Rukelis Kampf – der Boxer Johann Wilhelm Trollmann

Johann Wilhelm Trollmann, den sie Rukeli nannten, war ein Boxer. Vermutlich einer der größten Boxer, der jemals in Deutschland in einen Ring geklettert ist. Ein begnadeter Techniker, sehr schnell auf den Beinen, der einen eigenen Stil kreiert hat und damit seiner Zeit um mehrere Jahrzehnte voraus war. Menschen, die ihn noch kämpfen sahen, erzählen, er hätte bereits in den zwanziger Jahren wie Muhammad Ali geboxt: elegant durch den Ring tänzelnd, um dem Gegner auszuweichen, ihn müde und mürbe zu machen, um dann mit seinem außergewöhnlich harten Punch zuzuschlagen.
Rukeli Trollmann hatte das Zeug zum ganz großen Champion, er hätte Europameister, vermutlich Weltmeister werden können. Er wurde von den Nazis im Konzentrationslager Wittenberge ermordet.Ende der 20er Jahre hatte Trollmann eine steile Karriere bei den Amateuren hingelegt. Der Sinto kam aus bettelarmen Verhältnissen, hat sich im wahrsten Sinne des Wortes durchgeboxt und wurde 1929 Profi. Seinen ersten Kampf gegen Willy Bolze gewann er durch K.O. in der vierten Runde.

Der deutsche Boxsport hatte auf einen wie Trollmann gewartet: ein ebenso eleganter wie ehrgeiziger Boxer, ein echter Kämpfer, ein gut aussehender Kerl, der auch „Schlag“ bei den Frauen hatte… aus solchem Holz werden Stars geschnitzt.

Am 9. Juni 1933 wurde Rukeli Trollmann zum Superstar. In einem epochalen Kampf gegen den damals als weit überlegen geltenden Adolf Witt errang Trollmann nach 12 beinharten Runden einen unumstrittenen Punktsieg und war deutscher Meister im Halbschwergewicht. Und dies war auch das Ende seiner Karriere.

Den Nazis war Trollmann ein Dorn im Auge. Ein Sinto als deutscher Meister? Unmöglich. Und dann boxte er auf eine Art und Weise, die sie noch nicht mal verstehen konnte. Ein deutscher Boxer hatte wie eine Eiche im Ring zu stehen und auszuteilen, dass, was dieser Trollmann machte, hatte doch mit Boxen nichts zu tun! Sie nahmen Rukeli seinen Meistertitel wieder weg mit der Begründung, beide Boxer hätten „ungenügende Leistungen“ vollbracht.

Am 21. Juli stand Rukelis nächster Kampf an, gegen Gustav Eder. Die Nazis im Boxverband deckten ihn mit Auflagen zu:sie verboten ihm seinen Stil, er sollte nicht „zigeunerhaft herumtanzen“ sondern sich „dem Kampf stellen“, sonst würde er seine Boxlizenz verlieren. Rukeli Trollmann antwortete mit einer großartigen, mutigen und – wie großartige, mutige Gesten eben sind – sinnlosen Geste, die ihn endgültig ins Verderben stürzen sollte.

Er kletterte mit blond gefärbten Haaren und weiß überpudertem Körper zu Eder in den Ring. Er gab den Nazis die Karikatur eines arischen Herrenrasse-Boxers, ließ sich wehrlso verdreschen und ging in der 5. Runde zu Boden. Die Profi-Karriere Trollmanns war vorbei.

In den nächsten Jahren schlug er sich als Rummelplatz-Boxer durch, im Krieg wurde er soldat, war in Polen, Belgien und Frankreich stationiert, schließlich kam er an die Ostfront. 1942 wurde er aus „rassenpolitischen“ Gründen entlassen. Er kam ins KZ Neuengamme, wo er als Häftling Nr. 9841 schwerste Zwangsarbeit verrichten musste. Doch ein SS-Mann erkannte den einstmals berühmten Boxer, und von da an musste Trollmann allabendlich gegen andere SS-Leute zu „Trainingskämpfen“ antreten.

