Müsliriegel des Grauens

 

Henryart at the German language Wikipedia CC-BY-SA-3.0, via Wikimedia Commons

Foto: Henryart at the German language Wikipedia CC-BY-SA-3.0, via Wikimedia Commons

Um den Träumern vom dopingfreien Spitzensport und Gegnern des Konsums von Nahrungsergänzungsmitteln ihre Illusion zu nehmen, eine Vorbemerkung:

Aus tiefliegenden, hohlen Augen hat ein Radprofi die journalistische Meute von Sauberkeitsaposteln einmal gefragt, ob sie wirklich glauben, sein auf dem 230 km langen Weg über vier Alpenpässe von den letzten Resten Kohlehydraten, Glucose, Mineralien, Vitaminen und Elektrolyten entleerter Körper ließe sich von den drei Pässen des nächsten Tages mit ein paar Tellern Spaghetti auffüllen? JA? Er jedenfalls würde sich jetzt erst mal an den Tropf legen.

 

NEIN! Es wurden nicht alle Landeskriminalämter, das BKA, der Bundesinnenminister und SPD-Granden informiert. Es wurde auch nicht drei Monate lang gewartet, um die Beseitigung von Datenträger als evtl. Beweismittel zur Be- bzw. Entlastung des vermeintlichen Täters zu ermöglichen, bis es eine Hausdurchsuchung gab. Unschuldsvermutung? Anspruch auf rechtliches Gehör (Anhörung)? Fürsorgepflicht des „Arbeitgebers“? Fehlanzeige. Selbst Anhaltspunkte in Bezug auf eine kriminelle Vereinigung, organisiertes Verbrechen lassen sich nicht finden. Und an ein Übergangsgeld in Höhe von monatlich 8.252,–Euro auf 15 Monate wie für Bundestagsmitglieder nach Mandatsniederlegung ist ebenfalls nicht zu denken. Ich meine nicht den Affäre Edathy. Im folgenden Fall ist sogar damit zu rechnen, dass sechsstellige Sponsorengelder zurückgezahlt werden müssen.

Hier geht es nämlich um ein schweres Kapitalverbrechen, dessen Zahl der Opfer und Geschädigten noch lange nicht endgültig feststehen wird: Der Verzehr eines Müsliriegels mit der leistungssteigernden Substanz Methylhexanamin durch die Biathletin Evi Sachenbacher-Stehle. Methylhexanamin, ein Wort, das wir uns nach Claudia Pechsteins „Retikoluzyten“ auch werden merken müssen, ist für ernst zu nehmende Nebenwirkungen bekannt – wie etwa Blutdruckanstieg, Kurzatmigkeit, Brustenge, Herzinfarkt, Hirnblutung, Hepatitis und Leberschädigungen. Anders, als in der Politik sieht die Fürsorgepflicht der im Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB)  organisierten „Betreuer“ so aus: “Methylhexanamin ist nur im Wettkampf verboten.”  Außerhalb von Wettkämpfen also zulässig. Im Training hat die Fürsorgepflicht der Funktionäre des Hochleistungssport, was die körperliche Unversehrtheit ihrer Schützlinge also Pause.

Erste Hinweise auf den unerlaubten Verzehr eines Müsliriegels, vor dem der DOSB vor den Spielen schriftlich gewarnt hat, gab es am Montag, 17.02.2014 nach den Ergebnissen der A-Probe. Die B-Probe am Freitagmorgen, 21.02.2014 bestätigte den Verdacht, womit die Unschuldsvermutung ihr Ende gefunden haben dürfte. Denn noch am gleichen Abend des 21.02. durchsuchten Ermittler des LKA den deutschen Olympia-Stützpunkt in Ruhpolding und die Privatwohnung der Sportlerin. In einem der Gebäude seien Nahrungsergänzungsmittel gefunden worden – vermutlich kiloweise Beweismittel aus dem Drogeriemarkt. (Wie schröcklich. Jetzt wird’s auch noch lustig.) Ein Justiz-Sprecher betonte, dass sich die Ermittlungen nicht gegen die Sportlerin richteten. Klar. Wäre man sonst nicht drauf gekommen. Die interessierten sich anscheinend mehr für die Innenarchitektur der Wohnung. Nun wird eifrig nach dem Menthaltrainer von Evi gefahndet, was jedoch bei einem Erfolg nicht zur Entlastung der Biatlethin führen würde.

SPD-Justizminister Heiko Maas will Dopingsünder demnächst sogar in den Knast stecken. Mit Steuergeldern geförderte Spitzensportler soll die volle Härte des noch zu ändernden Gesetzes treffen, wenn sie das Ansehen Deutschlands in der Welt beschädigen. Für einen derartigen nationalen Imageverlust hält er 5 Jahre Knast für angemessen.

