Nein zu Olympia – wenn Funktionäre nicht mehr funktionieren

Dieses IOC hat hervorragend funktioniert...

Dieses IOC hat noch hervorragend funktioniert…

Am Wochenende haben in Bayern die Bürger der Gemeinden abgestimmt, die sich für die Olympischen Winterspiele 2022 bewerben wollten. Das Ergebnis war – für viele überraschend – deutlich: die Bürger haben mit »Nein« gestimmt. Damit ist die Chance auf die Winterspiele 2022 Geschichte, ob und wann es zu einer neuerlichen Bewerbung einer deutschen Stadt für Winter- oder Sommerspiele kommt, ist fraglich.
Lassen wir die Vollpfosten mal außen vor, die aus Bequemlichkeitsgründen mit »Nein« gestimmt haben. Wer Baustellen, die letztlich einer fundamentalen Verbesserung der einen umgebenden Infrastruktur dienen, als Zumutung empfindet, der trägt den Mittelpunkt der Welt im eigenen Bauchnabel spazieren, da lohnt weder Diskussion noch Ärger.
Aber für diejenigen, die mit »Nein« gestimmt haben, weil ihnen die Spiele mittlerweile suspekt vorkommen, die mit dem IOC und seinen undurchschaubaren Regularien nichts zu tun haben wollen und die Funktionäre ablehnen, die auch noch den größten Scheißdreck abnicken, nur damit der Laden wie gewohnt rund läuft, für die habe ich das größte Verständnis.
Obwohl es mir in der Seele weh tut. Ich bin Sport-Fan von Kindesbeinen an. Eine meiner frühesten, prägenden Erinnerungen ist Willi Holdorfs Zehnkampf in Tokio, 1964. Ich war acht Jahre alt, aber die Bilder, wie er in Schlangenlinien auf die Ziellinie des 1500m-Laufs zutorkelt… sowas begleitet einen ein Leben lang. Derartige olympische Momente gab es einige: Wilfried Dietrich, wie er 1972 James Taylor schulterte… Baumanns unwiderstehlicher Endspurt in Barcelona (Zahnpasta hin oder her)… natürlich auch atemberaubende Tölpeleien wie Hingsens Stabhochsprung-Versuche in Los Angeles… kurzum, Olympische Spiele waren für mich Festtage, sie sind es seit ein paar Jahren aber nicht mehr.
Die fortschreitende Kommerzialisierung, der Umbau eines ursprünglichen Sportfestes zu einem daherkrakeelendend Bling-Bling-Musikdampfer ist nicht schön, aber noch irgendwie hinnehmbar (der ganze Spaß muss ja bezahlt werden). Was gar nicht mehr geht, ist das mafiöse Geschäftsgebaren des IOC und die Zusammenarbeit mit Menschenrechtsverächtern wie in Peking und jetzt in Sotschi, das Schweigen zu offenkundigem Unrecht, das unter den Augen des IOC während der Spiele verübt wurde, ist schlicht und einfach schändlich. Mir hat es die Freude an den Spielen verleidet, ich nehme diese Events nur noch peripher war.
Bloß: Was soll aus den Spielen werden? Man kann doch das größte, schönste, wichtigste Sportfest der Welt nicht diesen mauschelnden Korrumpels überlassen! Das Nein zur 2022er Bewerbung darf kein endgültiges Nein zu Olympia sein. Was es ja auch nicht war: Es war ein Nein auch zu dem unerträglichen Gehabe, mit dem Vorzeige-Sportler, Sport-Funktionäre und Politiker diese Werbung um die Bewerbung betrieben haben. Im Hinterzimmer wird gekungelt, vor den Kameras repräsentieren Franzi und Franz, dann läuft der Laden… Nein, das geht gar nicht mehr, wer so denkt und agiert ist in peinlichstmöglicher Weise vorgestrig, so vorgetragen hat der olympische Gedanke tatsächlich keine Zukunft mehr.
Wo aber soll diese Zukunft herkommen bzw. wer soll sie herbeiführen? Ich hab doch keine Ahnung. Ich weiß nur, dass man nichts verändert, wenn man sich selbstzufrieden in den Schmollwinkel zurückzieht, nachdem man Nein gesagt hat. Die olympische Idee ist viel zu gut, als dass man sie diesen schräge vor sich hinkungelnden Typen überlassen durfte. Olympia muss aus den Hinterzimmern rausgeholt werden. Wir brauchen Funktionäre und Sportpolitiker, die das Nein aus Bayern als Chance begreifen. Wenn die eigenen Leute nicht wollen, dass man sich bewirbt, besteht doch kein Grund mehr, vor den Korruptiolympikern einzuknicken. Man kann den Herrschaften vom IOC ruhig mal die Meinung geigen und ihnen sagen, dass man nicht gewillt ist, ihren Weg ins  moralische Abseits weiter mitzugehen. Man kann auf größtmögliche Transparenz setzen und sie einfordern, auch und gerade bei Olympia. Jetzt ist der Moment günstig: Wir haben gerade nichts zu verlieren.
Letztlich muss nur ein Mensch den Anfang machen, dann werden andere ihm folgen. De Coubertin hat es vor über hundert Jahren vorgemacht. Es ist Zeit, es wieder zu tun. Die Dinge sind veränderbar.

Foto IOC 1896: Albert Meyer [Public domain], via Wikimedia Commons

 

Markiert mit IOC, Olympische Spiele, Politik, Sport.Speichern des Permalinks.

2 Antworten zu Nein zu Olympia – wenn Funktionäre nicht mehr funktionieren

  1. AvatarMatthias sagt:

    Ich kann gut nachvollziehen, dass dir das „nein“ „in der Seele weh getan“ hat!
    Doch auch, wenn eine Schwalbe natürlich längst nicht einen schönen Tag macht, ist dies vielleicht doch ein Anfang gewesen, öffentlich gegen den IOC-Sumpf zu sein und vielleicht kommt so doch mal etwas ins Rollen… Zu wünsche wäre es!

  2. AvatarSteffi sagt:

    Mir vergraults jeden Sport, wenn ich doch weiß, was die Fettgefressenen an Entscheidungen treffen und welcher Antriebsmotor dahinter steckt. Lieber guck ich den I-Dötzchen beim Tretroller-Fahren zu, als den IOC-Bonzen die Kimme zu knutschen. Ich weiß nicht, welche Signale kommen müssten, um mal wieder einigermaßen auf die sportliche Schien zu kommen. Bin ganz bei dir! LG, Steffi

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.
Bitte nicht wundern: nach dem Absenden verschwindet Dein Kommentar einfach und wird erst nach Freischaltung durch uns sichtbar -- also nicht mehrfach absenden!