Nicht ohne meine Vorhaut!

Seit ein paar Monaten ist hierzulande die Beschneidung im Kindesalter ein Thema. Das Landgericht Köln hatte Anfang Mai dieses Jahres in einem Urteil die Beschneidung mit Körperverletzung gleichgesetzt. Gegen dieses Urteil haben viele Juden und Muslime heftig protestiert, also Menschen, bei denen das Entfernen der Vorhaut von kleinen Jungen ein anscheinend unverzichtbares religiöses Ritual ist. Wie dem auch sei, da war nun eine rechtliche Lücke, und die Bundesregierung war aufgefordert, die zu schließen. Vorgestern nun hat die Bundesjustizministerium einen entsprechenden Gesetzesentwurf vorgelegt, die Bundesregierung will die Beschneidung von Jungen im Kindesalter bundesweit dulden, sofern die Eltern des Jungen dem Eingriff zustimmen. Das ist ein riesengroßer Skandal.

Beschneidung – das ist kein kleiner, unbedeutender Eingriff, dass kann eine höchst schmerzhafte Angelegenheit sein. Auch wenn das eigentliche Entfernen der Vorhaut heutzutage unter örtlicher Betäubung oder Vollnarkose geschieht, so dass man von der Operation nichts spürt, die meisten Jungen und Männer leiden eine Woche lang unter zum Teil recht heftigen Wundschmerzen.

Außerdem wird das Sexualleben eines Mannes (und das seiner Partnerinnen oder Partner) ein anderes, wenn ihm die Vorhaut entfernt wird. Letzte Woche hatten wir in den Links der Woche auf einen anschaulichen Erfahrungsbericht in der taz hingewiesen.  In der Vorhaut sitzen tausende von Nervenenden (es soll sogar möglich sein, einen Mann nur durch Stimulation seiner Vorhaut zum Orgasmus zu bringen), wenn die abgeschnitten wird, bleibt das nicht ohne Konsequenzen. Die Empfindlichkeit von Penis und Eichel nimmt ab, das kann dazu führen, dass sich die Orgasmusfähigkeit des Mannes verringert oder sein Penis nicht mehr so steif wie mit Vorhaut wird. Die Ausdauer beim Geschlechtsverkehr kann sich vergrößern, es kann aber auch vermehrt zum vorzeitigen Samenerguss kommen. Auch für Sexual-Partnerinnen und -Partner kann es einen großen Unterschied machen, ob sie mit jemandem schlafen, der beschnitten wurde oder nicht. Ausführlich steht das alles in oben bereits erwähntem Wikipedia-Artikel. Da steht auch einiges über die anderweitigen Risiken, die eine Beschneidung mit sich bringen kann (nicht schön).

Soweit also die Veränderungen, die sich durch eine Beschneidung ergeben können. Wie gehen nun die Vertreter der entsprechenden Religionen damit um? Und warum bestehen sie überhaupt auf einer Beschneidung im Kindesalter? Man vermutet, dass Beschneidungen ursprünglich Initiationsriten waren. Dadurch, dass er den Schmerz aushalten konnte, demonstrierte der Jüngling, dass er nun ein Mann war. Kommt bei Beschneidungen im Kindesalter wohl nicht in Frage.
Und warum bestehen Juden und Moslems auf der Beschneidung im Kindesalter? Nun, im 1.Buch Moses geht Gott mit Abraham und seiner Familie einen Bund ein, dessen Zeichen die Beschneidung ist, die acht Tage nach der Geburt zu erfolgen hat. Ohne Vorhaut – du bist dabei. Mit Vorhaut – du bist raus. Begründung: Fehlanzeige. Ritual um seiner selbst willen.
Auch im Islam wird die Beschneidung als Zeichen der Religionszugehörigkeit durchgeführt, möglicherweise weil Mohammed ohne oder mit stark verkürzterVorhaut zur Welt gekommen ist. Die Beschneidung an sich kommt im Koran überhaupt nicht vor, lediglich die Sunna, einer Art Gebrauchsanweisung für Muslime, macht die Beschneidung zum zentralen Bestandteil des Islams.
Kurz und knapp zusammengefasst: Es geht um Tradition. Um nichts sonst. „Das haben wir schon immer so gemacht!“ Mehr ist nicht.

Was zum Henker spricht eigentlich dagegen, mit der Beschneidung zu warten, bis aus den Kindern junge Männer geworden sind, die selber abwägen und entscheiden können, ob sie diesen Eingriff vornehmen lassen wollen oder nicht? Die sich frei entscheiden können, ob sie diese Verstümmelung (nennen wir die Dinge ruhig beim Namen) benötigen, um ihre Zugehörigkeit zu einer Religion zu demonstrieren? 1

Genau so sollte das in einem freiheitlichen Staat mit Grundrechten geschehen. In Artikel 2  Absatz 2 des Grundgesetzes heißt es: „Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit“. Grundrechte gelten auch für Kinder. Und nein, Eltern sollten nicht darüber entscheiden dürfen, wie das Sexualleben ihrer Söhne  fünfzehn oder zwanzig Jahre später auszusehen hat. Lasst den Jungen ihre Vorhaut. Wenn sie Männer geworden sind, sollen sie über ihr eigenes Leben entscheiden dürfen. Ohne Steinzeit-Rituale, Voodoo und ähnliches Gedöns.

Anderer Ansicht? Immer gerne. Hier  ist ’ne Abstimmung, über Kommentare freu ich mich.

Was meinst du als Mann zum Thema "männliche Beschneidung im Kindesalter"?

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Foto von dbking (267_6766) [CC-BY-2.0], via Wikimedia Commons

  1. Wobei es natürlich eine wunderbare Ironie ist, dass durch bloße Inaugenscheinnahme der fehlenden Vorhaut niemand sagen kann, ob der  Beschnittene nun Muslim oder Jude ist…
Markiert mit Beschneidung, Gesetz, Zirkumzision.Speichern des Permalinks.

5 Antworten zu Nicht ohne meine Vorhaut!

  1. Avatarh0ldi sagt:

    Ich finde es schlimm, dass diese Verstümmelung in unserer Zeit noch tolleriert wird. Es ist schon seltsam, dass aber die weibliche Beschneidung schon vor vielen Jahren in Deutschland verboten wurde. Und es war auch ein religiöser Ritus. Nun haben aber manche Frauen argumentiert, dass das Sexualleben fürs restliche Leben“beschnitten“ wurde. Ja, beim Mann auch!

  2. AvatarYücel Yanaz sagt:

    Hier wäre es mal interessant, die Meinung eines beschnittenen Mannes zu hören, der keine seelischen Verstümmelung durch die Zirkumzision erlitten hat.

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