Football is coming out

Das ist sehr, sehr gut, dass Thomas Hitzlsperger den Mut gefunden und sich als erster deutscher Fußball-Profi zu seinem Schwulsein bekannt hat.

Aber letztlich ist es auch unfassbar, dass man in einem freien, angeblich aufgeklärten Land im Jahr 2013 noch Mut braucht, um sich zu einer sexuellen Orientierung zu bekennen. Hitzlspergers Statement kann wirklich nur der Anfang sein.

Der DFB ist gefordert, endlich mit dem miefig-schwiemeligen Rumgeeier aufzuhören und deutlich zu machen, dass es im größten Sportverband der Welt zwangsläufig sehr viele lesbische und schwule Spielerinnen und Spieler gibt, dass diese Tatsache das normalste auf der Welt ist, und dass für homophobe Arschlöcher, die das nicht wahrhaben wollen, sogar im größten Sportverband der Welt kein Platz ist.

Wir Fans sind gefordert, sofort das Maul aufzumachen und gegenzuhalten, wenn in der Kurve oder auf der Tribüne schwulenfeindliche, ausländerfeindliche oder rechtsradikale Stimmung gemacht wird. Wir sind für die Stimmung im Stadion verantwortlich, und wenn’s eine Scheißstimmung ist, sind wir auch selbst schuld.

Eigentlich wollte ich noch schreiben, dass auch die Politik gefordert ist, aber die Mühe spare ich mir angesichts des unsäglichen, Brechreiz erregenden Opportunismus von Frau Merkel. Hat ja eh keinen Sinn.

Sinn hatte Thomas Hitzlspergers Mut. Dafür – und für die vielen tollen Spiele – herzlichen Dank.

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3 Antworten zu Football is coming out

  1. Sicher ist ein coming-out von Prominenten immer mutig, wenngleich am Karriereende auch ein wenig risikolos. Was ich so lese (bin kein Fusßballfan) hört er jetzt auf oder hat schon (Wikipedia sagt „ehemaliger Fußballprofi“). Hitzlsperger hat sich laut Interview kalkuliert vor 2 Jahren gegen ein Coming Out während seiner Profizeit entschieden, daher finde ich das Signal jetzt nicht unbedingt die behauptete Ermutigung junger Sportler, denen von einem, der’s wissen muss, jetzt leider doch nur vorgelebt wurde, lieber abzuwarten, bis man finanziell ausgesorgt hat… Versteht mich nicht falsch, Ihr dürfte das alle toll finden, nur finde ich es etwas übertrieben dargestellt, auch was den Mut angeht. Hitzlsperger sagt selbst, dass ihn nicht Scham, sondern Warnungen der Freunde vor Wirbel und Karriereaus abgehalten haben. Ohne die zukünftige Aufmerksamkeit als Profi und ohne Verlustrisiko und mit völligem Perspektivenwechsel vom öffentlichen Fußballer zum persönlichen Umfeld, in dem sein Schwulsein ja kein Geheimnis war, bleibt bei mir ein übler Nachgeschmack beim momentanen Abfeiern in der Weltpresse. Gerade dieses „der ist bekannt und schwul und sagt es“ macht daraus wieder so etwas fürchterlich besonderes, was es schlicht nicht ist. Ich fand die Tatsache, dass sich eine Person zum Schwulsein bekennt, schon immer langweilig, weil mich die sexuelle Orientierung eines Menschen nicht interessiert und weil ich auch keine Menschen persönlich kenne, die da anders denken. Was interessiert es mich, ob mein Kumpel (oder gar irgendjemand „im Fernsehen“ oder „im Stadion“) schwul ist? Viel schlimmer wäre ein missionierende Veganer, der mir ständig mein Steak madig quatscht oder ein Schlagerfreund (mein Kumpel IST Schlagerfreund und das ist richtig schwer zu ertragen…). Ich weiß, dass es Menschen gibt, die Schwule oder Andersdenkende oder Andersglaubende oder aus anderen Ländern Kommende hassen, aber kommt man dem bei, indem man in die falsche Richtung übertreibt? Die dummen Fans mit ihren Sprechchören denken jetzt um? Naja… Es gibt auch Kreise, in denen ist es schick und angesagt, einen Schwulen als Kumpel zu haben. Oder einen Ausländer. Mit denen wird dann angegeben. Leute, für die Schwulsein eben auch „besonderes“ und nicht völlig normal ist. Auch nicht so hilfreich und einwandfrei, wenn man drüber nachdenkt. Davon wird es jetzt ein paar mehr geben nach der Berichterstattung. „Wir sind tolerant und erzählen es jedem“. Mist, das klappt mit meinem Schlagerkumpel nicht… Eine Sache ist dann völlig normal, wenn’s einer erzählt und alle starren und sagen: „Gähn, und weiter?“. Hitzlsperger ist also schwul. Gähn, und weiter?

