Herr Ji Sizun

Heute werden die Olympischen Spiele in London eröffnet. Das ist eine gute Gelegenheit, an Herrn Ji Sizun zu erinnern. „Ji wer?“, werden sicherlich die meisten von euch fragen, denn Herr Ji Sizun ist keine bekannte Figur aus der Welt des Sports.

Herr Ji Sizun lebte in China und war dort eine Art Anwalt. Er erledigte Behördengänge für andere Menschen, versuchte, bei den Ämtern die Interessen seiner Mandanten zu vertreten, die alle zu den sogenannten „kleinen Leuten“ gehören. In dieser Funktion hatte Herr Ji Sizun einiges erlebt: Behördenwillkür, Menschenrechtsverletzungen – Dinge, die im modernen China an der Tagesordnung sind.

Bei den Olympischen Spielen in Peking vor vier Jahren waren in Absprache mit dem IOC  sogenannte „Protestzonen“ in China eingerichtet worden.  Hier sollten Menschenrechts-Aktivisten während der Dauer der Spiele nach vorheriger Anmeldung demonstrieren und auf Missstände in China aufmerksam machen können, ohne dass es ihnen zum Nachteil gereichte.

Herr Ji Sizun vertraute diesen Worten des IOC und der chinesischen Regierung und versuchte, eine solche Demonstration anzumelden. Dann konnte er gerade noch seinen Angehörigen telefonisch mitteilen, dass es Probleme gäbe. Herr Ji Sizun wurde verhaftet.

Jetzt wäre es natürlich ein schöner Zug vom IOC gewesen, sich für Herrn Ji Sizuns umgehende Freilassung einzusetzen. Beispielsweise zu sagen: „Okay, der Weitsprung findet erst statt, wenn Herr Ji Sizun wieder sicher zuhause ist und sein Recht auf Demonstration wahrnehmen darf, ohne Nachteile erwarten zu müssen.“ Ging aber natürlich nicht, weil an so einem Weitsprung zahlreiche Sponsoren hängen, die nicht möchten, dass ihre Produkte in einem Atemzug mit schlechten Nachrichten genannt werden. Und Herr Ji Sizun war zu einer schlechten Nachricht geworden. Weil er den Worten des IOC geglaubt hatte.

Später ließen sich die Olympia-Jungs noch zu einer ziemlich windelweichen Reaktion hinreißen, Herrn Ji Sizun nutzte das nichts mehr. Ihm wurde unrechtmäßig ein Geständnis abgepresst, dass er sich der Urkundenfälschung schuldig gemacht habe (die näheren Umstände finden sich in diesem ausgezeichneten SPIEGEL-Artikel) und im Januar 2009 wurde Herr Ji Sizun zur Höchststrafe für dieses Vergehen, 3 Jahre Gefängnis, verurteilt.

Seitdem hat man nichts mehr von Herrn Ji Sizun gehört. Eigentlich hätte er im Januar dieses Jahres freigelassen werden müssen, doch über seine Freilassung habe ich nichts finden können. Die letzten Informationen, die man bei amnesty international über ihn finden kann, stammen aus 2009.

Wenn man nicht das Schlimmste annehmen will, muss man davon ausgehen, dass Herr Ji Sizun weiterhin in Haft ist. Die Herrschaften vom IOC beziehen gerade luxuriöse Hotelsuiten in London und freuen sich auf spannende Sportveranstaltungen und die damit verbundenen Einladungen.

Herr Ji Sizun ist für mich einer der größten Helden des 21. Jahrhunderts. Die Mitglieder des IOC, die zu seinem Schicksal so ausdauernd schweigen, sind, mit Verlaub, Arschlöcher.

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