Ausdauersport: Kälteschock durch Funktionskleidung?

Foto by Igs165 (Own work) [CC-BY-SA-3.0], via Wikimedia Commons

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Neben den Mythen, dass Endorphinausschüttung die Ursache von Runners-High sei (verantwortlich dafür sind Dopamine, die im Belohnungzentrum des Gehirns produziert werden) und Marathonläufer viel trinken sollen (das führt zu gefährlichem Salzmangel im Serum – Hyponaträmie), gib es auch den Mythos von der effektiven Funktionswäsche aus Chemiefasern mit angeblich besonders raffiniert ausgeklügelten, die Physiologie austricksenden Eigenschaften.

Wer schon viele Jahre lang Ausdauersport betreibt, wie z. Laufen oder Radfahren und sich vor der Trainingseinheit und nachher wiegt, stellt fest, dass die Differenz -ich spreche hier von trainierten Schwitzern (nicht die alpenländische Schwiezer) nach 1 ½ stündigem Running oder 3-4 Stunden zügigem sportlichen Biken bis zu 2 kg im Minus betragen kann. Unter Berücksichtigung eines geringen respiratorischen (durch die Atmung) Flüssigkeitsverlustes, bedeutet dies die Produktion von rd. 2 Litern Schweiss mit analogem Verlust von Elektrolythen.

Als Allzweckwaffe gegen unangenehmes Schwitzen und gegen die früheren, bis zur Sättigungsgrenze mit Schweiss vollgesaugten Baumwoll-T- und Swetshirts hat die Sportartikelindustrie die Funktionssportbekleidung entwickelt. Sie soll -so der Konsens beim Marketing- zwischen Transpiration und Absorbtion eine Balance schaffen und laut Werbung die Haut immer schön trocken halten und in der Sommersaison eine Überhitzung bzw. Unterkühlung im Winter vermeiden.

Foto by fr:Wart Dark and User:Solipsist (based on fr:Image:Goretex schéma.gif) [CC-BY-SA-3.0], via Wikimedia Commons

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Schweißdrüsen erfüllen eine wichtige Funktion unter körperlicher Belastung.  Sie verhindern, dass der Körper nicht überhitzt, indem der Schweiß auf der Haut verdunstet und so für Abkühlung sorgt. Wird der Schweiß über Funktionsunterwäsche aber sofort von der Haut weggeleitet, kann er nicht kühlen. Die Hautporen öffnen sich noch weiter, und die Schweißproduktion wird angekurbelt. Dadurch verliert der Körper mehr Flüssigkeit und kann im Ernstfall sogar überhitzen und bei einem Richtwert von ca. 2 % des Körpergewichts an Flüssigkeitsverlust kollabieren. In den Produktbeschreibungen von Funktionsfummeln heißt es heutzutage unisono: Die „Funktionsunterwäsche 2.0“ ist also eine intelligente Kombi aus dicken und dünnen Materialien, die einen kleinen Schweißfilm zulassen und anderen Fasern, die Nässe sofort wegleiten. Funktionsunterwäsche sollte in jedem Fall eng anliegen, damit sich ihre volle Wirkung hautnah entfalten kann.

Aus dem Erfahrungsschatz von 40 Jahren Langstreckenlauf von 5 km bis Marathon und 20 Jahren Radfahren schöpfend, kann ich darüber nur müde lächeln. Währen beim Biken sowohl die Bekleidung, als auch die Haut und das Gesicht angesichts des Gegenwindes an kühlen Tagen nur relativ feucht werden, so muss ich im Sommer ab 20 Grad über Null nach Beendigung der Touren meine komplette Radgarnitur entsaften. Nichts, aber auch gar nichts bleibt da trocken.

Beim Laufen ist es noch extremer (und verlogener). Ob kurze Hose und Funktions-Trägerhemdchen im Sommer oder mehrlagige Polyesterlaufshirts- und -jacken der neuesten Generation für den Winter, die meiste Suppe bleibt in den Klamotten hängen. Im Sommer erlebe ich sogar oft, dass mir an besonders heißen Tagen die Transpirationspipelines an den Beinen herunterlaufen. Nicht ohne Grund gehört es zu den Marathonvorbereitungen, sich kurz vor dem Start den Schritt, die Achseln und die Brustwarzen sorgfältig mit hautfreundlichen Substanzen einzufetten. Und beim Radeln ist es empfehlenswert, das Gesicht mit wasserfester Sonnenschutzcreme gegen UV-Strahlung zu schützen.

Meine Beurteilung erhebt nicht den Anspruch der Allgemeingültigkeit. Ich kenne Ausdauersportler mit trainierten Schweißdrüsen, die nie trocken ans Ziel kommen und auch solche, die bei einem 4 Min./km-Tempo kaum schwitzen.

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2 Antworten zu Ausdauersport: Kälteschock durch Funktionskleidung?

  1. AvatarLafette sagt:

    Trage im Winter gerne hautenge Laufbekleidung, weil mich der Wind an der Küste sonst zu sehr auskühlt. Und weil ich gerne mit so wenigen Lagen wie möglich laufe.
    Dabei schwitze ich sehr schnell sehr stark. So fühle ich mich während des Laufs trocken. Aber danach, wenn ich mich ausziehe, merke ich wie durchnässt die Kleidung, besonders am Rücken ist.
    Zumindest das Versprechen mich trocken zu halten erfüllen die Hersteller.

    Gruß

    Marc

  2. Avatargerdos sagt:

    Marathonläufer wissen, dass selbst dickes Eincremen mit Melkfett nicht so wirksam ist und kleben sich daher die Brustwarzen mit Pflaster ab, um Blutungen zu vermeiden.

    Zu den Mythen noch ein weiteres Beispiel: Die beliebte Pasta-Partie am Vorabend vor einem Marathon. In meinen Augen ein geeigenetes Event, um die Konkurrenz auszuschalten, denn die Nudelberge werden bis zum frühen Morgen nicht mehr ausgeschieden.

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