  2. AvatarAndrea sagt:

    Die „Zeit“ hat es ja so schön beschrieben: der eigentliche Skandal ist nicht das Outing (oder heißt das Outcoming?), sondern die Tatsache, dass man(n) aus Angst vor möglichen Karriereschäden abwartet, bis die Gefahr vorbei ist.
    Liegt es vielleicht daran, dass Fußball immer noch so eine „urmännliche“ Sportart ist? Oder daran, dass eben doch die eher niedrigen Instinkte auf den Rängen rausgelassen werden? Wenn dunkelhäutige Spieler den Platz verlassen, weil sie irgendwann die Affengeräusche von den Rängen bei jedem Ballkontakt nicht mehr ertragen können, dann kann man verstehen, wenn solch ein „Bekenntnis“ wie Schwulsein nicht so freimütig erfolgt. Wie sieht es dann aus mit dem gemeinsamen Duschen, dem Torjubel usw.? Ist der eine oder andere Teamkollege dann vielleicht doch ein wenig gehemmt – man weiß ja nie, wie es beim schwulen Mitspieler ankommt… Und wenn dann auf längere Sicht die Teamleistung leidet – muss dann doch der schwule Spieler gehen?
    (ja, ich kommentiere hier als Frau, aber ich habe ja auch mit Männern zu tun :-)). Und auch mit lesbischen Frauen)

    Und Angela Merkel möchte ich gern ein winziges bisschen in Schutz nehmen: ich fand es mutig, dass sie zu ihrer Meinung gestanden hat, dass sie – immer mit dem Verweis darauf, dass das ihre private Meinung ist, dass die sicher ein wenig altmodisch ist, aber trotzdem vorhanden – sich „schwertut“ mit der Adoptionsfrage bei gleichgeschlechtlichen Partnerschaften.

    Die allermeisten anderen Politiker/innen, egal welcher Couleur, hätten nie die „Eier“, so etwas ehrlich zu sagen. Sie würden was schwafeln von „finde ich grundsätzlich ganz ganz klasse und mutig und modern von den gleichgeschlechtlichen Paaren“, und nur im sehr kleinen Kreis trauen sie sich dann die Aussage, dass sie eben doch finden, dass Kinder einen Vater und eine Mutter haben sollten. Aber sie hätten dem Fragesteller in der Sendung frech ins Gesicht gelogen. Denn die Mehrheit unser „Entscheider“ hat ja offenbar ein Problem mit gleichgeschlechtlichen Partnerschaften und Adoptionen. An dem, was in den Köpfen ist, ändert auch das ganze politisch korrekte Geschwafel nicht – vielleicht macht es die Sache eher schlimmer.
    Denn nur, wenn jemand sagt „ich habe ein Problem damit“, kann man das Thema überhaupt vernünftig ansprechen.

  3. Das größte Problem beim Profi-Fußball sind m. E. schlicht und einfach die überkommenen Einstellungen diverser Top-Trainer. Solange es Typen wie z. B. Daum (will bei Homosexualtät „gegensteuern“) und Stevens in der Szene gibt, die den Macho-Kult von Vorvorgestern pflegen, solange wird ein Profi, der immer zuerst seinen Marktwert im Kopf hat, ein Outing auf alle Fälle bis nach Karriere-Ende verschieben oder es ganz bleiben lassen.
    Zu Frau Merkel: Da bin ich grundlegend anderer Ansicht. Ihre Äußerung in der Talkshow war für mich ein Stimmen-Abfischen am rechten Rand und ein Kotau vor Seehofer und seinen Hinterwäldler-Schwadronen. Sie hat ja mit dieser Äußerung keine Debatte entfacht, an der sie weiterhin teilgenommen hätte, sie hat ja m. E. die Debatte eher beendet.

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