Stundenweltrekord!

Stundenweltrekord. Jetzt ist Jens Voigt völlig verrückt geworden, dachte ich. Das kann doch nur schief gehen. Als er am vergangenen Donnerstag die 7. Runde absolviert hatte, wusste ich: Er schafft es.

Der Reihe nach. Es ist ein bisschen still geworden um den Stundenweltrekord. Wiggins hatte mal was gemurmelt, dass er es zu gegebener Zeit vielleicht mal versuchen würde. Fabian Cancellara hat auch schon mal drüber nachgedacht. Ist aber bislang noch nicht angetreten. Dass Jens Voigt die Sache wagte, hat mit der besonderen Geschichte und einer sympathischen Kaltschnäuzigkeit des nun Radrentners aus Kleinsdörp in Mecklenburg-Vorpommern zu tun.
Los ging’s 1893 mit dem ersten Rekord durch Henri Desgranges, dem späteren Tour-de-France-Gründer. 35,325 Kilometer. Über die Jahre knabberten sich die Rekordfahrer Stück für Stück in Richtung 40-Kilometer-Marke, die Willie Hamilton 1898 in Denver überfuhr.
Giuseppe Olmo schaffte im Oktober 1935 die 45 Kilometer.
Irgendwann gehörte es einfach zum guten Ton, dass man als Superchampion im Radsport auch mal den Stundenweltrekord in Angriff nimmt. So hielten es Maurice Archambaud (45,767 km), Fausto Coppi (45,798 km) und Jacques Anquetil (46,159 km).

Da wollte natürlich auch ein gewisser Belgier nicht zurück stehen: Eddy Merckx. Nie Florette, immer Brechstange. So wollte Eddy am 25. Oktober 1972 im Olympia Velodrome Agustín Melgar in Mexico-City die 50 Kilometer fahren. Das klappte nicht ganz. Am Ende waren es 49,431 Kilometer. Aber: Diese Marke hielt. Für knapp 30 Jahre war Ruhe im Karton.
Superchampions wie Moser, Indurain und Rominger stellten zwar weiterhin Rekorde auf, aber nicht mit einer Straßenmaschine, wie Merckx sie fuhr. Im Jahr 2000 annulierte die UCI daher alle Rekorde, die nicht mit einer Straßenmaschine à la Merckx erzielt worden waren.
Titelinhaber Chris Boardman wollte das nicht auf sich sitzen lassen und verbesserte Merckx’ Rekord mit einem “normalen” Rad am 27. Oktober 2000 um 10 Meter.
2005 machte ich Urlaub auf einer kleinen französischen Insel vor der Küste der Vendée. Der Zeitungshändler hatte die L’Équipe ausliegen mit dem Titel Ondřej Sosenka tritt aus dem Schatten. Den Namen hatte ich bis dato nicht gekannt und tatsächlich, der Bursche hatte den Rekord von Chris Boardman um ein paar hundert Meter überboten. Mit 49,700 Kilometern war die 50 Kilometermarke zwar näher gerückt, aber nicht gerissen.
Und Jens “thejensie” Voigt fuhr am vergangenen Donnerstag 51,115 Kilometer. Wie kann das sein? Tja, Rolle rückwärts bei der UCI. Die Rekordaspiranten sind seit 2014 nicht mehr gezwungen mit einer Straßenmaschine zu fahren. Erlaubt sind alle Räder, die für UCI-Rennen zugelassen sind. So schnappte sich Jens Voigt ein aktuelles Bahnrad, auf dem er aerodynamisch eine viel günstigere Position einnehmen kann, als auf einer Straßenmaschine und nun steht er auf der Liste. Er war schlicht clever genug sich frühzeitig die Regeländerung zu Nutze zu machen. Und ich unke mal, dass der Rekord nicht lange hält. Voigt ist zwar ein guter Einzelzeitfahrer, aber nicht der beste.

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