Uwe Müssiggang, Cheftrainer des deutschen Biathlon-Teams reagierte in Form eines freudschen Versprechers: „Was mich so ärgert, ist die Dummheit“! Ergänzung…..“sich erwischen zu lassen“.

Horst Seehofer würde sagen: „Wer betrügt, der fliegt!“

Schlussbemerkung zur Forderung nach Höchstleistungen durch ausschließlich durch natürliche physikalische Bedingungen:

Was funktioniert in dieser auf Selbstoptimierung getrimmten Gesellschaft noch ohne betäubende, erregende Substanzen oder Skalpell? Verhänge man über alle Mitarbeiter des dopingkritischen Fernsehens , die ihre Arbeit ohne Einnahme von Alkohol, Nikotin, Aufputsch- oder Beruhigungsmittel weder ertragen noch leisten können, eine Sperre und vergäße auch jene nicht, die sich -vom Schlupflid bis zur Reiterhose- bildschirmkompatibel haben zurechtschnitzen lassen, wäre auf hundert Kanälen nichts zu senden, als das Testbild. Auch nicht die peinlichen Verhöre, die der valiumgecoolte Moderator gestrafften Tränensacks und Doppelkinns aus solargegerbten Teint weißeste Implantate bleckend als Prophet der Natürlichkeit dem B-Probe-Überführten stellt.

(Zit. Aus „Wer macht den Sport kaputt“ – Hrsg. Günter Schulze, Martin Krauss, Verbrecher Verlag 2008)

PS: Wer sich über aktuelle, noch nicht nachweisbare Dopingmethoden interessiert, dem sei dieser Fernsehbeitrag empfohlen:

http://www1.wdr.de/fernsehen/information/sport_inside/indexsportinside100.html

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3 Antworten zu Müsliriegel des Grauens

  1. AvatarMike sagt:

    @Gerdos. Find ich gut, das alte Zitat (2008). Und besonders den Hinweis aufs Testbild.
    Weil … schaut nicht Werner Enke im Kulturfilm „Zur Sache Schätzchen“ zunächst mal Testbildqueer … eine brilliante Szene, die was zur Kenntlichkeit bringt. Achja: das ist kein fairer Sport. Das ist, was Doping betrifft, unterm Deckmantel Sport Schwindel, Täuschung und Betrug. Gruß, Mike.

  2. AvatarRichard Albrecht sagt:

    @Hallo gerdos: Wie´s schon Hippokrates meintet: Vita brevis, ars longa – Die Kunst ist lang und kurz ist unser Leben;-). Nur drei kurze Bemerkungen:

    -Im FAUST heißt es – und bezogen auf den Olympia-Winter„sport“ (2014) wird´s doppelbödig -: „Nach Golde drängt, / Am Golde hängt / Doch alles. Ach wir Armen!“ (FAUST I. Abend Szene, Zeilen 2802-2804: Monolog Margarethe)

    -Mal Butterbidifisch: Renn“sport“funktionär „Bernie“ Ecclestone, Unternehmer und Geschäftsführer der Formel-1-Holding SLEC (Formula One Group) mit geschätztem Vermögen von etwa drei Milliarden Euro soll einem verurteilten ehemaligem Bankvorstand 44 Millionen Dollar Schmiergeld gezahlt haben, um den Verkauf der BayernLB-Anteile an der Formel-1-Holding zu erreichen. Ecclestone bestreitet dies. Mitte Juli 2013 erhob die Staatsanwaltschaft München Anklage gegen Ecclestone wegen Bestechung und Beihilfe zur Untreue <- http://de.wikipedia.org/wiki/Bernie_Ecclestone

    -Und mal unter Männern ´n Vergleich mit ´nem gewöhnlichen kleinen Gauner, der´s schafft, als geschickter Handtaschenräuber im Park täglich 240 US-$ einzunehmen. Der müßte das dann etwa 502 lange Jahre lang täglich, ununterbrochen und ungehindert tun können, um dieses ecclestonische „Schmiergeld“ zu erreichen [44.000.000 : 87.660].

    Besten Gruß, R.A.

  3. Avatargerdos sagt:

    1. Hallo Doc. Jens Weinreich beschreibt auf seinem Blog „sport and politics“ immer wieder mal, dass die internationalen Sportwettbewerbe ie F1-Rennen, olymp. Spiele und WM in erster Linie ein unvorstellbar korruptes System zum Geldmachen darstellt.

    2. Auch die Zuschauerzahlen bei den olymp. Winterspielen in Sitschi müssen korrigiert werden, weil nachweisloch rd. 70 % der Zuschauer in unverantwortlicher Weise bewußtseinmindernde Substanzen zu sich genommen haben sollen:

    http://www.der-postillon.com/2014/02/olympische-winterspiele-70-prozent.html

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