht mehr zurück in ihren Beruf zu kommen, er kann nicht auf Teilzeit gehen, weil das in seinem Job nicht möglich ist, also schieben sie den Kinderwunsch vor sich her. So weit, so Alltag, aber wie die Autoren anhand dieses Beispiels darauf kommen, dass sich eine Kluft zwischen Frauen und Männern in Deutschland auftut, verraten sie nicht. Zwischen den in der Titelstory geschilderten Eheleuten ist jedenfalls keine Kluft zu erkennen.

Weiter im Text. Jetzt kommt Herr Hurrelmann zu Wort. Herr Hurrelmann ist Soziologe, leitet eine Studie und hat herausgekriegt, dass über 80 Prozent der jungen Frauen heute mit dem Selbstverständnis leben, „erfolgreich einen Beruf ausüben zu wollen“. ja, jetzt brat mir doch einer einen Storch! Diese Frauen, was denen nun wieder einfällt. War wohl doch voreilig, dass mit der Gleichberechtigung, damals, vor hundert Jahren. Wer hätte denn ahnen können, dass die Frauen das Ernst nehmen?

Und Hurrelmann legt nach: 80 Prozent der Frauen wollen Karriere machen und nur 40 Prozent der Männer wollen Sie dabei unterstützen. „Das passt nicht zusammen“, meint Hurrelmann, und er hat recht. Wären ja hundertzwanzig Prozent. Aber wo ist denn nun die männliche Identitätskrise? Aus der Tatsache, dass 60 Prozent der Männer von irgendwelchen auf ihren Job fixierten Karrieretussis nix wissen wollen, spricht ja eher ein gesundes, männliches Selbstbewusstsein…

Nein, ist ja alles ganz anders, weiß der SPIEGEL und davon künden „besorgniserregende Botschaften aus Übersee“. In den USA ist nämlich ein Bestseller erschienen, „The End of Men“, der wird dort kochendheiß diskutiert, und jetzt im Januar kommt er bei uns in die Buchläden… Nee. Der SPIEGEL wird doch nicht eine ganze Titelgeschichte darauf verschwenden, ein Buch zu pushen?

Doch. Macht er. Das Buch hat’s auch bitter nötig, weil es sich ohne diesen SPIEGEL-Hype vermutlich gar nicht verkaufen würde. Denn die Autorin dieses Buchs, Hanna Rosin, erzählt von den USA: Dort haben die Männer in der Wirtschaftskrise ihre Jobs Verloren, die Frauen waren beim Finden von Arbeit flexibler, wurden zuFamilienernährerinnen und die Männer kommen damit nicht klar. Tjaja, nur muss sogar der SPIEGEL zugeben, dass die Situation in Deutschland deutlich anders ist: „Frauen, die mehr verdienen als ihre Männer sind hierzulande vergleichsweise rar. Und schon gar nicht kann davon die Rede sein, dass auf dem deutschen Arbeitsmarkt mehr Frauen als Männer tätig sind.“

Aha. Also ist das Pärchen, mit dem die Titelgeschichte eröffnet hat, ein Exotenfall, und Studienleiter Hurrelmann hat Unfug geredet. Das ist jetzt irgendwie blöd für die Titelgeschichte, kann man da nicht doch irgendwas retten und den deutschen Männern eine Identitätskrise andichten?

Doch, kann man. Indem man, wie die Spiegel-Jungs und -Mädels, nach Wanzleben-Börde in Sachsen-Anhalt fährt, und staunt, dass die dort eine Frau als Bürgermeisterin haben. Boah, eyh! Der Wahnsinn! Waren wohl lange nicht in Frankfurt/Main, die SPIEGEL-Journalisten, die weibliche Bürgermeister vorwiegend im Osten ausmachen. Da ist dann aber gewaltig Männerkrise, oder?

Nö. Auch nicht, meint die Titelgeschichte, die jetzt den Männerforscher Martin Dinges ins Spiel bringt, der beunruhigende Sachen sagt iwe: „Noch immer arbeiten 93 Prozent der beschäftigten Männer in Deutschland Vollzeit, und 90 Prozent der Teilzeitarbeitenden sind Frauen.“

Ja, Teufel auch, das hört sich doch – aus mämmlicher Sicht – ganz okay an. Wo ist denn nun die Männerkrise. Sagt uns der SPIEGEL nicht. Stattdessen erzählt er von einem Jungen Mann, der in Rostock in der KiTa als Erzieher arbeitet. Ist da ziemlich allein unter Frauen, scheint sich aber trotzdem wohl zu fühlen und zufrieden mit seinem Job zu sein.

Aha. Und WO, verdammt nochmal, ist jetzt die Männerkrise? Jedenfalls nichtg in Grindelwald, wo die Titelstory endet, wieder bei einem paar, dass die Rollen getauscht hat. Der Mann hat seinen Job im Verwaltungsmanagement verloren, die Frau hat ihren Facharzt gebaut und eine Praxis eröffnet, der Mann, der wohl am Rande eines Burnouts balanciert hat, kümmert sich seitdem um den Haushalt, managet die Kinder, kocht das Essen und fühlt sich wohl.

Und damit ist „Oh, Mann“ vorbei? Was wollte uns der SPIEGEL nru damit sagen? Vermutlich nichts. Der wollte nur ein paar Hefte verkaufen.

Lasst das Geld stecken, in der Titelstory steht nix verwertbares. Nur heiße Luft, frisch aus Hamburg. Wie leider immer öfter in letzter Zeit.

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