Überleben im Dschungel der Großstadt: Endzeit im Berliner Corinth Bistro

Endlich erreicht: das Ende der Fast-Food-Fahnenstange

Das Corinth Bistro residiert in den Räumen eines ehemaligen sudanesischen Imbisses, der hier in dieser abseitigen Ecke des unvergleichbar trübsinnigen Netto-Discount-Gebäudes sang- und klanglos eingegangen ist.

Mit dem Namen Corinth Bistro nimmt das Lokal wenig pfiffig Bezug auf die Corinthstraße, in welcher es ansässig ist – eine mutige aber wenig erfrischende Namenswahl vor dem Aspekt, dass man derart manifestierte Einfallslosigkeit in Berlin fast an jeder Ecke findet – von Eckkneipen bis zu Currybutzen – und diese Kaschemmen ausnahmslos ganz furchtbar übel beleumundet sind.

Man konzentriert sich hier sehr konservativ auf volksnahe Gerichte wie Döner in Fladenbrot- oder Dürüm-Version, Currywurst, Pommes, Fertigsalate, Schnitzel, mithin also arttypisches Imbiss-Portfolio ohne Überraschungen.

Das Bistro wirkt auf den ersten Blick leicht vereinsamt. Traurige Boulevardblätter vom Vortag wehen unmotiviert auf den nachlässig geputzten Tischen umher, der örtliche Verticker ukrainischer Stahlwolle-Kippen steht am Daddelautomaten und verzockt seine Tageseinnahmen, sonst ist hier nur selten jemand zu sehen, den man im weitesten Sinne als Gast identifizieren könnte.

Es kostet Überwindung, hier einzukehren. Schon rein äußerlich entsteht der Eindruck einer Wartehalle – kahle Wände absolut unpassend in hellem Rosa gestrichen, weiße Zahnarzt-Deckenplatten, Neonlicht. Knastkantinenatmosphäre.

Vielleicht hat man seitens des Inhabers darüber hinaus auch nicht den idealen Standort für einen solchen Imbiss gewählt. Der Netto Discounter zieht in der Regel Publikum an, welches lieber das Schnitzel in flüssiger Form – verkörpert durch das obligatorische Sternburger Pils – gerne direkt und sofort auf dem Vorplatz verzehrt, aber feste Nahrung – zumindest zu den regulären Öffnungszeiten – wohl eher mit Missachtung straft. Und wer sich mehr leisten kann, isst hier nicht.

Dementsprechend ist der Dönergrill oft ausgestellt und wird erst befeuert, wenn sich tatsächlich mal ein Gast hier zum Essen niederlässt. Das hat zur Folge, dass der bereits vor einiger Zeit angekokelte, aber inzwischen erkaltete Dönerspieß von neuem von der Flamme geküsst und das Fleisch – es handelt sich natürlich um simples Hack, keine Schichtung – so mit einer zweiten außergewöhnlich krossen Schicht bedacht wird.

Dieses Fleisch gibt aus Protest über diese Vergewaltigung jegliche Flüssigkeit samt jeglicher rudimentär eventuell irgendwann mal vorhandener Geschmacksansätze komplett ab und fabriziert beim Verzehr einen merkwürdig brackigen Gesamteindruck, der noch über Stunden nachwirkt.
Das Fladenbrot wird in konsequenter Weiterführung der Well-done-Philosophie derart großzügig getoastet, dass es eine leicht harte, schon fast unangenehm ins keksartige gehende Konsistenz herausbildet, in deren Folge größere Nuggets abbrechen und sich auf dem Teller zu moderner Kunst zusammenfinden können.

Die Schichtung des Dönerinhalts ist hingegen originell und konnte so bisher noch nirgendwo festgestellt werden: Es wird jegliche Mischung konsequent vermieden, astreine Apartheid der Zutaten – nur ohne Zaun, eine Schichtung quasi quer zum Fladenbrot, so dass ein Verzehr der einzelnen Inhalte in entgegengesetzt chronologischer Reihenfolge unter fast archäologischen Gesichtspunkten möglich ist – zuerst das als letztes aufgeschichtete Fleisch, dann folgt eine Schicht Gurkenstäbchen, dann Salat und zum Schluss befinden sich nur noch die Zwiebelfossile in der nichtssagenden Industriesoße. Ein Wechselbad der Geschmacksgefühle eingelegt in dicker Kräutersahne.