Als seine Kräfte mehr und mehr schwanden, versuchten seine Mithäftlinge, ihn zu retten. Sie täuschten seinen Tod vor, identifizierten einen anderen an Herz-Kreislauf-versagen gestorbenen Häftling als Trollmann und schmuggelten den echten Rukeli 1944 ins Nebenlager Wittenberge. Doch auch da wird er erkannt und erneut zum Boxen gezwungen. Ein Kampf zwischen ihm und einem Kapo namens Emil Cornelius wird arrangiert, in Trollmann flackert ein letztes Mal sein piratenhaftes Bravado auf, er kann nicht anders, er bleibt Sportler, er schlägt Cornelius und gewinnt den Kampf.

Diesen letzten Sieg bezahlt er mit dem Leben, Cornelius rächt sich und erschlägt ihn.

Nach dem Krieg sprach keiner mehr von oder über Rukeli Trollmann. Insbesondere die deutschen Boxverbände, naziverseucht bis an die Bandagen, hatten überhaupt kein Interesse daran, einen Sportler zu rehabilitieren, an dessen Niedergang ihre Funktionäre unrühmlichsten, schändlichen Anteil hatten. Erst 1993(!) bequemte man sich dazu, Trollmann in die „Riege deutscher Meister“ aufzunehmen.

Dem Hannoveraner Schriftsteller Hans Firzlaff ist es zu danken, dass Trollmann letztendlich doch nicht ins Vergessen geriet. Er recherchierte jahrelang das Schicksal dieses Mannes und brachte in den neunziger Jahren ein Buch über Trollmanns Leben unter dem Titel „Knockout“ heraus. Damit war der Anfang gemacht.

Noch immer ist Rukeli Trollmann den meisten Deutschen kein Begriff. Aber in Hannover wurde ein kleiner Weg nach ihm benannt, in Hannover und Hamburg wurden Stolpersteine für ihn platziert. Die Künstlergruppe Nurr hat ein temporäres Denkmal für Trollmann geschaffen, einen schief stehenden Boxring, der bisher in Hannover und Berlin zu sehen war, es hat mehrere Theaterabende gegeben und sein Großneffe, Manuel Trollmann betreibt eine Homepage mit Informationen und Neuigkeiten zu einem der größten deutschen Boxer aller Zeiten, zu einem Mann, den wir nicht vergessen wollen. Den wir nicht vergessen können. Die Bezeichnung „Held“ wird gern leichtfertig vergeben. An Trollmann ist nichts leichtfertiges. Er hat sie verdient.

Wenn jemand mehr über Rukeli Trollmann erfahren möchte: Roger Repplinger hat das höchst lesenswerte Buch „Leg dich, Zigeuner“ geschrieben in dem er Trollmanns Schicksal den Lebensweg des Hamburger Fußballspielers und überzeugten Nazis Tull Harder gegenüberstellt. Und diese Woche kommt das Doku-Drama „Gibsy“ in die Kinos, in dem Trollmanns Geschichte erzählt wird.

Foto von Hans Firzlaff (sintiundroma.de) [Public domain], via Wikimedia Commons

 

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2 Antworten zu Rukelis Kampf – der Boxer Johann Wilhelm Trollmann

  1. AvatarRukeli Trollmann e.V. sagt:

    Vielen Dank für den tollen Bericht. Es ist schön zu sehen, dass das Schicksal von Johann Rukeli Trollmann immer weiter in das Bewusstsein der Bevölkerung vordringt. Und dass er auf diese Weise die Anerkennung erhält, die ihm als außergewöhnliche Figur der Zeitgeschichte zusteht.

    Der Verein Rukeli Trollmann e.V. wurde von engsten Familienmitgliedern Rukeli Trollmanns ins Leben gerufen, um sich aktiv gegen Rassismus und Antiziganismus einzusetzen.

    Auf unserer Homepage http://www.rukeli-trollmann.de erfahren Sie mehr über das Leben Johann Trollmanns und erhalten einen Einblick in unsere Projekte gegen Gewalt und Rassismus.

    Viele Grüße

    Rukeli Trollmann e.V.

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