Buchbesprechung: „Die Affäre Mollath“

Affäre Mollath„Die Affäre Mollath“ ist ein Buch, das beim Leser Wut auslöst. Wut auf eine schlampig arbeitende Justiz, auf oberflächlich gutachtende Psychiater, auf Banker, die sich einen Dreck um Moral scheren… und auf Politiker, die das nicht nur geschehen lassen sondern fröhlich im Sumpf der Korruption mitmischen. Das letzte Buch, das eine vergleichbare Wut in mir auslöste, war Bölls „Verlorene Ehre der Katharina Blum“. Zwischen beiden Büchern gibt es mehrere Unterschiede. Der gravierendste ist jedoch: Bölls Buch ist ein Roman. In der „Affäre Mollath“ geht es ausschließlich um Tatsachen.

Die Autoren der „Affäre Mollath“, Olaf Przybilla und Uwe Ritzer, sind prädestiniert, die Geschichte des Nürnberger Sportwagen-Restaurateurs Gustl Mollath, der seit 7 Jahren zu Unrecht in der Psychiatrie festgehalten wird, aufzuschreiben, denn bei den beiden handelt es sich um die Journalisten der Süddeutschen Zeitung, die in dieser Sache in den letzten Monaten Kärrner-Arbeit geleistet haben. Sie waren es, die akribisch recherchiert und Artikel um Artikel geschrieben haben, um Mollaths Geschichte in den Blickpunkt der Öffentlichkeit zu rücken.

Zur Erinnerung: Gustl Mollath war mit einer Frau verheiratet, die als Anlageberaterin für die Hypovereinsbank tätig war und für ihre Kunden illegale Geschäfte bzw. solche am Rand der Legalität tätigte (Schwarzgeldverschiebungen in die Schweiz u. ä.). Als es Mollath nicht gelang, seine Frau davon abzuhalten, ging die Ehe in die Brüche, ein Rosenkrieg setzte ein. Frau Mollath verklagte ihren Mann wegen Körperverletzung und Reifenstechereien, auch Mollath zeigte sie an und wandte sich an Gott und die Welt, um den Schwarzgeld-Skandal in der HVB publik zu machen. Gustl Mollath landete vor Gericht, man hatte seiner Frau geglaubt, nicht ihm. Da ihm weder Körperverletzung noch die Reifenstecherei nachgewiesen werden konnte, wurde er nicht verurteilt, sondern auf Grund zweifelhafter psychiatrischer Gutachten („nach Aktenlage“, die Gutachter hatten ihn z. T. nicht einmal untersucht!) in die Psychiatrie eingewiesen, wo er seit sieben Jahren einsitzt und um die Wiederaufnahme seines Falles kämpft.

All das haben Przybilla und Ritzer in den vergangenen Monaten akribisch recherchiert und in zahlreichen Artikeln in der SZ veröffentlicht, die die Basis dieses Buchs bilden. Deshalb wird Lesern, die sich bereits mit dem Fall Mollath befasst haben, einiges bekannt vorkommen. In der Tat erfährt man – von einigen durchaus pikanten Einzelheiten abgesehen – letztlich nichts neues über den Fall. Das Buch ist vielmehr eine recht ausführliche Zusammenstellung der bis vor ein paar Wochen bekannten Fakten. Und Przybilla und Ritzer halten sich dankenswerterweise an die Fakten. Sie spekulieren nicht, selbst da, wo es naheliegend wäre. So kann niemand dieses Buch als das Werk von Verschwörungstheoretikern abtun.

Dabei schildern die Autoren Mollaths Geschichte nicht chronologisch, sondern thematisch gegliedert. Der Psychiatrie ist ein eigenes Kapitel gewidmet, ebenso wie der Nürnberger Justiz, den Banken und der Politik. Dies führt dazu, dass manches mehrfach erzählt wird, was sicherlich auch dem Zeitdruck geschuldet ist, unter dem dieses Buch entstanden ist.

In der Tat verwundert die schnelle Veröffentlichung eines Buchs zu diesem Thema ein wenig: schließlich ist der Fall Mollath noch längst nicht abgeschlossen, keineswegs liegen alle Fakten auf dem Tisch. Immer noch wissen wir z. B. nichts über die Umstände, unter denen der hilflos in der Psychiatrie einsitzende Mollath enteignet wurde. U. a. wurde sein Haus zwangsversteigert und geräumt, ohne dass ein gesetzlicher Vertreter oder Betreuer seine Interessen vertreten hätte. Auch im Buch findet sich nur wenig zu diesem Aspekt der Affäre.

„Die Affäre Mollath“ bleibt jedoch ein wichtiges Buch, trotz des zeitigen Veröffentlichungstermins. Denn es erhöht den Druck auf die Verantwortlichen, Bewegung in den Fall zu bringen. Und torpediert die skandalösen Versuche der Justiz, auf Zeit zu spielen und Mollaths Wiederaufnahmeverfahren zu verzögern. Und es vergrößert den Kreis der Menschen, die vom Schickal Gustl Mollaths erfahren.
Und damit von einem der größten Justiz- und Finanzskandale, die dieses Land jemals erlebt hat. Denn darum hat man Mollath ja ursprünglich weggesperrt: damit von den Schwarzgeldverschiebungen und Steuerhinterziehungen nichts an die Öffentlichkeit dringt. Damit dieses unselige Zusammenspiel von Banken, Justiz, Psychiatrie und Politik nicht publik wird, hat die Politik auf Kosten Mollaths jahrelang den Deckel drauf gehalten. Dieses sauber recherchierte Buch reißt ihn weg. Die skandalösen Fakten sind nun gesammelt an die Öffentlichkeit gebracht: die Verantwortlichen müssen handeln.

„Die Affäre Mollath“ erschienen bei Droemer als Hardcover (ISBN 978-3-426-27622-8, € 19,90) und als e-Book (ISBN 978-3-426-42143-7, 17,99 €).
Freundlicherweise hat der Verlag uns ein Rezensions-Exemplar zur Verfügung gestellt, wir danken herzlich.

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Eine Antwort zu Buchbesprechung: „Die Affäre Mollath“

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