Innenminister Friedrich contra Arno Nym

Typisches Werkzeug eines "anonymen Internet-Bloggers"

Es ist eine gute deutsche Tradition, dass sich unsere Bundesinnenminister mit den Gesetzen, die sie durchsetzen sollen, nicht ganz so gut auskennen. Ex-Bundesinnenminister Hermann Höcherl hat es mal sehr sinnig auf den Punkt: »Man kann nicht immer mit dem Grundgesetz unterm Arm herumlaufen.«
Bundesinnenminister Friedrich muss an seinen Vorgänger gedacht haben, als er am Wochenende bei SpOn ratlos fragte, warum »anonyme Blogger ihre Identität nicht offenbaren« müssten. Kann ja nicht alle Gesetze kennen, der gute Mann, ist ihm sicherlich entgangen, dass es zumindest in Deutschland keine »anonymen Blogger« geben kann, wegen etwas, dass sich »Impressumspflicht« nennt: sowie man hierzulande etwas ins Netz stellt, was über Persönliches oder Familiäres hinausgeht, ist Schluss mit jeder Anonymität.

Aber Friedrich wäre kein deutscher Politiker, wenn er es dabei belassen würde, Inkompetenz in Gesetzesfragen zu demonstrieren, damit kann man nicht punkten, dafür sind die Gesetze zu zahlreich, die das Bundesverfassungsgericht in den letzten Jahren als grundgesetzwidrig annulliert hat. Nee, Friedrich muss uns allen noch nachhaltig vor Augen führen, dass er von diesem Dingenskirchen, Siewissenschon, das Dings, das die Telekom in die Telefonbuchse eingebaut hat, wegen dem der Schröder die Inder hierher holen wollte, genau, das isses, das Internet… also von diesem Dingenskirchen weiß der Friedrich noch weniger als von der aktuellen Gesetzeslage.

Es gibt keine Anonymität im Internet. Jeder, der sich im Internet bewegt, hinterlässt eine meterbreite Spur auf der »Datenautobahn« (um eine für Minister Friedrich verständliche Terminologie zu benutzen), sich ein schickes Pseudonym und ein Anonymizer-Plugin für den Browser zuzulegen langt bei weitem nicht aus.
Wenn man im Netz wirklich anonym bleiben will, gibt es nur eine erfolgversprechende Strategie: Im Netz nichts veröffentlichen. Oder, noch besser, gar nicht erst ins Netz gehen. Ein Pseudonym – und das ist es ja letztlich worüber Minister Friedrich sich so echauffiert, verschafft seinem Träger nur eine höchst begrenzte Anonymität.

Nehmen wir ein Beispiel, dass die meisten von uns kennen, das Nassrasur-Forum. Hier sind die meisten User mit einem Pseudonym unterwegs, und das ist eine mehr als vernünftige Sache. Man muss nicht jedem gleich auf die Nase binden (bzw. es allzu leicht googlebar zu machen), dass man eine (möglicherweise) unvernünftig große Menge Geld für Aftershaves und Rasierseifen ausgibt, mit Gleichgesinnten Vor- und Nachteile von vollhohlen und halbhohlen Rasiermessern diskutiert oder eine neuartige Methode entwickelt hat, mit der man aus Flüssigseife und Raketenantriebsmittel einen Bomben-Schaum schlagen kann…
Jeder User MUSS die Möglichkeit haben, darüber zu entscheiden, wie er sich im Netz präsentieren möchte. Ob mit dem eigenen Namen (eine Teilnahme an Business-Netzwerken wie Xing oder LinkedIn mit einem Nick wie »fieservermummter1962« ist nicht wirklich sinnvoll) oder einem Nickname, der einem User ein gewisses Maß an Schutz bieten kann, aber keinesfalls Anonymität.

Ein Stammgast in einer Kneipe ist den anderen Gästen meist auch nicht als Herr Dr. Wilhelm Meister sondern als »Stonsdorfer-Willy« bekannt, und da jeder weiß, das Stonsdorfer-Willy noch bei seiner Mutter in der Kronengasse 3 wohnt, ist er genausowenig anonym wie ein geschätztes Nassrasur-Forums-Mitglied, das seit Jahren unter einem fantasievollen Nick konstruktive Beiträge postet, am Mitgliederhandel teilnimmt (mit anonymer Postadresse, gell, Herr Friedrich?) und regelmäßig an Forumstreffen teilnimmt. Ohne dabei eine Papiertüte überm Kopf zu tragen.

Kurz und knapp: dieser Anonymitäts-Quatsch konnte nur einem absoluten Vollspaten einfallen, der sich das Internet täglich von seinem Dienststellenleiter ausdrucken und von einem persönlichen Referenten ungelesen abheften lässt. Von einem Denk-Kräppel, der die gewachsene Kultur des Internet noch nicht mal ansatzweise verstehen kann oder will. Von einem Innenminister, der demnächst vermutlich eine Klage gegen den Betreiber von http://www.german-hacker.de anstrengt. Weil der bestimmt was Illegales mit Elektronengehirnen macht.

Foto: Aka  / pixelio.de

 

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