[Dem Chris seine Filme] Der Drücker – Sklaverei anno 1986

cover„Entschuldigen Sie die Störung, aber ich befinde mich in einer schrecklichen Notlage. Ich bin auf Bewährung draußen und muss bis heute Abend zehn Zeitschriftenabos verkaufen, sonst muss ich zurück in den Knast…“ Den Spruch kennt jeder, der schon mal einem Drücker die Tür aufgemacht hat. Doch Tommy, der Drücker aus Uwe Frießners gleichnamigen Film aus 1986, probiert eine ganz eigene Masche: Er erzählt die Wahrheit über sein Leben als „Mitarbeiter im Außendienst“. Und die ist schrecklicher als jedes Knastmärchen.

Als „Der Drücker“ 1986 im Fernsehen uraufgeführt wurde, war der Film eine echte Sensation. Zum ersten Mal bekam das saturierte TV-Publikum der BRD in realistischen Bildern gezeigt, wie Drücker hierzulande lebten. Übernachtungen in verdreckten Mehrbettzimmer sind die Regel, Wecken ist morgens um sechs, dann geht’s im Kleintransporter in die nächste Stadt. Schon im Auto wird Druck ohne Ende gemacht. „Soundsoviel Abos muss jeder heute schaffen, sonst fällt das auf die Kolonne zurück…“ Und was das heißt, wird am Abend klar: kein Essen vor der Nacht“ruhe“ in der nächsten Siff-Bude. Psychische und physische Gewalt sind an der Tagesordnung, so leben moderne Sklaven.

Das hatte ein deutsches TV-Publikum nicht für möglich gehalten, der Film war sofort Kult und blieb noch Wochen nach seiner Ausstrahlung Tagesgespräch. Interessant ist, dass der Film lediglich einmal in den 90er Jahren auf 3sat wiederholt wurde und erst jetzt, 30 Jahre nach seiner Ausstrahlung, auf DVD erscheint. Wer an Verschwörungstheorien glaubt, macht dafür die Macht der Zeitschriftenverlage verantwortlich, die handfest vom Treiben der Drückerkolonnen profitierten. Wer nicht an Verschwörungstheorien glaubt, hat auch keine bessere Erklärung.

Für einen realistischen Film mit Gegenwartsbezug sind dreißig Jahre eine Menge Holz. Doch Uwe Frießners Film hat die Zeit in der Schublade erstaunlich gut weggesteckt. Okay, heutzutage hält man das Tempo deutlich höher, und an schnellere Schnittfolgen sind wir auch gewöhnt, aber das sind Kleinigkeiten. Nach wie vor entfaltet der Film eine enorme emotionale Wucht. Uwe Frießner versteht es meisterhaft, in einfachen Bildern durch Weglassen zu erzählen und durch bloße Andeutungen beim Zuschauer Assoziationsketten auszulösen. Der Film ist (bis auf einen wunderbar hinterhältigen Heinz Hönig in einer seiner ersten Rollen) ausschließlich mit Laien besetzt, die absolut authentisch agieren. Andreas Buttler, der Hauptdarsteller, lädt zur Identifikation mit seiner Figur förmlich ein. Der Schluss, wenn er nach missglückter Flucht in Hoenigs BMW einsteigt, zerreißt einem das Herz. Man weiß, dass es für Tommy, den Drücker, kein Happyend geben wird.

„Der Drücker“ ist ein Film mit Anspruch, der gleichzeitig spannend ist und wütend macht. Durchaus ein Meilenstein des realistischen deutschen Films. Dicke Empfehlung

„Der Drücker“

  • Darsteller: Andreas Buttler, Heinz Hoenig, Herbert Raule, Uli Krohm, Sabine Bellstedt
  • Drehbuch: Bernhard Pfletschinger (nach dem Roman von Andreas Blechner)
  • Kamera: Bernd Kleebauer
  • Musik: Theo Breiding
  • Szenenbild: Frank Hein
  • Regie: Uwe Frießner
  • 1 DVD
  • Laufzeit: ca. 102 Minuten
  • Bildformat: PAL 4:3
  • Tonformat: Dolby Digital 2.0
  • Sprache: Deutsch
  • Ländercode: 2 (Europa)
  • FSK: freigegeben ab 12 Jahren
  • Produktion: Deutschland 1986

Gewinnspiel:
Wir verlosen zwei DVDs von „Der Drücker“. Wenn du eine DVD gewinnen willst, gib bitte einen Kommentar zu diesem Posting ab und nenne einen weiteren Film, in dem Heinz Hoenig mitspielt. dazu hast du bis zum 22. November 2016 um 24 Uhr Zeit, dann schließen wir die Kommentare und lassen das Los entscheiden, wenn mehr als zwei Kommentare abgegeben wurden. Mitarbeiter von nassrasur.com dürfen nicht mitmachen, der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Viel Spaß!

Update:
Einsendeschluss, wir brauchten nicht zu losen, beide Teilnehmer haben je 1 DVD gewonnen. Herzlichen Glückwunsch!

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2 Antworten zu [Dem Chris seine Filme] Der Drücker – Sklaverei anno 1986

  1. AvatarKlaus Köchig sagt:

    Heinz Hoenig ist für mich einer der glaubhaftesten deutschen Schauspieler, er wächst mit seinem langsam doch zunehmendem Alter.
    Zuletzt gesehen: Russisches Roulett,
    Banklady

    Herzliche Grüße Boxerklaus

  2. AvatarThies sagt:

    Eine reiche Filmografie – da fällt die Wahl schwer. Für mich immer noch herausragend: „Die Katze“ von Dominik Graf – wenn deutsches Genre-Kino doch immer so überzeugend ausfallen würde. *seufz*