Besuch bei Thäter

Fast 100 Jahre handwerkliche Tradition aus Nürnberg

Heinrich L. Thäter hat bei Freunden der gepflegten Nassrasur einen sehr guten Ruf. Hier werden die wahrscheinlich besten Rasierpinsel, die man für Geld kaufen kann, hergestellt. Ich war auf der Durchreise in Nürnberg und hatte eine gute Stunde Zeit, die ich für einen kurzen Besuch genutzt habe.

Etwas versteckt, in der Albertstraße, eine kleine Werkstatt. Hier ist also die Geburtsstätte der legendären Dachspinsel. Komplett „Made in Germany“ betont Herr Schuldes, der 1983 in das kleine Unternehmen kam und seit ungefähr fünf Jahren dessen Geschicke als Geschäftsführer leitet.

Thäter-Pinsel werden zu 100% handgefertigt. Die Fahnen laufen aus wie gewachsen. Hier wird nicht nachgetrimmt. Die Haare kommen übrigens aus England. In Großbritannien werden die aus China stammenden Felle gereinigt, aufbereitet und selektiert. Bei dieser Gelegenheit habe ich dann auch gleich mal ein paar Fragen zu Herkunft und Qualitätsstufen klären können. Herr Schuldes erklärte mir, dass auch das Fell des „europäischen“ Dachses wahrscheinlich aus China kommt. Europäisch ist hier wohl eine Gattungs- und keine Herkunftsbezeichnung. Bei meiner Frage nach dem Begriff „Haute Montagne“ musste er schmunzeln. Dachse jagen Niederwild, das im Unterholz lebt. Es gibt also kaum einen Grund, warum Grimbart sich im Hochgebirge aufhalten sollte. Denn oberhalb der Baumgrenze findet er kaum noch Nahrung, die er jagen kann. „Haute Montagne“ ist wohl mehr ein Synonym für die extrem weißen Fahnen dieser Dachshaar-Qualität. Auch meine Frage nach dem Unterschied zwischen Zwei- und Dreiband-Dachshaar wurde anschaulich beantwortet.

Für einen Zweiband-Silberspitz-Pinsel werden kräftigere und im Ausgangsmaterial zunächst längere Haare verwendet. Diese werden dann an der Schnittseite auf die normale Länge eines 3-Band-Pinsels gekürzt. Sichtbar bleiben danach nur der dunkle Mittelteil und die hellen Spitzen. So ergibt sich beim 2-Band bei gleicher Kopfgröße eine festere Struktur, mit trotzdem ebenso weichen Spitzen wie beim „normalen“ 3-Band-Silberspitz. Das Ergebnis ist ein wunderschöner Rasierpinsel mit viel Rückgrat und weichen Spitzen. Männer, die den Massageeffekt beim Einschäumen schätzen, kommen damit voll auf ihre Kosten. Da ein Dachs wesentlich weniger dieser, ursprünglich deutlich längeren, Haare hat, sind sie viel seltener. Im Hause Thäter sind für 2011 alle Zweiband-Pinsel schon jetzt ausverkauft. Beim Dreiband-Silberspitz-Pinsel kommen die Dachshaare aus anderen Partien des Winterfells. Aber auch diese sind von Thäter nie zu weich, wie man es leider gelegentlich bei anderen Bindearten erlebt. Dicht und in dem speziellen Aufbau gebunden, wie bei Thäter üblich, werden daraus sehr weiche und sanfte Rasierpinsel mit viel „Backbone“ hergestellt. Genauso, wie man es sich wünscht!

Wer bisher einen Thäter Pinsel kaufen wollte, musste leider feststellen, dass das gar nicht so einfach war. Denn diese Vielzahl an Griffvarianten, Ringdurchmessern, Haarqualitäten und den beiden Bindungsversionen kann kaum ein Ladengeschäft anbieten. Ganz davon zu schweigen, dass es für Verkäuferinnen in Parfümeriegeschäften nicht ganz einfach ist, Männer bei der Wahl eines Rasierpinsels zu beraten. Auch für die bekannten Webshops ist es unmöglich, alle Varianten, die Thäter anbietet, auf Lager zu legen. Direktverkauf wäre zwar eine Alternative, ist aber bei der dünnen Personaldecke und den eingeschränkten Platzverhältnissen absolut nicht durchführbar.

Zusammen mit Herrn Schuldes hat Stefan P. Wolf nun eine Lösung gefunden, auf die die Fans seit Langem warten: Alle Rasierpinsel von Thäter können ab sofort bei www.nassrasur.com bestellt werden. Es ist schon mal möglich, dass das gewünschte Produkt nicht sofort lieferbar ist, denn alle Pinsel werden nach Auftrag frisch gebunden! Deshalb kann es vorkommen, dass du dich zwei bis drei Wochen gedulden musst, bis du einen handgefertigten Rasierpinsel der Spitzenklasse in den Händen halten darfst. Einen Rasierpinsel, der dich bei guter Pflege die nächsten 20 Jahre täglich aufs Neue begeistern wird!

Robert Hill, freier Journalist und Fotograf. Kommt eigentlich aus München, wohnt im Taunus. Mag mechanische Uhren und klassische Kameras. Fotografiert, wenn privat, immer noch am liebsten auf Diafilm. Hat es geschafft, im letzten Jahr mehr Kilometer mit dem Fahrrad als mit dem Auto zu fahren.
www.roberthill.de

Fotos: Robert Hill (alle Rechte vorbehalten)