Die Currywurst mit Pommes ist nicht nur billig, sondern auch nicht gut – eine Eigenschaft, die sie mit dem Schnitzel in absolut perfekter Synchronisation teilt.

Auf ein Wort zum Schnitzel: Die völlige Diskrepanz der Abbildung auf der Werbetafel und seiner tatsächlichen Gestalt kann man je nach Gemütslage als Euphemismus oder Kriegserklärung auffassen. Was sehen wir? Wir sehen auf der Werbetafel ein saftiges Schnitzel, frisch geschnitten aus dem ganzen Stück und nach dem Panieren direkt von der heißen Pfanne goldbraun saftig geküsst.
Auf dem Teller entpuppt sich das traurige Endprodukt als frittiertes billigstes Formfleisch mit Industriepanade – wahrscheinlich direkt ohne Umwege aus dem Tiefkühler des Netto Discounters nebenan -, welches im Rahmen des Frittiervorgangs die Konsistenz eines Briketts annimmt, wobei die Panade zum einen steinhart als auch seltsam schwarz-dunkelorange in der Optik wird und das weiße Fleischbrät im Inneren – es könnte sich sowohl um Schwein als auch um Hähnchen handeln, vielleicht auch um Tofu oder eine Mehlmasse – völlig austrocknet. Es ist keinerlei Eigengeschmack festzustellen außer einem leicht brackigen Fettaroma im Abgang.

Auch die Pommes ergeben ein trauriges Bild. Bar jeden Geschmacks fällt vor allem angesichts der erschreckend niedrigen Qualität – wahrscheinlich kommt auch hier wieder der Tiefkühler des Netto Discounters ins Spiel – die Abwesenheit von Salz negativ ins Gewicht, was das auch hier wieder vorzufindende brackige Fettaroma zu dominant in Szene setzt und noch lange nachwirken lässt.

Die Currywurst besteht aus einer Bratwurst, die aus dem rohen Zustand frittiert und danach mit Ketchup und Currypulver geduscht wird. Das ist zwar technisch ein nicht unüblicher Vorgang, geschmacklich ist das aber einfach nicht gut und es tut schon weh, der Zubereitung zuzuschauen.

Und das Hähnchen … ja, das Hähnchen … was soll ich sagen, es verbringt sehr viel Zeit im Hitzekarussell – vielleicht sogar über Nacht, so dass im Laufe des langwierigen Garvorgangs die hemmungslos überwürzte Haut labberig und das Innere leicht trocken wird. Es ist kein völliger Totalausfall wie das Schnitzel, aber gut ist das auch nicht.

Nicht gut.

Diese beiden Worte ziehen eine Schneise durchs Corinth Bistro.

Endzeit, Freunde, dort riecht es nicht nach Aufbruch, es stinkt nach Untergang.

In der Serie “Überleben im Dschungel der Großstadt” begibt sich mike-o-rama für uns in die Wildnis Berlins und testet ohne Rücksicht auf die eigene Gesundheit Imbiss-Buden, Fast-Food-Restaurants, Supermärkte und Orte, die nie ein zurechnungsfähiger Mensch gesehen hat. Seine Berichte erscheinen auch auf dem Bewertungsportal qype.de.

Foto: wrw / pixelio.de

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2 Antworten zu Überleben im Dschungel der Großstadt: Endzeit im Berliner Corinth Bistro

  1. Ich hoffe schwer, dass Mike sich regelmäßig ärztlich durchchecken lässt, der Genuss dieser „Lebensmittel“ kann auf Dauer nicht gesund sein! 😉

  2. AvatarDer Baas sagt:

    Hehe, da kommen Erinnerungen aus der Studentenzeit hoch. Schräg gegenüber des Wohnheims lag die Frittenschmiede: Ein Interieur im Stil tiefdunkler Eiche, schwerer fettiger Dunst in der Luft, äußerst spärlich beleuchtet. Wer hier einkehrte, sollte seine Geschmacksnerven besser abschalten und angesichts der mehr wie fettigen Portionen entsprechende Mittel gegen Sodbrand bereithalten.
    Die Studizeit hatte halt nicht nur angenehme Seiten… ;-D

    Mikes „Dschungelerlebnisse“ erinnern mich irgendwie an „supersize me“. Hoffentlich verträgt er es besser wie der Proband aus den Staaten!

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